Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Debatte Trump und Proteste gegen Ceta: Feuer mit Öl löschen
> Aus Panik vor Trump auf neoliberale Handelspolitik zu setzen, ist falsch.
> Wo Demokratie und Gerechtigkeit leiden, werden Populisten stark.
Bild: Die Freihandelsabkommen sind keine Anti-Trump-Maßnahmen: Protest gegen d…
Fast überall auf der Welt fragen sich Regierungen, wie sie mit Donald Trump
umgehen sollen. Der Wüstling im Weißen Haus kritisiert Angela Merkel auf
arrogante und belehrende Art wegen ihres Umgangs mit geflüchteten Menschen,
und er droht Deutschland mit Strafzöllen. Trump löst Ängste aus, um
Klimaschutz, Frieden, Demokratie und Bürgerrechte. Und er schürt die Furcht
vor einer Rezession.
Als Antwort darauf setzt die EU-Kommission weiterhin auf Ceta und viele
weitere Handelsabkommen, die mit dem Ziel verhandelt werden, Exporte zu
steigern. Dass die Kommission ihrer Linie treu bleibt, ist wenig
verwunderlich. Erschreckend ist, dass jetzt auch einige Ceta-Kritiker das
Abkommen plötzlich als Anti-Trump-Maßnahme sehen. Das ist verrückt: Mit
Ceta Trump bekämpfen zu wollen, ist in etwa so sinnvoll, wie einen Brand
mit Öl zu löschen.
Denn Ceta und die anderen geplanten EU-Handelsabkommen ordnen Umweltschutz
und Gesundheit systematisch Exportinteressen unter und blenden
Verteilungsgerechtigkeit aus. Von Handelsabkommen profitieren nie alle
gleichermaßen. Aber diejenigen, die zum Beispiel ihre Jobs verlieren,
werden nicht nur nicht entschädigt, sondern mit dem Sozialabbau der letzten
20 Jahre zusätzlich unter Druck gesetzt. Nicht wenige dieser Menschen zieht
es zu Trump, den Brexit-Befürwortern sowie den Rechtspopulisten überall auf
der Welt.
Handelsabkommen wie Ceta schränken demokratische Handlungsspielräume ein
und untergraben die Rechtsstaatlichkeit, indem sie eine Paralleljustiz für
Konzerne institutionalisieren. Angesichts der nicht nur in Europa zu
beobachtenden Krise der Demokratie ist dieser Kurs unverantwortlich.
Um uns Ceta schmackhaft zu machen, greifen die Befürworter noch zu einem
rhetorischen Kniff: Sie idealisieren auf gefährliche Weise die kanadische
Trudeau-Regierung. So fortschrittlich sie in Fragen der Bürgerrechts- und
Flüchtlingspolitik ist, so wenig gilt dies für ihren wirtschafts- und
umweltpolitischen Kurs. Kanadas Regierung begrüßt Trumps Weiterbau der
Keystone XL Pipeline und verwüstet ganze Landstriche, um das besonders
klimaschädliche Teersandöl zu exportieren. Kanada hat eine liberale
Regierung, keine progressive. Und Ceta ist kein progressives Abkommen. Der
Deutsche Gewerkschaftsbund hält deshalb das Abkommen so, wie es ist, für
nicht zustimmungsfähig – aus guten Gründen.
## Keine einklagbaren Arbeitnehmerrechte
Ceta ist aber auch ein Geschenk für Trump – als Präsident und als
Milliardär. Es ist ganz konkret: „America first!“ Denn von Ceta
profitieren US-Konzerne – darunter nicht wenige in Trumps Eigentum und
seiner Minister im Kabinett der Milliardäre. Während US-Konzerne Ceta
nutzen können, sofern sie nur eine Niederlassung in Kanada haben, sind ihre
weniger stark mit Kanada verflochtenen europäischen Wettbewerber im
Nachteil. Trump und die Seinen haben mit Ceta einen Zugang zum europäischen
Markt mit 500 Millionen Konsumenten – die europäischen Wettbewerber haben
nur den zu Kanada mit 36 Millionen.
Der große Tag für 40.000 US-Konzerne mit Niederlassungen in Kanada kommt,
wenn Ceta abschließend ratifiziert ist. Dann können sie gegen EU-Staaten
klagen, wenn deren Politik im öffentlichen Interesse ihre Profite
schmälert.
Kanada bekommt so direkte Einflussmöglichkeiten auf europäische Standards,
über die sogenannte regulatorische Kooperation. Was Ceta dagegen nicht
bietet, sind einklagbare Arbeitnehmerrechte oder Sanktionsmechanismen zur
effektiven Durchsetzung von Umweltschutzstandards.
Ceta weitet den umstrittenen Investorenschutz gegenüber älteren
Handelsabkommen zum Teil sogar noch aus. So können Investoren leichter
gegen Bankenregulierung vorgehen als unter dem Nordamerikanischen
Freihandelsabkommen (Nafta). Ceta schützt ausdrücklich die „legitimen
Erwartungen“ von Investoren – ein gefährlicher Gummiparagraf.
