| # taz.de -- Debatte um Freihandel: Bleibt links! | |
| > Trump, AfD und Co wollen das Gleiche wie linke Globalisierungskritiker? | |
| > Die Behauptung ist oberflächlich. Sie haben nichts gemein. | |
| Bild: Kann so rechte TTIP-Kritik aussehen? | |
| Die Welt ist doch gar nicht kompliziert. Ihre Probleme sind klar. Über die | |
| Lösungen kann man zwar episch streiten, aber dennoch lässt sich genau | |
| sagen, welche Vorschläge nun wirklich nichts zum Erhalt der Menschheit | |
| beitragen. Es sind meistens die, die den kuscheligen Heimathafen der | |
| eigenen Nation propagieren. | |
| In konservativen Medien werfen gerade Kommentatoren zwei völlig konträre | |
| Positionen in einen Topf: die Kritik an der bestehenden Wirtschaftsordnung | |
| durch linke Freihandelskritiker und die protektionistischen Ideen diverser | |
| Rechtspopulisten. Alles Feinde der demokratischen Ordnung, die von rechts | |
| und links beschossen wird, heißt es da. Wer Kapitalismus und Freihandel | |
| ablehnt – so die Idee dahinter –, der ist auch Feind der Freiheitsordnung. | |
| Ich halte solche Argumentationen nicht nur für oberflächlich, sondern für | |
| geradezu dumm. Weil sie eben diejenigen diskreditieren, die innerhalb des | |
| demokratischen Spektrums eine andere Politik formulieren. | |
| Ausgangspunkt dieser Argumentation ist stets die Globalisierung. Gerade die | |
| Deutschen, so wird dann gern betont, profitierten doch so stark von ihr – | |
| wirtschaftlich, politisch und kulturell –, und zwar ganz besonders die | |
| kosmopolitische Mittelschicht. Ausgerechnet die sei es aber nun, die gegen | |
| das Freihandelsabkommen demonstriere. Und wenn dann jemand wie Donald Trump | |
| auch gegen Freihandelsabkommen sei – oder in Österreich ein Norbert Hofer | |
| –, dann sei'sauch nicht recht. Weil, sind ja „Rechtspopulisten“, und die | |
| lehne man reflexartig ab, selbst wenn sie das Gleiche wollten. | |
| ## Industrieländer sind keine Opfer | |
| Der Punkt ist aber: Die wollen nicht das Gleiche. Das fängt bei der | |
| Problembeschreibung an. Die Globalisierung ist weniger ein Problem für die | |
| „abgehängte Mittelschicht“ in reichen Industrieländern. Global gesehen ist | |
| es purer Zynismus, die Industrieländer zu Opfern der Globalisierung zu | |
| stilisieren. De facto arbeiten für unseren Wohlstand Lohnsklaven in | |
| Billiglohnländern, die deutlich früher sterben als wir, kaum Schulbildung | |
| genießen und ihr Leben lang keine Chance auf Aufstieg oder eine | |
| Verbesserung ihrer Lebensumstände haben. | |
| In unseren Produkten stecken Rohstoffe, mit deren Verkauf Bürgerkriege | |
| finanziert werden, oder auch Palmöl, für dessen Herstellung die letzten | |
| Wälder abgeholzt werden. Und unsere Unternehmen tun alles dafür, dass sich | |
| daran maximal in Trippelschritten etwas ändert. Der Planet steht vor dem | |
| ökologischen Kollaps. DAS sind die Probleme der Globalisierung. | |
| Was sagen Rechtspopulisten wie Donald Trump, Marine Le Pen, Norbert Hofer | |
| oder die AfD dazu? Nichts. Für sie ist die Globalisierung nur eine Chiffre, | |
| um xenophobe Denkmuster zu bedienen. Trump schimpft nicht umsonst besonders | |
| heftig auf die Chinesen und die Mexikaner. | |
| ## Rechte Globalisierungskritik befriedigt Xenophobie | |
| Das geht mit der Negierung von Rechtspopulisten einher, wissenschaftlich | |
| längst bewiesene Fakten abzulehnen. Alle diese Parteien, egal ob in | |
| Österreich, Frankreich, Deutschland, Großbritannien, den Niederlanden oder | |
