# taz.de -- Die "Weiter so"-Politik der SPD: „Wir werden kämpfen müssen“ | |
> SPD-Chef Dieter Reinken über Machtdemonstration, die Schuldenbremse, eine | |
> Rekommunalisierung der Abfallwirtschaft und fehlende Wohnungsnot. | |
Bild: "Sehr selbstbewusst": SPD-Chef Dieter Reinken | |
taz: Herr Reinken, hat dieser Wahlkampf, Ihr erster als Parteichef, | |
überhaupt seinen Namen verdient? | |
Dieter Reinken: Wir gehen sehr selbstbewusst in den Wahlkampf, weil wir die | |
gute Arbeit, die wir in den letzten Jahren gemacht haben, fortsetzen | |
wollen. | |
Klingt unbescheiden! | |
Es ist sicher Sache der Wähler, zu entscheiden, wem sie ihre Stimmen geben | |
– auch vor dem Hintergrund unseres neuen und nicht ganz einfachen | |
Wahlverfahrens. | |
Die SPD hat den Zorn der anderen Parteien auf sich gezogen, weil sie im | |
Alleingang die Wahlplakate erst sechs Wochen vor der Wahl aufgehängt hat. | |
Eine Machtdemonstration, weil Sie es nicht nötig haben? | |
Es gab ja eine Initiative der Grünen, die Plakatierung zeitlich und in der | |
Form einzuschränken. Wir haben diesen Vorschlag aufgegriffen und den | |
anderen Parteien vorgeschlagen, die Idee der zeitlichen Begrenzung der | |
Plakatierung umzusetzen. Dazu ist es nicht gekommen. | |
Warum? | |
Ich möchte da jetzt keine Schuldzuweisungen machen. Das ist auch völlig | |
uninteressant. Wir haben gesagt, dass wir den Zeitraum einschränken und uns | |
daran halten. Wir wollten damit keine Stärke demonstrieren. | |
Gibt es nun also mehr Plakate in weniger Zeit? | |
Wir haben die Menge der letzten Wahl zum Maßstab genommen. | |
Inhaltlich setzen Sie dabei auf die ganz großen Schlagworte. | |
Die großen Leitthemen sind Wirtschaft und Arbeit, gute Bildung von Anfang | |
an – also Kindertagesstätten und Bildungspolitik, Wohnen und der soziale | |
Zusammenhalt. | |
Die nächste Legislatur wird bestimmt von der Schuldenbremse. Bleibt da noch | |
politischer Handlungsspielraum? | |
Ich würde das nicht auf die Schuldenbremse kaprizieren. Beim | |
Länderfinanzausgleich setzen wir darauf, dass der Pfad, mit anderen | |
Bundesländern zu einer Regelung zu kommen, fortgesetzt wird. Wir wollen | |
Regelungen, die für Stadtstaaten und Bremen insgesamt gut sind. Aber die | |
Schuldenbremse hat Verfassungsrang. Wir müssen uns darauf einstellen, mit | |
ihr zu leben. | |
Den Gürtel enger schnallen? | |
Wir sind gegenwärtig in der Situation, dass wir die Verschuldung Jahr für | |
Jahr zurückfahren müssen, um die 300 Millionen Euro zu bekommen. Wir werden | |
uns im Rahmen des Sanierungspfades, wie er vorgeschrieben ist, auch in den | |
nächsten Jahren bewegen müssen. Und wir werden parallel sehr intensiv dafür | |
kämpfen müssen, dass die bundesstaatlichen Länderfinanzregeln für Bremen | |
besser ausfallen. Wie kompliziert das wird, sieht man aber auch an dem | |
Vorschlag von Winfried Kretschmann zum Soli… | |
Der grüne Ministerpräsident aus Baden-Württemberg hat vorgeschlagen, am | |
Soli festzuhalten, aber den Ländern die Unterkunftskosten von | |
Hartz-IV-Empfängern aufzudrücken. Bremens grüne Finanzsenatorin Karoline | |
Linnert kritisierte, dass so ärmere Länder ungleich belastet würden. | |
Postwendend wurde der Vorschlag – völlig zurecht – von seiner | |
Parteikollegin als nicht praktikabel und schädlich für die Stadtstaaten | |
zurückgewiesen. Quer durch alle Parteien haben wir also durch die Ebenen | |
von Bund, Länder, Kommunen völlig unterschiedliche Interessen. Ich habe | |
auch mit großem Interesse gelesen, dass auch der neue linke thüringische | |
Ministerpräsident Bodo Ramelow nicht gedenkt, in die Neuverschuldung zu | |
gehen, und am Konsolidierungskurs festhält. | |
Heißt das nicht, es ist letztlich egal, wen man wählt? | |
Natürlich nicht. Wir sind aber an den Sanierungspfad gebunden. Es ist | |
abwegig zu sagen, dass wir von Bremen aus die Schuldenbremse in die Tonne | |
treten. | |
Die Linke sagt, Bremen müsse die Spielräume ausreizen und höher pokern, | |
weil der Bund auch verhindern will, dass das erste Bundesland die | |
Schuldenbremse nicht packt. | |
Auch auf europäischer Ebene ist das letzte Wort über die Schuldenbremse | |
noch nicht gesprochen. Wir brauchen ja öffentliche Investitionen, | |
insbesondere im Bereich der Infrastruktur und Zukunftsinvestitionen, damit | |
unser gesellschaftlicher Kapitalstock nicht vernichtet wird. Dass wir aber | |