Zudem nimmt das Abkommen Bereiche wie das Gesundheitswesen oder die
Wasserversorgung nicht von Investorenklagen aus. Es drohen deshalb auch
Klagen wie die 90-Millionen-Euro-Klage gegen Estland, wo sich Behörden
geweigert hatten, die Wasserpreise zu erhöhen. Oder wie in einem Verfahren
gegen die Slowakei, die aufgrund eines vergleichbaren Vertrags zur Zahlung
von 22 Millionen Euro Schadenersatz verurteilt wurde, nachdem dort
Krankenversicherer verpflichtet worden waren, gemeinwohl- statt
profitorientiert zu wirtschaften.
## Ein löchriger Flickenteppich
Dazu passt, dass Ceta die Liberalisierung im Dienstleistungsbereich
erstmals nach dem Modell der „Negativliste“ regelt, was seit Langem der
heißeste Wunsch von Konzernlobbygruppen war. Das bedeutet, dass
grundsätzlich alle Dienstleistungen liberalisiert werden – sofern sie nicht
explizit im Vertrag ausgenommen sind. Statt klarer Angaben, welche Regeln
in welchen Sektoren gelockert werden, hat Ceta einen löchrigen
Flickenteppich von Ausnahmen. Ein Beispiel: Zwar ist die Wasserversorgung
aus Ceta ausgenommen, nicht aber die Entsorgung von Abwasser. Öffentliche
Wasserwerke, die beides anbieten, leiden unter Rechtsunsicherheit.
Richtig ist: Europa braucht in dieser gefährlichen Zeit Freunde und
Verbündete. Europa muss die Beziehungen mit Kanada und anderen Demokratien
stärken, um gemeinsam gegen Autokraten zu bestehen. Reine
Wirtschaftsabkommen wie Ceta helfen da allerdings nichts. Sie stärken
ausschließlich die Handlungsspielräume international operierender Konzerne
– deren Macht ist schon jetzt zu groß.
Sollte Ceta im Europaparlament oder in einem der Mitgliedstaaten scheitern,
werden Stimmen laut werden, dass die EU nicht handlungsfähig ist. Aber die
Europäische Union ist eine Demokratie und kein autokratisches System. In
Demokratien können Vorhaben an mangelnder Zustimmung der WählerInnen
scheitern. Eine der Stärken von Demokratien ist ihre Fähigkeit zu lernen.
Wenn Ceta scheitert, gibt es eine Chance für Handelsabkommen, die nicht
mehr den Nährboden für Rechtspopulisten bilden.
10 Feb 2017
## AUTOREN
Maritta Strasser
## TAGS
CETA
Donald Trump
Kanada
USA
Europäische Union
Neoliberalismus
Lesestück Meinung und Analyse
Schwerpunkt USA unter Trump
Schwerpunkt USA unter Trump
Ölpipeline
CETA
Schwerpunkt USA unter Trump
Kanada
Lesestück Meinung und Analyse
Schwerpunkt TTIP
## ARTIKEL ZUM THEMA
Wirtschaftspolitik der US-Regierung: Kein Ende von Nafta
Im Wahlkampf hatte US-Präsident Donald Trump das Handelspaket als
„Desaster“ bezeichnet. Jetzt soll es Neuverhandlungen mit Kanada und Mexiko
geben.
Kommentar Angela Merkels USA-Reise: Risiken und Nebenwirkungen
Die Kanzlerin und der amerikanische Präsident könnten verschiedener nicht
sein. Ob sie wirklich ins Gespräch kommen, ist sehr fraglich.
Pipeline-Bau in North Dakota: Protestlager nach einem Jahr geräumt
Nach monatelangen erbitterten Protesten mussten Ureinwohner und
Umweltschützer das Camp gegen die Dakota-Access-Pipeline in North Dakota
nun verlassen.
Europa-Parlament gibt Ceta frei: Protest blieb vor der Tür
Das Europaparlament stimmt mit großer Mehrheit dem Freihandelsabkommen mit
Kanada zu. Zahlreichen Demonstranten zum Trotz.
Kommentar Trudeaus USA-Besuch: Wenn der Nachbar ein Bully ist
Kanadas Premierminister Justin Trudeau versucht es in Washington mit
Diplomatie. Vielleicht der einzig richtige Weg für den Umgang mit Trump.
Kabinettsumbau in Kanada: Trudeau rüstet sich für Trump
Kanadas Premier Trudeau baut sein Regierungsteam um. Neue Außenministerin
wird Chrystia Freeland, eine bekannte Kremlkritikerin.
Schnittmengen von Rot-Rot-Grün: Kein flotter Dreier
Reichen die Gemeinsamkeiten von SPD, der Linkspartei und den Grünen? Wie
realistisch ist eine linke Koalition inhaltlich? Das zeigt der taz-Test.
Debatte um Freihandel: Bleibt links!
Trump, AfD und Co wollen das Gleiche wie linke Globalisierungskritiker? Die
Behauptung ist oberflächlich. Sie haben nichts gemein.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.