# taz.de -- Bezahlung an Volkshochschulen: Prekär im Staatsdienst | |
> Die DozentInnen der Bremer Volkshochschule fordern Verbesserungen: Sie | |
> bekommen schmale Honorare und weder Urlaub noch Sozialleistungen. | |
Bild: Zufrieden: Der VHS-Kursleiterrat hat nicht nichts erreicht. | |
BREMEN taz | Mit nach eigenen Angaben einem „positiven Gefühl“ sind die | |
VertreterInnen des Kursleiterrats der Volkshochschule (VHS), Paola de la | |
Rosa und Norbert Carle, gestern aus ersten Verhandlungen mit der | |
Kulturbehörde gekommen. Der vierköpfige Kursleiterrat vertritt die | |
Interessen der DozentInnen der VHS gegenüber der Politik und der Leitung | |
der Einrichtung. | |
Die DozentInnen-Vollversammlung hatte bereits Mitte Februar einstimmig | |
beschlossen, eine Erhöhung des Honorars auf mindestens 30 Euro pro | |
Unterrichtsstunde, eine jährliche Steigerung analog zum Tarifvertrag und | |
die volle soziale Absicherung der Beschäftigten zu fordern. Das | |
Kulturressort war gestern zu einer Stellungnahme auf Nachfragen der taz | |
nicht in der Lage. | |
## Letzte Lohnerhöhung: 2009 | |
„Wir sind zufrieden, weil wir gehört wurden“, sagte Carle der taz. Es sei | |
signalisiert worden, dass man sich der Forderungen annehmen werde. | |
Insbesondere sei vereinbart worden, künftig jährlich über die Steigerung | |
des Honorars zu sprechen. Die letzte Anpassung des Satzes liegt in Bremen | |
bereits sechs Jahre zurück. Davor war sogar zehn Jahre lang nicht mal ein | |
Inflationsausgleich vorgenommen worden. Zudem liegt er mit 19 Euro derzeit | |
auch im bundesweiten Vergleich sehr niedrig. | |
Im Koalitionsvertrag hatten SPD und Grüne anerkannt, dass „ein | |
kontinuierlicher Bildungsweg bis zur Weiterbildung“ den gesellschaftlichen | |
Zusammenhalt fördere und „den Erhalt der Erwerbsfähigkeit“ ebenso wie „… | |
Teilhabe an der Gesellschaft und die Wahrnehmung der Bürgerrechte“ | |
sicherstelle. In einem Schreiben an die Presse hatte der Kursleiterrat | |
deshalb darauf aufmerksam gemacht, dass Erwachsenenbildung zwar notwendig | |
und als „ein Grundrecht der Gesellschaft“ anerkannt sei. DozentInnen an der | |
Volkshochschule aber einen Lohn bekämen, der „nicht zum Leben“ reiche. Als | |
notwendigen Mindestbetrag benannt haben die Kursleiter den Mittelwert der | |
12 Berliner VHS, der noch „über 30 Euro“ liege. | |
Hintergrund der Forderungen ist, dass die rund 900 DozentInnen der VHS | |
freiberuflich arbeiten. Dabei sind sie weder tariflich noch sozial | |
angemessen abgesichert. So genießen sie keinen Kündigungsschutz, im | |
Krankheitsfall gibt es keine Lohnfortzahlung und auf bezahlten Urlaub haben | |
sie kein Anrecht: Nicht einmal Bildungsurlaub oder Fortbildung übernimmt | |
für sie ihr Arbeitgeber, die VHS, die dem Kultursenator unterstellt ist – | |
und die für alle anderen ArbeitnehmerInnen die erste Anlaufstelle genau | |
dafür ist. Folge: Der nominelle Honorarsatz liegt weit höher, als das, was | |
am Ende übrigbleibt. Denn rund 20 Prozent fließen in die | |
Sozialversicherungen, mindestens 15 Prozent müssen nach Rechnung des | |
Kursleiterrats für Urlaub, Feiertage, Krankheit und Kursausfall abgezogen | |
werden. | |
## Nur der Unterricht zählt | |
Darauf macht auch die Linksfraktion aufmerksam: In der Stadtbürgerschaft | |
fragt sie insbesondere danach, bei „wie vielen Honorarkräften die | |
Volkshochschule einen Zuschuss zur Kranken- und Rentenversicherung“ zahle, | |
und ob „eine Vergütung für Urlaubs- und Feiertage vorgesehen“ sei. | |
Ein weiteres Problem ist, dass nur die tatsächlich erteilten Stunden | |
bezahlt werden. „Eine Unterrichtsstunde erfordert in der Regel aber | |
durchschnittlich mindestens noch einmal die gleiche Zeit für Vor- und | |
Nachbereitung, Verwaltungs- und andere zusätzliche Arbeiten“, so | |
Kursleiterratsmitglied Hajo Kuckero. Das entspricht auch der Einschätzung | |
des Tarifvertrags für angestellte LehrerInnen, der je 45 Minuten Vor- und | |
Nachbereitungszeit pro Schulstunde veranschlagt. Insofern lande man bei | |
einem Stundenlohn von rund 5,70 Euro netto, so die | |
VHS-DozentInnenvertretung. Die vom Bremer Landesmindestlohngesetz | |
festgelegte Untergrenze beträgt derzeit 8,80 Euro. | |
Wobei Steuern angesichts dieser Bezahlung kaum anfielen so de la Rosa, da | |
die meisten DozentInnen zu wenig Unterrichtsstunden hätten. „Eine Familie | |
ernähren könne man davon nicht.“ Die meisten von ihnen hätten einen | |
Zweitjob, seien auf Hartz IV angewiesen oder müssten auf soziale | |
Absicherung verzichten. Daran wird sich durch die gestern angebotene | |
Erhöhung um 1,50 Euro pro Stunde nicht viel ändern. Dennoch werteten de la | |
Rosa und Carle dieses Zugeständnis als Erfolg angesichts der „prekären | |
Haushaltslage“. | |
3 Mar 2016 | |
## AUTOREN | |
Leandra Hanke | |
Benno Schirrmeister | |
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