# taz.de -- Geschlechtergerechte Löhne: „Das Problem existiert nicht“ | |
> Manuela Schwesig will die Lücke zwischen Männer- und Frauenlöhnen | |
> schließen. Der Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) lehnt | |
> das ab. | |
Bild: Ist doch normal, dass in einem mehr drin ist als im anderen, findet Micha… | |
Berlin taz | „Das Problem existiert nicht.“ „Es gibt keinen Grund zur | |
Skandalisierung.“ „Ein Gesetz wäre unsachgemäß“ und „völlig ungeeig… | |
Und noch ein Reim dazu: „Ein Problem ohne Befund ist nie ein guter Grund.“ | |
Das alles sagt Michael Hüther, Direktor des Kölner Instituts der Deutschen | |
Wirtschaft (IW), zum „Gesetz für gerechten Lohn“, das Familienministerin | |
Manuela Schwesig (SPD) geplant hat. Schwesigs Grund für das Gesetz ist eine | |
Lücke zwischen Männer- und Frauenlöhnen von durchschnittlich gut 21 | |
Prozent. Frauenverbände nennen diese Lücke „skandalös“. | |
Michael Hüther dagegen findet diese Lücke erklärbar und geradezu normal. | |
Und deshalb brauche es auch kein Gesetz, um sie zu schließen. Schwesigs | |
Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, dass Frauen ein Auskunftsrecht | |
bekommen: Anonym müssen ihnen die Löhne von fünf Männern in vergleichbarer | |
Position zugänglich gemacht werden. Als geradezu unverschämt empfindet | |
Hüther, dass Unternehmen und Tarifparteien unterstellt werde, sie | |
diskriminierten Frauen. | |
Wenn man berücksichtige, dass Frauen in schlechter bezahlten Branchen | |
arbeiten, in niedrigeren Positionen und dann auch noch in Teilzeit oder mit | |
langen Berufsunterbrechungen, dann betrage die Lohnlücke nur noch 6,6 | |
Prozent. „Hier ist eine Tabelle, die können Sie so in die Tageszeitung | |
drucken“, empfiehlt Hüther dazu. | |
Die JournalistInnen, die zur Übernahme der Materialien aufgefordert werden, | |
sind allerdings so begeistert nicht. Zum einen finden sie es ungerecht, | |
dass Frauen für die Verantwortung für ihre Kinder mit Lohneinbußen | |
„bestraft“ werden. Zum anderen sei es ja auch nicht gottgegeben, dass | |
Tarifverträge typische Männerberufe monetär bevorzugten. Schließlich sei | |
erwiesen, dass die psychischen und sozialen Belastungen typischer | |
Frauenberufe in den Verträgen nicht berücksichtigt seien. Zum Dritten seien | |
ja sogar auch Frauen in Führungspositionen schlechter bezahlt als Männer. | |
## Auf alles eine Antwort | |
Hüther hat auf alles eine Antwort. Frauen müssten ihre Rolle in der Familie | |
eben mit ihren Partnern aushandeln. Um Tarifverträge sollten sich die | |
Tarifparteien kümmern. Und wer weiß, was für gute Zusatzleistungen sich die | |
Führungsfrauen da neben ihrem geringeren Gehalt verhandelt haben? | |
Warum man aber eine wie auch immer große oder kleine, aber offenbar | |
vorhandene Lohnlücke nicht mit einem Gesetz behandeln sollte, das | |
Transparenz herstellt, darauf gab es nur die Standardantwort, die es immer | |
gibt, wenn Betriebe reguliert werden sollen: Zu viel Bürokratie. | |
Hüther stützt so die Argumentation der Union in der Großen Koalition. Auch | |
Kanzlerin Angela Merkel ist gegen das Gesetz in der vorliegenden Form. | |
„Wenn wir für 8 Prozent der Fälle ein bürokratisches Monster und Misstrauen | |
zwischen allen Beschäftigten in den kleinsten Betrieben erzeugen, dann ist | |
nicht das erreicht, was wir wollen“, hatte sie Anfang Juni zu Protokoll | |
gegeben, als der Koalitionsausschuss sich nicht auf eine Variante einigen | |
konnte. Der Gesetzentwurf liegt im Kanzleramt auf Eis. | |
Die Union will erreichen, dass der Auskunftsanspruch nur in Unternehmen ab | |
einer Größe von 500 MitarbeiterInnen greift. Dann aber kämen nur 20 Prozent | |
der Arbeitnehmerinnen in den Genuss des Anspruchs, während Schwesig dies | |
für 80 Prozent der Frauen vorsieht. „Die Lohnlücke muss sich für alle | |
Frauen schließen“, hatte sie erklärt. | |
14 Jun 2016 | |
## AUTOREN | |
Heide Oestreich | |
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