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# taz.de -- Schnittmengen von Rot-Rot-Grün: Kein flotter Dreier
> Reichen die Gemeinsamkeiten von SPD, der Linkspartei und den Grünen? Wie
> realistisch ist eine linke Koalition inhaltlich? Das zeigt der taz-Test.
Bild: Kommen die drei Parteien zusammen? Das Thema Rüstungsexporte hat jedenfa…
## Wirtschaft und Finanzen
Streitfafktor: 7 von 10.
Wer muss sich bewegen: alle.
Spielentscheidend: ja.
Big Player: SPD und Linke.
Während Grüne und Linke die Freihandelsabkommen mit Kanada (Ceta) und den
USA (TTIP) ablehnen, will SPD-Chef Gabriel Ceta durchsetzen. Weil er diese
Position wohl nicht räumen will, müssten die kleinen Parteien über das
Stöckchen springen. Bei TTIP könnte sich Rot-Rot-Grün wohl auf einen
Kompromiss einigen, da dieses Abkommen unter US-Präsident Trump ohnehin
unrealistisch erscheint.
In der Steuerpolitik könnte man sich auf Erhöhungen für Wohlhabende und
Unternehmen einigen. Bürger mit niedrigen und mittleren Einkommen würden
möglicherweise etwas entlastet. Die Grünen verlangen die Einführung einer
Vermögensteuer und eine höhere Erbschaftsteuer. Die Linke will eine
Vermögensteuer plus höhere Abgaben auf Einkommen. Vermutlich wird sich auch
die SPD darauf einigen, die Steuersätze für Reiche zu erhöhen, damit
Geringverdiener weniger zahlen müssen. Möglicherweise sprechen sich die
Sozialdemokraten für niedrigere Beiträge zur Sozialversicherung aus.
Für die deutsche und europäische Finanzpolitik verlangt Linken-Politikerin
Sahra Wagenknecht, die Sparpolitik ganz aufzugeben, mehr zu investieren und
die Nachfrage anzukurbeln. Ein Kompromiss könnte möglicherweise so
aussehen: Auf europäischer Ebene setzt sich Rot-Rot-Grün für
Schuldenerleichterungen zugunsten Griechenlands ein. Im nationalen Rahmen
vereinbart man eine leichte grundgesetz-konforme Neuverschuldung. Hannes
Koch
***
## Demokratie und Parteispenden
Streitfaktor: 3 von 10
Spielentscheidend: nein
Platzhirsche: Für Demokratie sind sie alle.
Mehr Demokratie wagen wollte schon Willy Brandt. Und irgendwie wollen seine
rot-rot-grünen Enkel und Urenkel das heute auch noch. So will die SPD
„unsere Demokratie stärken“, die Grünen „unsere Demokratie vitalisieren…
und die Linkspartei „eine Demokratie, in der es etwas zu entscheiden gibt“.
So sind sich die drei Parteien im Grundsatz einig, dass sie gerne die
Möglichkeit von Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden auf
Bundesebene einführen würden – was sie allerdings nur mit einer doch eher
unwahrscheinlichen Zweidrittelmehrheit könnten. Auch keinen Dissens gibt es
darüber, das Wahlalter auf 16 Jahre abzusenken.
Von einer Abschaffung der Fünfprozentklausel, wie es die Linkspartei
fordert, halten die anderen hingegen ebenso wenig wie von einem „Recht auf
Generalstreik“. Und auf die Abschaffung des Gotteslästerungsparagrafen
könnten sich zwar Grüne und Linkspartei verständigen, nicht aber mit der
SPD.
In Sachen Parteispenden gehen die Auffassungen auseinander: Linkspartei und
Grüne wollen Unternehmensspenden verbieten. Für natürliche Personen sollen
die Spenden auf eine jährliche Obergrenze beschränkt werden, wobei die
Linkspartei diese Grenze auf 25.000 Euro taxiert, die Grünen auf 100.000
Euro. Die SPD will eine Obergrenze für Unternehmen wie für Privatpersonen
von 100.000 Euro. Konsens besteht darüber, dass alle Bundestagsabgeordneten
dazu verpflichtet werden sollen, vollständig ihre Einkünfte offenzulegen.