| den USA, behaupten, der Klimawandel sei eine Verschwörung von | |
| durchgeknallten Wissenschaftlern und korrupten Eliten. | |
| Der eigentliche Grund dieser Ablehnung ist: Weltweite ökologische Probleme | |
| lassen sich nur global lösen. Wer aber die Welt als einen Ort ansieht, in | |
| dem Nationen um Ressourcen und Wohlstand zu kämpfen haben, der kann damit | |
| wenig anfangen. | |
| Der internationale Politikzirkus weckt bei den Anhängern der | |
| Rechtspopulisten außerdem das Gefühl von Fremdbestimmung durch Eliten. | |
| Nicht nur Politiker, sondern auch Vertreter von | |
| Nichtregierungsorganisationen und Umweltschutzverbänden und selbst | |
| Protestierende vor den Konferenzzentren von Klimakonferenzen oder | |
| G-20-Gipfeln gehören in ihren Augen dazu. Sie finden schließlich einen Weg, | |
| sich zu artikulieren, und sind damit Teil des Systems. Deshalb lehnen | |
| Rechtspopulisten beides ab: die globale Politik und den linken Widerstand | |
| dagegen. | |
| ## Menschheitsprobleme hier, nationaler Blick da | |
| Der Unterschied zwischen rechter und linker Freihandelskritik ist: Die | |
| einen sehen die Menschheit und ihre kollektiven Probleme, die gemeinsam | |
| gelöst werden müssen. Die anderen verengen ihren Blick auf die Nation, | |
| geprägt durch Religion, Tradition und Hautfarbe. Was in Afrika passiert, | |
| ist egal, Hauptsache, die bleiben weg. | |
| Eine linke Freihandelskritik will nicht die Globalisierung abschaffen, sie | |
| will die Regeln des internationalen Systems so ändern, dass sie die | |
| ökonomischen und sozialen Probleme der Welt löst – und damit auch die vor | |
| der eigenen Haustür. Das ist auch der eigentliche Grund, warum so viele | |
| Menschen in Deutschland verbissen gegen TTIP (Freihandel mit den USA) und | |
| Ceta (mit Kanada) kämpfen. | |
| Ich halte viele der Warnungen vor einer Genmais-Invasion oder einer | |
| Fracking-Welle wegen Ceta für übertrieben. Aber ich teile eine andere | |
| Kritik: Handelsverträge, die den sterbenden Planeten und die sozialen | |
| Verwerfungen ignorieren und nicht der Lösung der Probleme dienen, sind – | |
| kurz gesagt – Schwachsinn. | |
| ## Unvereinbare Weltbilder | |
| Es macht deshalb keinen Sinn, sich in der Freihandelskritik mit Rechten zu | |
| verbünden. Die Vorstellungen darüber, wie eine globale Ordnung ohne diese | |
| Abkommen aussehen soll, klaffen eklatant auseinander. Rechtspopulisten | |
| erkennen nicht einmal die Analyse an. Es gibt null Gemeinsamkeiten zwischen | |
| linken Vorstellungen von einer fairen, ökologischen Weltordnung und dem | |
| Befeuern diffuser Globalisierungsängste. | |
| Was den Wählern von Rechtspopulisten und dem links-kosmopolitischen | |
| Gegenpart gemein ist: Beide lügen sich in die eigene Tasche. Erstere | |
| verbitten sich wütend, als Rassisten bezeichnet zu werden, obwohl sie | |
| Politiker wählen, die offensichtlich Gruppen von Menschen anhand von | |
| Herkunft, Religion oder Aussehen stigmatisieren. | |
| Letztere, zu denen ich mich auch zähle, werden sauer, wenn man sie auf ihre | |
| eigenen Widersprüchlichkeiten anspricht. Das ist der zwischen ihrem | |
| Lebensstil (in gut situierte Vororte ziehen, schön in den Urlaub fliegen) | |
| und ihren moralischen Ansprüchen (Nehmt mehr Flüchtlinge auf! Rettet den | |
| Regenwald!). Aber wie sagte schon Mama immer? Selbsterkenntnis ist der | |
| erste Weg zur Besserung. | |
| 7 Dec 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Ingo Arzt | |
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