von Bremen aus glauben, diese Regel zu kippen, ist unvorstellbar. Mit uns | |
wird es darüber keine Diskussionen geben. | |
Aber wenn der Haushalt keine Spielräume mehr zulässt, wie Linnert sagt, | |
können Sie keine Wahlversprechen machen. | |
Wir machen auch keine großen Versprechungen. Wir beschreiben ein paar | |
Kernziele, die wir erreichen wollen. | |
Welche sind das? | |
Im Bereich der Bildung setzen wir den 100-prozentigen Ausgleich bei | |
Schwangerschaftsvertretungen durch. Das kriegen wir hin. Beim Ausbau der | |
Grundschulen zu Ganztagsschulen sind wir im Moment bei etwa 40 Prozent, das | |
wollen wir in den nächsten vier Jahren auf hundert Prozent bringen. | |
Mehr als die Grundschulen ist also nicht drin? | |
Im Bereich der Grundschulen schaffen wir das. | |
Wie viel neues Personal bräuchten Sie dafür? | |
Das hängt davon ab, in welcher Geschwindigkeit man das macht. Dazu brauchen | |
wir nach der Wahl einen genauen Plan, wie wir das umsetzen. Wir müssen ja | |
auch in die Räumlichkeiten investieren. | |
Bei der Rekommunalisierung der Abfallwirtschaft grätscht Ver.di Ihnen in | |
den Wahlkampf und bezeichnet Ihre Pläne als „Mogelpackung“. Ärgert Sie das | |
als Gewerkschafter? | |
Das ärgert mich nicht. Wir haben da mit Ver.di eine strittige Diskussion. | |
Dass Ver.di den Wahlkampf nutzt, um sich zu positionieren und dafür zu | |
werben, ist nachvollziehbar. Gewerkschaften sind Interessenverbände ihrer | |
Mitglieder – und wir sind die Partei, die in Bremen die politische | |
Verantwortung trägt. Wir halten den Weg, den wir im Landesvorstand der SPD | |
beschlossen haben, für den richtigen Weg. | |
Sie wollen die Müllabfuhr als Anstalt öffentlichen Rechts organisieren. | |
Die Entscheidung, die Abfallwirtschaft und die Straßenreinigung zu | |
privatisieren, ist vor über 20 Jahren getroffen worden. Und 2018 wird dann | |
20 Jahre praktiziert. Das heißt auch, dass wir zu wenig Kompetenz haben, | |
ein Unternehmen so zu führen, dass wir die Aufgabe ab 2018 übernehmen | |
können. Die Anstalt des öffentlichen Rechts ist für uns eher ein | |
Zwischenschritt. Die Zusammenarbeit mit Privaten ist im Übrigen nicht neu, | |
in Hamburg wird das in Teilbereichen auch so gemacht. | |
Die SPD will Bauherrn, die öffentliche Flächen kaufen, verpflichten, | |
mindestens ein Viertel Sozialwohnungen zu bauen. Reicht das aus? | |
Das haben wir mit der Wohnungswirtschaft so besprochen und das wird auch | |
schon Stück für Stück realisiert. Das Neubauprojekt Marcuskaje in der | |
Überseestadt ist ein Beispiel dafür. In Bremen müssen wir ja noch nicht von | |
einer Wohnungsnot reden, aber natürlich ist eine wesentliche Voraussetzung | |
dafür, dass die nicht eintritt und dass nicht wie in Hamburg überteuerte | |
Mieten verlangt werden, ein ausreichendes Angebot an Wohnraum. | |
In Bremen gibt es ja traditionell viele Sozialwohnungen, bei denen laufen | |
die Mietpreisbindungen aber mit der Zeit aus. | |
Das ist natürlich ein Problem. Wir glauben aber, dass unser Programm erst | |
einmal ausreicht. Es ist aber klar, dass an einen Verkauf der öffentlichen | |
Wohnungsunternehmen, wie er früher von der CDU gefordert wurde, in Bremen | |
nicht zu denken ist. Es ist leider nicht gelungen, bei dem Teilverkauf der | |
Grohner Düne mit dem Verkäufer über die Gewoba ins Geschäft zu kommen. Wir | |
hätten es in diesem sozialen Brennpunktgebiet gerne gesehen, wenn die | |
Gewoba zur Stadtentwicklungspolitik beitragen kann. | |
Sie wollen stärker gegen nachlässige Investoren durchgreifen. Wie? | |
Wir haben in diesem Jahr bereits das Wohnungsaufsichtsgesetz verabschiedet, | |
in dem wir verbesserte Eingriffsmöglichkeiten des Staates formulieren, wenn | |
Immobilienbesitzer ihre Pflichten sträflich vernachlässigen und Wohnraum | |
verkommen lassen. Da gibt es Spielräume im Gesetz. | |
Apropos Ordnung: Der SPD-Innensenator hat kürzlich etwas getan, was | |
Politiker gerne meiden: Er hat beim Anti-Terror-Einsatz Fehler | |
eingestanden. | |
Das ist auch völlig richtig, er hat aber auch den Weg gewählt, den | |
ehemaligen Staatsanwalt Klein mit den Ermittlungen zu beauftragen, um | |
Fehler aufzuarbeiten. Wir werden zeitnah einen Bericht kriegen und | |
bewerten, was aufgearbeitet werden muss. | |
6 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Lena Kaiser | |
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