# taz.de -- Wirtschaftspolitik der USA: „Da liegt Trump auch mal richtig“ | |
> Der Chef des Washingtoner Thinktanks CEPR, Mark Weisbrot, hält den | |
> Republikaner Donald Trump zwar für eine schreckliche Wahl. Er findet aber | |
> auch Positives. | |
Bild: „Das Einzige, was er ernst meint, ist die Annäherung an Russland, was … | |
taz: Herr Weisbrot, ihr Thinktank sitzt in Washington, da haben nur vier | |
Prozent für Donald Trump gestimmt. Ist sein Wahlsieg in dieser liberalen | |
Stadt besonders hart? | |
Mark Weisbrot: Als George W. Bush 2004 wiedergewählt wurde, fand ich das | |
viel schlimmer. Der Typ hatte uns in den Irakkrieg gelogen, mit | |
Hunderttausenden von Toten. Und nur, weil die Leute mitten im Krieg den | |
Präsidenten nicht auswechseln wollten, hat er seine Wiederwahl gewonnen. | |
Das fand ich übler als Trump. | |
Was für Deutschland TTIP ist, ist in den USA TPP – das Transpazifische | |
Freihandelsabkommen zwischen zwölf Pazifik-Anrainerstaaten. Sie sind | |
dagegen, Trump ist dagegen. Klingt doch eigentlich gut? | |
Ja, sicher. Trump ist zwar furchtbar. Aber er lehnt TPP ab, und da liegt er | |
richtig. Das ist auch einer der Gründe, warum er die Wahl gewonnen hat. | |
Clinton hat das Abkommen zwar im Wahlkampf auch abgelehnt, früher hat sie | |
es aber unterstützt. | |
Zusammen mit Präsident Barack Obama. | |
Obama hat lange daran gearbeitet, TPP noch mit dem alten Kongress | |
durchzupeitschen. Erst vergangene Woche, nach der Wahl, hat er erklärt, | |
darauf zu verzichten. Was er davor gemacht hat, grenzte für mich an | |
Korruption. Er wollte eine Koalition aus Teilen der Republikaner und den | |
Demokraten schmieden, die im Januar aus dem Kongress ausscheiden. Rund 80 | |
Personen sind das und diese sind leicht von TPP zu überzeugen: Sie suchen | |
demnächst einen gut bezahlten Job in der Wirtschaft. Im Schnitt lässt sich | |
jeder vierte ehemalige Abgeordnete als Lobbyist von der Wirtschaft | |
anheuern. | |
Was wird jetzt aus dem Abkommen? | |
Ich glaube, es ist tot. Man weiß am Ende zwar nie, was Trump unterstützt. | |
Es ist sehr unsicher, was er überhaupt mit irgendetwas macht. Aber, da bin | |
ich mir sicher, seine Meinung gegen Freihandel wird er nicht ändern. | |
Was heißt das für TTIP? Hat sich das auch erledigt? | |
Ich glaube, ja, Trump wird kein einziges Freihandelsabkommen abschließen. | |
Wobei ich TPP oder TTIP eigentlich nie Freihandelsabkommen nenne. Ich setze | |
das immer in Anführungszeichen. | |
Warum das denn? | |
Weil es keine Handelsabkommen sind. Wir haben schon eine Menge Handel mit | |
Europa, was soll das? Große Teile der Abkommen drehen sich um Patente und | |
Copyrightschutz. Das ist Protektionismus. Es geht darum, Monopole zu | |
schützen und Konzernen mehr Macht zu geben. | |
Warum war denn TPP ein großes Thema im US-Wahlkampf und nicht TTIP? | |
Weil der Handel mit reichen EU-Ländern kaum die Gehälter in den USA weiter | |
nach unten treiben wird. Das ist aber die größte Befürchtung bei TPP. Wir | |
hatten das schon bei Nafta, dem Handelsabkommen mit Kanada und Mexiko. Das | |
war eine einzige Abwärtsspirale. | |
Man kann auch in Bulgarien oder Ungarn billig produzieren und die sind | |
Mitglied der EU. | |
Das ist ein guter Punkt. Mich wundert auch, dass wir so wenig über TTIP | |
diskutieren. Gruppen wie die Umweltschutzorganisation Sierra Club oder die | |
Verbraucherschutzorganistion Public Citizen sind zwar alle dagegen. Die | |
haben aber nur limitierte Ressourcen und können eben nicht alles bekämpfen. | |
In Europa fürchten viele Konzerne, Trump könnte einen protektionistischen | |
Kurs einschlagen, möglicherweise sogar einen Handelskrieg mit China | |
anzetteln. | |
Ich halte Trumps Drohungen gegenüber China für Geschwätz. Sämtliche | |
Großkonzerne würden ihm ohnehin sofort sagen, dass er einen Handelskrieg | |
mal schön bleiben lassen soll. Schauen Sie sich sein Kabinett an: Der | |
Finanzminister könnte Steven Mnuchin werden, ein ehemaliger Manager von | |
Goldman Sachs. Die haben ja ein Abo auf das Finanzministerium, Robert Rubin | |
unter Bill Clinton und Henry Paulson unter George W. Bush waren auch von | |
Goldman. Wir haben in den Staaten ja fünf Säulen der Macht: das oberste | |
Gericht, den Kongress, das Justizsystem, den Präsidenten und Goldman Sachs. | |
Also, Trump wird mit China überhaupt nichts machen. Das Einzige, was er | |
ernst meint, ist die Annäherung an Russland, was ich übrigens auch für | |
