# taz.de -- Debatte Rechtspopulismus: Im Paralleluniversum | |
> Sollte man Parteien wie die FPÖ ignorieren? Hilft wenig, denn längst | |
> nutzen sie eigene Kommunikationskanäle und ignorieren uns. | |
Bild: Heinz-Christian Strache weiß, was seinen Anhängern gefällt | |
Für viele war der Erfolg des Grünen Alexander Van der Bellen bei der | |
Präsidentschaftswahl in Österreich der einzige Lichtblick des Jahres 2016 – | |
ein Jahr, in dem Populisten Abstimmungen wie jene über den Brexit und die | |
Wahlen in den USA gewannen. Für die FPÖ war die Niederlage ihres Kandidaten | |
Norbert Hofer eine große Enttäuschung, schließlich waren am Wahltag | |
Vertreter von rechten Parteien aus ganz Europa in Erwartung eines Sieges | |
angereist. | |
Doch wäre es kurzsichtig, die Wahl Van der Bellens überzubewerten. 46,2 | |
Prozent sind das beste Ergebnis, das die FPÖ jemals bei einer Wahl auf | |
Bundesebene erzielt hat. Seit Jörg Haider die Parteiführung 1986 übernahm, | |
wächst die FPÖ in Österreich – allerdings mit vielen Auf- und | |
Abwärtsbewegungen. | |
Eine der Lehren, die man aus den Erfahrungen in Österreich ziehen kann, ist | |
diese: Wenn eine rechtspopulistische Partei in eine Krise gerät, ist sie | |
vor allem selbst daran schuld – es ist nicht das Verdienst der politischen | |
Gegner und auch nicht das der Medienberichterstattung. | |
Die Partei setzt seit Jahren neben dem Anti-Ausländer-Thema auf eine klare | |
Medienstrategie. Botschaften werden über soziale und von Parteifreunden | |
gesteuerte Medien abgesetzt, „traditionelle Medien“ werden gemieden. | |
Ausnahmen sind Servus TV und die Boulevardzeitungen Krone, Heute und | |
Österreich. | |
## Kluge Kumpelkommunikation | |
In einem Interview mit dem Magazin Fleisch gestand der Chefredakteur von | |
Krone.at, Richard Schmitt, ein, wie das Boulevardmedium die FPÖ unterstützt | |
– und umgekehrt. Krone.at veröffentliche gezielt Artikel, die inhaltlich | |
darauf aufbauten, dass sie von FPÖ-Chef Strache auf Facebook geteilt | |
werden: „Wenn Strache einen normalen Bericht von uns auf Facebook teilt, | |
dann merken wir, das haut die Quote auf das 1,5-fache hoch. Und umgekehrt | |
kriegt er natürlich auch mehr Traffic, wenn wir ihn pushen“, erläuterte | |
Schmitt. | |
Schon seit Jahren prügeln FPÖ-Politiker auf den gebührenfinanzierten ORF | |
ein, kritisierten Berichterstattung und Interviewführung. Ob blaue | |
Vertreter überhaupt zu Diskussionssendungen im öffentlich-rechtlichen | |
Fernsehen oder zu Interviews in Qualitätszeitungen eingeladen werden | |
sollen, ist in den Anfangsjahren ihres Aufstiegs unter Haider diskutiert | |
worden – wie in Deutschland jetzt im Zusammenhang mit der AfD. Seit die FPÖ | |
aber in der Wählergunst ähnlich wie die Regierungsparteien liegt, ist das | |
kein Thema mehr. | |
FPÖ-Vertreter werden eingeladen. Nur: Sie wollen oft gar nicht mehr kommen. | |
Journalisten im ORF oder von Qualitätszeitungen, die die FPÖ mit ihren | |
Aussagen konfrontieren, werden von ihr beschimpft oder schlicht ignoriert. | |
Anfragen für Interviews werden einfach nicht beantwortet. Inzwischen gibt | |
es sogar einen eigenen Fernsehkanal: FPÖ-TV – Straches Ehefrau arbeitet | |
dort als Moderatorin. | |
Ein Millionenpublikum erreicht die FPÖ aber über Facebook und Websites, | |
