# taz.de -- Lohndiskriminierung in Deutschland: Frauen arbeiten viel, verdienen… | |
> Deutschland schneidet beim Thema Lohngleichheit in der EU schlecht ab. | |
> Eine neue Studie belegt die Gender-Diskriminierung von | |
> GrundschullehrerInnen. | |
Bild: Bild vom „Equal Pay Day“ 2012 – es hat sich seitdem nichts geänder… | |
Berlin dpa | Die Lohnkluft zwischen Männern und Frauen ist in Deutschland | |
so groß wie in kaum einem anderen Land Europas. [1][So verdienen Frauen | |
hierzulande im Schnitt brutto 21,6 Prozent weniger als Männer]. Nur in | |
Estland (28,3 Prozent) und Österreich (22,9 Prozent) ist der Abstand | |
demnach noch größer. Das geht aus einer [2][Antwort des | |
Bundessozialministeriums auf eine Anfrage der Linken] hervor, die der | |
Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch in Berlin vorlag und über die | |
Zeitungen der Funke Mediengruppe zuerst berichtet hatten. Auch Politik und | |
Arbeitgeberverbände fordern einen Umbruch. | |
Justizminister Heiko Maas (SPD) sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: | |
“Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern steht zwar im Grundgesetz, | |
ist aber in vielen Unternehmen noch immer nicht Wirklichkeit geworden.“ | |
Firmen sollten sich aus alten Verhaltensmustern lösen. | |
Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) hatte im Dezember einen | |
Gesetzentwurf für „mehr Lohngerechtigkeit“ vorgestellt. | |
Die Linken-Fraktionsvize Sabine Zimmermann begrüßte zwar, dass immer mehr | |
Frauen eigenes Geld verdienen. „Aber die meisten können von ihren niedrigen | |
Löhnen nicht leben und schon gar keine ausreichenden Rentenansprüche | |
aufbauen.“ Frauen arbeiteten überwiegend in Branchen, die für niedrige | |
Bezahlung und hohe Belastung berüchtigt seien. „Was die soziale Lage von | |
Frauen angeht, sind wir von Gleichberechtigung der Geschlechter noch weit | |
entfernt.“ | |
Der Arbeitgeberverband BDA warnte vor neuer Bürokratie. „Wir brauchen in | |
erster Linie mehr Ganztagskitas und Ganztagsschulen. Der Wunsch, Vollzeit | |
zu arbeiten, darf nicht länger an kurzen Öffnungszeiten von | |
Kindertagesstätten und Schulen scheitern“, hieß es einer Mitteilung | |
zufolge. | |
Das Sozialministerium beruft sich auf Zahlen aus dem Jahr 2014, die vom | |
Statistischen Amt der Europäischen Union (Eurostat) stammen und sich auf | |
alle Frauen und Männer in bezahlter Beschäftigung beziehen. Der große | |
Lohnunterschied in Deutschland ist laut Experten unter anderem darauf | |
zurückzuführen, dass Frauen verstärkt teilzeitbeschäftigt sind. So sind von | |
den Teilzeitbeschäftigten mit bis zu 20 Wochenstunden über 85 Prozent | |
Frauen. 77 Prozent aller Minijobs werden von Frauen verrichtet. | |
In den nach Deutschland größten EU-Staaten Frankreich (15,3 Prozent), | |
Großbritannien (18,3), Spanien (18,8) und Polen (7,7) fällt die Lohnlücke | |
dagegen deutlich geringer aus. Die niedrigsten Werte weisen Slowenien (2,9 | |
Prozent), Malta (4,5) und Italien (6,5) auf. In Ländern mit niedrigem | |
Frauenanteil an der erwerbstätigen Bevölkerung wie Italien liegt laut | |
Eurostat der Lohnunterschied in der Regel unter dem Durchschnitt, weil es | |
insgesamt weniger qualifizierte Frauen am Arbeitsmarkt gibt. | |
Auch wenn man die Bezahlung bei formal gleicher Qualifikation und Tätigkeit | |
betrachtet, schneiden Frauen schlechter ab – allerdings bei Weitem nicht so | |