richtig halte. Die Presse hat ihn deshalb hart attackiert und er ist nie | |
davon abgerückt. | |
Wenn Trump nun schon Posten an Wall-Street-Banker vergibt – warum nicht | |
doch auch TTIP oder TPP durchwinken? | |
Das glaube ich nicht. Das Thema war zu groß bei uns. Das wäre eine herbe | |
Enttäuschung für seine Unterstützer. | |
Trump hat extrem viel versprochen. Das kann nur zu Enttäuschungen führen, | |
oder? | |
Einige Sachen wird er angehen. Sein groß angelegtes Infrastrukturprogramm | |
zum Beispiel. Entscheidend ist, was der Kongress und der Rest der Partei | |
mitträgt. Es scheint so, als ob sie das Infrastrukturprogramm durchziehen, | |
was aus der Perspektive der Republikaner sehr schlau wäre. Das könnte | |
tatsächlich Millionen neuer Jobs bringen. Das Dogma der Republikaner ist | |
allerdings, nichts zu machen, was das Haushaltsdefizit weiter erhöht. | |
Das widerspricht sich aber. Infrastruktur kostet, und auch die | |
versprochenen Steuersenkungen sind kaum zu finanzieren. Wie soll das gehen? | |
Die Republikaner werden das unterstützen. Die lieben Steuersenkungen. Und | |
sie haben verschiedene Möglichkeiten, das zu machen. Sie können woanders | |
kürzen oder sie nutzen einfach Haushalts-Bullshit. | |
Haushalts-Bullshit? | |
Ja, das machen die immer so. Schauen Sie sich mal die Steuersenkungspläne | |
von Paul Ryan an, dem Mehrheitsführer der Republikaner im | |
Repräsentantenhaus. Seine Zahlen zur Finanzierung passen hinten und vorne | |
nicht zusammen. Die Frage ist, mit wie viel die Republikaner einfach | |
durchkommen. | |
Zahlen sind Zahlen, wie soll das gehen? | |
Sie behaupten einfach, Steuersenkungen kurbeln die Wirtschaft so stark an, | |
dass das Geld wieder reinkommt. Ryan übertreibt in seinen Rechnungen so | |
sehr, dass es wirklich kein Ökonom für realistisch hält. Kommen sie damit | |
durch? Keine Ahnung. Die werden wahrscheinlich einfach lügen, was die | |
Auswirkungen auf das Haushaltsdefizit angeht. | |
Finden Sie es nicht komisch, dass die extreme republikanische Rechte und | |
die demokratische Linke beim Thema Freihandel auf einmal die gleiche | |
Position haben? | |
Das ist bei uns bereits seit der Verabschiedung von Nafta 1993 so. | |
Historisch gesehen hat in den USA das rechte Lager mit der | |
Freihandelskritik angefangen. In den 80er Jahren galt das hier als | |
nationalistische Position. Erst mit Nafta hat sich das geändert. Aus meiner | |
Sicht war das in Europa genauso. Lange Zeit hatten die Rechten das Monopol | |
auf die Position, dass der Euro sozialen Schaden anrichtet. Das ist Teil | |
der Erklärung, warum Mitte-links überall so viel verloren hat. Neoliberale | |
Politik, von Mitte-links-Regierungen unterstützt, hat weltweit der | |
Arbeiterklasse extrem geschadet. Jetzt wird das Thema eben von rechts | |
vereinnahmt. | |
Legitimiert es den Rassismus von rechts, wenn Linke sagen, ihre | |
Globalisierungskritik ist im Prinzip richtig? | |
Ich sehe das Problem nicht. Bernie Sanders ist gegen Rassismus und gegen | |
Freihandel. Es gibt eben einfach Positionen, bei denen sich rechts und | |
links treffen. 2013 beispielsweise wollte Obama Syrien bombardieren lassen | |
und scheiterte im Kongress an einer Koalition aus rechten | |
Tea-Party-Republikanern und linken Demokraten. | |
Warum hat Obama TPP und TTIP überhaupt unterstützt? Dass Nafta Jobs kostet, | |
war doch schon längst klar. | |
Manche sagen, er hat wirklich an die Idee geglaubt. Vielleicht haben sie | |
Obama schlicht gedroht, die Demokraten nicht mehr zu unterstützen. Alle, | |
die Macht in diesem Land haben, wollten TPP. Die gesamte Wirtschaft, jeder | |
Großkonzern, jeder im Militär, im Pentagon, bei den Geheimdiensten. Und sie | |
wollten es wirklich sehr. Wenn ich in diesen Tagen etwas Positives über | |
unsere Demokratie sagen kann: Sie konnten TPP im Wahljahr nicht | |
durchsetzen. Für mich ist das ein kleines Wunder. | |
Das alles klingt, als sei Trumps Anti-Establishment-Rhetorik auch für die | |
Linke auf subtile Art und Weise attraktiv. | |
Nein. Trump halte ich für ein Monster. Er wird viel Schaden anrichten. In | |
der Klimapolitik, unter unseren Migranten, er wird die Steuern für Reiche | |
und Großkonzerne senken und unsere Gefängnisse weiter füllen. Aber ich | |
versuche, das alles objektiv zu betrachten. TPP und TTIP wird er beerdigen. | |
17 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Ingo Arzt | |
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