die von Anhängern oder gar eigenen Angestellten gefüllt werden: Dazu zählen | |
wochenblick.at und vor allem unzensuriert.at. Laut der Branchenseite | |
10000flies.de zählte eine Meldung des Portals unzensuriert.at, für das | |
FPÖ-Mitarbeiter verantwortlich zeichnen, im Jahr 2015 zu den drei Artikeln | |
mit den meisten Interaktionen auf Facebook im deutschsprachigen Raum. Mehr | |
als die Hälfte der Zugriffe erfolgt aus Deutschland. So werden Leserinnen | |
und Leser auf dieser Seite auch über Entwicklungen bei der AfD, der die FPÖ | |
wie Le Pens Front National freundschaftlich verbunden ist, auf dem | |
Laufenden gehalten. | |
## Herzstück des FPÖ-Netzwerks | |
Mit rund 555.000 Fans ist Strache der – mit großem Abstand – erfolgreichste | |
österreichische Politiker auf Facebook. Hofer kommt auf rund 320.000 | |
Anhänger. Allein während des polarisierenden Präsidentschaftswahlkampfs hat | |
Strache etwa 100.000 neue Fans dazubekommen. Damit liegt er klar vor dem | |
ÖVP-Zugpferd, dem jungen Außenminister Sebastian Kurz, mit rund 473.000 | |
Anhängern und vor Kanzler Christian Kern mit rund 152.000 Fans. | |
Straches Facebook-Seite ist das Herzstück des FPÖ-Netzwerks, es erlaubt ihm | |
die direkte Kommunikation mit seinen Unterstützern – so wie Donald Trump | |
Twitter nutzt. Täglich wurden durchschnittlich 13 Posts veröffentlicht, die | |
im Schnitt jeweils 470 Reaktionen (etwa Likes) und 125 Kommentare | |
auslösten. Fast 400-mal wurde jeder Beitrag im Durchschnitt geteilt – ein | |
sehr starker Wert. | |
Lob für Straches Facebook-Auftritt kommt sogar von Internetguru Sascha | |
Lobo: „Er redet mit ihnen auch wie ein Kumpel. Kumpelkommunikation mag auf | |
eine intellektuelle Medienblase (deren Teil ich bin) plump wirken, aber sie | |
nimmt ihr Gegenüber ernst oder tut zumindest sehr geschickt so“, schrieb er | |
auf Spiegel-Online. | |
## Der Schrecken bleibt | |
In diesen von der Partei gesteuerten und befeuerten Kommunikationskanälen | |
gibt es nur die eine Position und keine kritischen Journalistenfragen. Denn | |
österreichische Medien hinterfragen Aussagen auch von FPÖ-Politikern immer | |
häufiger mit Faktenchecks. Außerdem werden periodisch wiederkehrende | |
Warnungen von Strache vor einem „Bürgerkrieg“ oder Ähnlichem ignoriert. | |
Die FPÖ hat sich lange vor Trump eine eigene Filterblase und Medienwelt | |
aufgebaut, verbreitet immer wieder Falschinformationen und schafft es, ihr | |
Bild von der Welt vielen Anhängern als Wirklichkeit zu verkaufen. Bei der | |
Bundespräsidentenwahl schreckten dann allerdings doch viele davor zurück, | |
mit ihrer Stimme diese Politik Realität werden zu lassen. | |
Doch ob eine gemeinsame Anstrengung vieler unterschiedlicher Gruppierungen, | |
die die Wahl Van der Bellens ermöglicht hat, auch das nächste Mal noch | |
gelingt? Bei einer Nationalratswahl treten Parteien gegeneinander an, nicht | |
nur zwei Personen. In Umfragen liegt die FPÖ seit vielen Monaten konstant | |
auf Platz eins mit über 30 Prozent, weshalb weiter damit gerechnet werden | |
muss, dass sie zwar nicht den Präsidenten, aber bald den Kanzler in | |
Österreich stellt – auch dank eigener Informationskanäle. | |
30 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Alexandra Föderl-Schmid | |
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