stark. Der Abstand beträgt dann 7 Prozent. | |
Laut einer Analyse des Forschungsinstituts DIW leisten berufstätige Frauen, | |
die mit ihrem ebenfalls erwerbstätigen Partner leben, im Schnitt mehr | |
Hausarbeit als ihre Partner. Sie erziehen auch mehr die Kinder. So | |
kümmerten sich Frauen mit einem Vollzeitjob in Doppelverdiensthaushalten | |
2014 an einem Werktag gut eineinhalb Stunden um den Haushalt und fast fünf | |
Stunden um die Betreuung der Kinder. Vollzeiterwerbstätige Männer | |
verbrachten im Schnitt gut eine Stunde beziehungsweise rund zweieinhalb | |
Stunden damit. | |
## GrundschullehrerInnen werden versteckt diskriminiert | |
GrundschullehrerInnen bekommen weniger Geld – das wird seit Jahren | |
bemängelt. Eine neue Studie sagt: Dies ist eine Diskriminierung von Frauen. | |
Aber auch männliche Lehrer sind betroffen. | |
GrundschullehrerInnen werden durch ihr vergleichsweise niedrigeres Gehalt | |
nach einem neuen Gutachten aufgrund des Geschlechts diskriminiert. Laut der | |
Studie im Auftrag der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ist die | |
Arbeit von GrundschullehrerInnen im Vergleich zu anderen LehrerInnen | |
gleichwertig. Dennoch bekommen sie demnach im Durchschnitt rund 400 Euro | |
pro Monat weniger als andere Lehrer. Dies sei nicht akzeptabel, sagte | |
GEW-Chefin Marlis Tepe. | |
Dabei handele es sich um keine unmittelbare, sondern eine versteckte | |
Diskriminierung, erklärte die Anwältin Eva Kocher, eine Autorin des | |
Gutachtens. Denn die Vorschriften der Besoldung seien zwar | |
geschlechtsneutral formuliert. Doch da rund 87 Prozent aller | |
GrundschullehrerInnen in Deutschland weiblich seien, handele es sich um | |
eine Diskriminierung von Frauen. Auch männliche Grundschullehrer seien | |
benachteiligt. Sie haben demnach quasi das Pech, einen typischen | |
Frauenberuf gewählt zu haben. | |
Die höheren Gehälter in weiterführenden Schulen werden dem Gutachten | |
zufolge mit der Ausbildung, Leistung und Verantwortung in dem Beruf | |
begründet. In vielen Bundesländern sei aber die Ausbildung inzwischen für | |
alle Schulformen ähnlich lang. Zudem stelle die pädagogische Arbeit in | |
Grundschulen zwar andere Anforderungen als die Tätigkeit in weiterführenden | |
Schulen. Diese seien aber gleichwertig und müssten daher gleich bezahlt | |
werden. | |
Die GEW fordert mehr Geld für GrundschullehrerInnen. Alle | |
HochschulabsolventInnen im öffentlichen Dienst – abgesehen der | |
GrundschullehrerInnen – gehörten bereits der höheren Besoldungsklasse A13 | |
an, sagte Tepe. Es gebe keinen Grund, warum dies nicht auch für | |
GrundschullehrerInnen gelten solle. | |
Eine bessere Bezahlung könne unter anderem dem Mangel an | |
GrundschullehrerInnen in Deutschland entgegenwirken, so Tepe. Eine | |
finanzielle „Aufwertung“ kann dem Gutachten zufolge den Beruf auch für | |
Männer attraktiver machen und somit die Ungleichheit der Geschlechter | |
wettmachen. | |
Für das Gutachten wurden Hessen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein | |
untersucht. Die Struktur der Bezahlung von LehrerInnen ist laut Kocher aber | |
in allen Bundesländern ähnlich. Schulpolitik sowie Lehrerbesoldung sind in | |
Deutschland Ländersache. | |
2 Mar 2016 | |
## LINKS | |
[1] https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Indikatoren/QualitaetArbeit/Dimensi… | |
[2] http://docs.dpaq.de/10447-gender.pdf | |
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