Pascal Beucker
***
## Innere Sicherheit
Streitfaktor: 7 von 10
Spielentscheidend: kaum
Platzhirsche: Die SPD will sich als Law-and-Order-Partei profilieren, Grüne
und Linkspartei als Verteidiger der Bürgerrechte.
Angesichts des aktuellen Sicherheitsdiskurses werden sich Linke und Grüne
sicherlich nicht der von der SPD geforderten Schaffung neuer Stellen bei
der Polizei und einer besseren Ausstattung der BeamtInnen entgegenstellen.
Und auch die Videoüberwachung wird kein Knackpunkt werden. Grüne und
Linkspartei möchten sie zwar zurückdrängen, werden darauf jedoch nicht
bestehen. Die SPD möchte sie ausbauen, aber nur „im Rahmen bestehender
Rechtsgrundlagen“.
Größere Differenzen gibt es dagegen beim Umgang mit den Geheimdiensten: Die
Linkspartei will sie samt und sonders abschaffen. Die Grünen wollen nur den
Militärischen Abschirmdienst (MAD) auflösen. Das Bundesamt für
Verfassungsschutz soll „in seiner bisherigen Form“ aufgelöst werden –
zugunsten einer neuen „Inlandsaufklärung“. Die SPD will gar nichts
abschaffen, sondern „einen Verfassungsschutz, der unsere Verfassung
schützt“. Auch den Einsatz von V-Leuten lehnt sie im Gegensatz zu den
anderen beiden Parteien nicht ab.
Zwar bekunden alle drei Parteien, eine Militarisierung der inneren
Sicherheit abzulehnen. Allerdings hat die SPD nichts dagegen, die
Bundeswehr „bei terroristischen Großlagen“ im Inland einzusetzen. Grüne u…
Linkspartei lehnen das prinzipiell ab. Da die SPD jedoch keine
Verfassungsänderung fordert, bleibt der Dissens unproblematisch – solange
es nicht zum Ernstfall kommt. Pascal Beucker
***
## Außenpolitik und Rüstung
Streitfaktor: 9 von 10
Spielentscheidend: auf jeden Fall.
Platzhirsche: die SPD mit ihrer großen Erfahrung in der Außenpolitik – und
die Linkspartei, die abwägen muss, welche Zugeständnisse ihre WählerInnen
verkraften.
Auch wenn sich die Linkspartei im Alltagsgeschäft nicht immer einig über
diese Frage ist: Ihrem Programm nach erkennt sie die Europäische Union
zumindest an. Das ist dann aber auch schon alles. Die EU brauche einen
„grundlegenden Politikwechsel“, fordert die Linke, einen „Neustart“.
Voraussetzung: ein Ende der Sparpolitik. Da liegt die erste große
Konfliktlinie. Sowohl bei den Grünen als auch bei der SPD ist die
Europabegeisterung deutlich größer: „Mehr Europa“ sei die Losung, fordern
beide.
Während die Linkspartei den Rückzug aller deutschen SoldatInnen aus
Auslandseinsätzen will und die Nato abschaffen möchte, erklären die Grünen:
„Friedenspolitik heißt für uns nicht absoluter Verzicht auf militärisches
Eingreifen.“ Geht es nach der SPD, ist das ohnehin zweitrangig: Sie findet,
dass die EU handlungsfähiger werden muss, auch was eine „Europäisierung der
Streitkräfte“ angeht. Eine Auflösung der Nato lehnt sie ab.
