# taz.de -- Leiharbeit und Werkverträge: Gleicher Lohn nach 9 Monaten | |
> Die Koalition hat sich auf einen Gesetzentwurf zum Kampf gegen den | |
> Missbrauch befristeter Beschäftigter geeinigt. Was steht drin? | |
Bild: Gewerkschafter demonstrieren im April in München gegen Missbrauch von Le… | |
BERLIN taz Union und SPD haben sich nach monatelangem Streit auf einen | |
Gesetzentwurf gegen den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen | |
geeinigt. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) sprach von einem | |
„Durchbruch“ und „klaren Regeln für Arbeitgeber und Arbeitnehmer“. | |
## Das Problem | |
Betriebe können mittels dauerhafter Leiharbeit und Missbrauch von | |
Werkverträgen die Löhne senken. Außerdem kritisieren Gewerkschaften wie der | |
DGB schon länger, dass ArbeitgeberInnen so die Schutz- und | |
Mitbestimmungsrechte von regulär Beschäftigten umgehen. Nach amtlichen | |
Zahlen gibt es rund eine Million LeiharbeiterInnen in Deutschland. Außerdem | |
nimmt der Missbrauch von Werkverträgen zu: Laut einer Betriebsratsbefragung | |
der IG Metall nutzen 69 Prozent der Unternehmen in der Metall- und | |
Elektroindustrie Werkverträge. Empirische Untersuchungen der | |
gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung ergaben zudem, dass dieser Trend | |
auch in anderen Branchen zunimmt. Ursprünglich sind Werkverträge | |
vorgesehen, damit Betriebe externe Arbeitsleistung wie etwa ein Handwerk | |
oder eine IT-Dienstleistung einkaufen können. Gewerkschaften kritisieren, | |
dass Werkvertrag-ArbeitnehmerInnen immer häufiger Arbeitsbereiche der | |
Stammbelegschaft übernehmen. | |
## Die Übereinkunft in einzelnen Punkten: | |
## Equal Pay | |
Zeitarbeiter sollen dem Gesetzentwurf zufolge grundsätzlich nach neun | |
Monaten Anspruch auf den gleichen Lohn wie die Stammbelegschaft bekommen. | |
Ausnahme: Steigert der Betrieb die Bezahlung von Leiharbeitern schon | |
früher, etwa aufgrund von tariflichen Bonusvereinbarungen, muss der Lohn | |
erst nach 15 Monaten das Niveau des Stammpersonals erreichen. | |
Bedingung hierfür ist jedoch, dass die erste Erhöhung mindestens sechs | |
Wochen nach Beschäftigungsbeginn stattfindet. So sollen Leiharbeitnehmer | |
„mit kürzerer Verweildauer“ profitieren. Linke-Parteichef Bernd Riexinger | |
kritisierte: „Der Entwurf ist kein Durchbruch, sondern Wortbruch. Über die | |
Hälfte der Leiharbeiter arbeiten nur drei Monate. Das ist nicht gleiches | |
Geld für gleiche Arbeit.“ | |
## Höchstgrenze für Einsatzzeit | |
Künftig sollen ArbeitgeberInnen Arbeitskräfte nicht länger als 18 Monate | |
ausleihen dürfen. Anschließend müsste der Betrieb die ZeitarbeiterInnen | |
übernehmen oder entlassen. Aber auch hier gibt es eine Ausnahme: | |
ArbeitgeberInnen und Gewerkschaften sollen sich auf eine längere Leihdauer | |
einigen können, wenn sie gleichzeitig den branchenüblichen Tarifvertrag | |
einhalten. Die Höchstgrenze ginge in diesem Fall aus dem Tarifvertrag | |
hervor. | |
## Fristregelung | |
Die Regelung soll nicht rückwirkend gelten. Ursprünglich hatte dies der | |
Gesetzentwurf des Arbeitsministeriums vorgesehen. Vor allem die CSU hatte | |
dagegen protestiert. LeiharbeiterInnen steht also erst neun Monate nach | |
Inkrafttreten des Gesetzes „Equal Pay“ zu – unabhängig davon, ob sie zuv… | |
schon länger im Betrieb gearbeitet hatten. | |
## StreikbrecherInnen | |
Betriebe sollen LeiharbeitInnen in Zukunft nicht mehr als | |
StreikbrecherInnen einsetzen dürfen. Laut Gesetzentwurf dürfen Zeitarbeiter | |
während eines Arbeitskampfs nicht die normalen Tätigkeiten der Belegschaft | |
übernehmen. | |
## Werkverträge | |
Das Gesetz soll anhand von Urteilen des Bundesarbeitsgerichts klare | |
Kriterien zur Abgrenzung eines normalen Arbeitsverhältnisses von einem | |
Werkvertrag festschreiben. Der Gesetzentwurf sieht zudem vor, die | |
„Vorratsverleiherlaubnis“ abzuschaffen. Die ermöglicht es den Betrieben | |
bislang, Werkvertragsnehmer im Nachhinein als Leiharbeiter zu deklarieren. | |
Laut Regierung haben sich viele Probleme der Leiharbeit auf den Bereich von | |
Werkverträgen verlagert. Gewerkschaften kritisieren schon länger, dass | |
Soloselbstständige faktisch abhängig beschäftigt werden. | |
## Betriebsräte | |
Der Arbeitgeber muss künftig die Betriebsräte über Werkverträge | |
informieren. Damit sollen sie vom Unternehmen Angaben über Art und Umfang | |
der vergebenen Aufgaben sowie Ausgestaltung der Werkverträge verlangen | |
können. | |
11 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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