| # taz.de -- Müllabfuhr zurück in städtische Hand?: Nur ein bisschen mitreden | |
| > Rot-Grün möchte sich nur ein bisschen am lukrativen Geschäft beteiligen. | |
| > Ver.di, Arbeitnehmerkammer und Ökonomen opponieren – mit einem neuen | |
| > Buch. | |
| Bild: Wer sie leert, verdient daran. Bremen will das nicht | |
| Bremen taz | In der Debatte um die Rekommunalisierung der Müllabfuhr in | |
| Bremen haben sich die Gewerkschaft Ver.di, die Arbeitnehmerkammer und | |
| mehrere Wirtschaftswissenschaftler mit deutlicher Kritik am Bremer Senat | |
| zur Wort gemeldet. | |
| Nachzulesen ist sie in einem Buch, das diese Woche erscheint: „Zurück zur | |
| Kommune?!“ Darin arbeiten die AutorInnen die Debatte um die 1998 für 177 | |
| Millionen D-Mark privatisierte Müllabfuhr auf – und rechnen vor, dass sich | |
| eine öffentliche Investition in diesem Bereich heute durchaus rentieren | |
| würde. Bremen entgehen pro Jahr 20 Millionen Euro an Einnahmen, sagt Ernst | |
| Mönnich, emeritierter Volkswirtschafts-Professor der Hochschule. „Bremen | |
| kann sich das offenbar leisten.“ | |
| Den Gewinn macht die Firma Nehlsen, die Verträge laufen 2018 aus. Das ist | |
| die Gelegenheit, die lukrative Müllabfuhr wieder zu verstaatlichen. Ver.di | |
| hat das immer wieder gefordert. „Die Stadtreinigung und der Winterdienst | |
| gehören auf jeden Fall in städtische Hand“, sagt Ver.di-Geschäftsführer | |
| Rainer Kuhn – „und zwar schon 2018.“ | |
| ## Den Müll soll weiterhin eine Privatfirma beseitigen | |
| Der rot-grüne Senat möchte nun eine Anstalt öffentlichen Rechts gründen, | |
| unter deren Dach die Müllabfuhr, die Straßenreinigung und der Winterdienst | |
| in Bremen organisiert wird. Eine echte Rekommunalisierung traut Rot-Grün | |
| sich nicht zu. Deshalb soll weiterhin eine private Firma diese staatliche | |
| Aufgabe übernehmen – die Stadt will sich nur an der Organisation | |
| „beteiligen“. | |
| In welchem Umfang ist noch unklar. Aus Sicht des | |
| Wirtschaftswissenschaftlers und Privatisierungskritikers Rudolf Hickel ist | |
| es jedoch „ganz entscheidend“, ob Bremen eine Mehrheits- oder eine | |
| Minderheitenbeteiligung übernimmt. So oder erhofft sich Rot-Grün | |
| „unternehmerisches Know-how“ und „maßgeblichen Einfluss“ der Stadt und | |
| bessere Arbeitsbedingungen für die Müllwerker – etwa Tariflöhne. | |
| Nehlsen, klagt Ver.di seit langem, hat in der Abfallwirtschaft eine „Zwei- | |
| bis Drei-Klassengesellschaft“ etabliert. Wer neu eingestellt werde, bekomme | |
| 20 Prozent und mehr unter Tarif, so Ver.di. „Die Menschen in Bremen sind | |
| mit der Müllabfuhr zufrieden und das soll auch so bleiben“, sagen dagegen | |
| die Grünen. | |
| Das Beteiligungsmodell klingt nach einem Kompromiss, der das Beste beider | |
| Welten vereint. Aus der Sicht von Ver.di ist es eher Symbolpolitik. Die | |
| Gewerkschaft hat „große Probleme“ mit diesem Public Private Partnership – | |
| und möchte dennoch mit der Stadt über seine Ausgestaltung verhandeln. | |
| Hickel verlangt, die Beteiligung an „strikte Bedingungen“ – etwa bei der | |
| Tarifbindung für alle MitarbeiterInnen – zu koppeln und auch eine mögliche | |
| Investition von Finanzinvestoren auszuschließen. | |
| ## Den Zuschlag könnten echte Lohndrücker bekommen | |
| Zugleich warnt er davor, dass nicht Nehlsen, sondern ein anderer Anbieter | |
| die anstehende Ausschreibung gewinnt – einer, dessen Arbeitsbedingungen | |
| noch schlechter seien. Mönnich wiederum warnt vor Verträgen wie den | |
| geltenden, die Werkverträge und Sub-Unternehmen zulassen. | |
| Umweltsenator Joachim Lohse (Grüne) attestiert Mönnich, in der Debatte um | |
| die Rekommunalisierung „kein Ziel“ zu haben. Hickel widerspricht dem: Doch, | |
| Lohse sei da auch „eher skeptisch“ – und verstecke sich hinter Gutachten. | |
| Den Grünen bescheinigt Hickel „Staatspessimismus“ – und SPD-Mann Arno | |
| Gottschalk, der auch für das Buch schreiben durfte, den „wandelnden | |
| Zweispalt des aufgeklärten Sozialdemokraten“. | |
| Die Debatte sei oft von „ideologischem Kampf“ geprägt, sagt Elke Heyduck, | |
| Geschäftsführerin der Arbeitnehmerkammer. Deshalb hat sie mehrere | |
| „Fachgespräche“ organisiert – die jedoch, der Sachlichkeit halber, hinter | |
| verschlossenen Türen stattfanden. | |
| 18 Apr 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Jan Zier | |
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