Wenn es um Rüstung und -export geht, ist politischer Sprengstoff drin: Die
Linkspartei will ein Verbot aller Rüstungsproduktion und -exporte. Das
sehen die Grünen anders: Exporte sind für sie kein Problem, solange diese
„klaren Kriterien“ folgen. Die SPD definiert diese Kriterien recht weit:
Menschenrechte müssten „massiv“ verletzt werden, wenn Waffen nicht
exportiert werden dürfen. Patricia Hecht
***
## Umwelt und Ökologie
Streitfaktor: 4 von 10
Spielentscheidend: kaum
Platzhirsch: die Grünen
Die Grünen legen in Sachen Umwelt vor: Kaum ein Kapitel im Parteiprogramm,
das ohne die Stichworte „ökologisch“ oder „nachhaltig“ auskommt. Die P…
versichert sich hier ihrer Entstehungsgeschichte: „Wir wollten aus der
Atomkraft aussteigen, als noch alle Mächtigen Atomfans waren“, heißt es.
Zwar haben auch Linkspartei und SPD einen Hauch von grünem Gewissen, im
Zweifel jedoch gehen andere Interessen vor, bei der SPD die der
ArbeiterInnen und der Industrie, bei der Linkspartei die der
Prekarisierten. Über die Gemengelage sind sich die Grünen im Klaren:
Widerstand gegen Umweltschutz, meckern sie, komme „viel zu oft auch von der
SPD“.
Konfliktfelder wären vor allem das Tempo der Umstellung auf erneuerbare
Energien und der Verzicht auf Kohle. Während die SPD klar macht, dass sie
noch auf Kohle und Gas setzen wird, „solange wir sie brauchen“, finden die
Grünen: „Kohle hat keine Zukunft.“ Die Linkspartei macht weniger Aufhebens
um das Thema und setzt zudem auf das Wort „sozial“ vor „ökologisch“:�…
stehen nicht für eine ökologische Politik zur Verfügung, die nur die
Besserverdienenden im Blick hat“, stellt sie klar. Was auch immer passiert,
soll zugunsten von Teilhabe und Umverteilung gehen.
Weniger strittig dürfte es bei den Themen Schutz der Artenvielfalt,
reduzierter Ressourcenverbrauch, ökologische Landwirtschaft und
verbessertes Tierschutzgesetz zugehen: In fast allen Bereichen beschreiben
vor allem die Grünen den state of the art. Patricia Hecht
***
## Hartz IV und Rente
Streitfaktor: 5 von 10
Spielentscheidend: Kommt darauf an
Platzhirsch: alle drei Parteien
Seit Jahresanfang liegt der Hartz-IV-Regelsatz bei 409 Euro im Monat für
Alleinstehende. Die Grünen fordern einen Regelsatz von mindestens 420 Euro.
Dazu gibt es Vorschläge, die Energiekosten getrennt von den Regelsätzen zu
berechnen und flexibler anzupassen. Beides wäre machbar. Die Linkspartei
fordert, Hartz IV mittelfristig ganz abzuschaffen und durch eine
Mindestsicherung zu ersetzen. Das hätte aber noch Zeit. Außerdem will sie
alle Sanktionen abschaffen. Das dürfte kaum durchsetzbar sein.
Bei der Rente will die Linkspartei langjährig Versicherten eine
steuerfinanzierte „Garantierente“ zugestehen, die oberhalb der
Grundsicherung, also Hartz IV, liegt. Dies deckt sich in Teilen mit dem
Vorschlag von Andrea Nahles (SPD), langjährig Versicherten eine
„Solidarrente“ zu garantieren, die zehn Prozent höher ist als die
Grundsicherung, also etwa 860 Euro netto im Monat betragen würde. Die
Linkspartei fordert allerdings eine Mindestrente von 1.050 Euro. Alle drei
Parteien wollen Selbstständige, teilweise auch Beamte, in die
Rentenversicherung miteinbeziehen und das Rentenniveau so stabilisieren
oder sogar erhöhen.
Das Problem von Rot-Rot-Grün wären wohl weniger die Differenzen zwischen
den Parteien, sondern die Kluft zur eigenen Wählerschaft. Denn sowohl die
Integration aller Erwerbstätigen in die gesetzliche Rentenkasse als auch
steigende Beiträge für die jüngeren Beschäftigten sind in der Mittelschicht
unpopulär. Barbara Dribbusch
2 Jan 2017
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