Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Zwei Monate nach dem Anti-Terror-Einsatz:: Kein konkreter Verdacht …
> Gegen den Hauptverdächtigen beim Bremer Anti-Terror-Einsatz wird es nach
> derzeitiger Aktenlage kein Strafverfahren geben – es liegt nichts gegen
> ihn vor.
Bild: Martialischer Auftritt schwerbewaffneter Polizisten in der Bremer Innenst…
BREMEN taz | Zwei Monate nach dem martialischen Anti-Terror-Aufmarsch der
Polizei in Bremen gibt es offenbar keine Erkenntnisse über eine
tatsächliche Gefahrenlage. Trotz monatelanger, intensiver Überwachung gibt
es in den Akten der beiden Hauptverdächtigen nichts, was eine Anklage
rechtfertigen könnte – die Verfahren werden vermutlich eingestellt, sagen
die Anwälte der beiden: Ihre Mandanten sehen sich als Opfer eines
„Terror-Wahns“, der nicht zwischen frommen Muslimen und Gewalttätern
unterscheiden könne.
Am letzten Februar-Wochenende bestimmte ein Großaufgebot schwerbewaffneter
Polizisten das Innenstadtbild, 50 von ihnen stürmten die Gebetsräume des
Islamischen Kulturzentrums (IKZ) am Breitenweg. Dort hatten Polizei und
Staatsanwaltschaft eine „vierköpfige Gruppe aus dem Ausland“ vermutet, die
sich „mit zwei potenziellen Waffenhändlern treffen wollte.“ Gefunden wurden
allerdings weder Waffen noch die vier angeblich Französisch sprechenden
Männer.
60 Uzis in Bremen verteilt - aber wo sind sie denn?
Am vergangenen Freitag wurde der Staatsanwalt Frank Schmitt vom
Rechtsausschuss der Bürgerschaft gefragt, wie er dazu gekommen ist, in die
Durchsuchungsbegründung hineinzuschreiben, die Durchsuchung diene „dem
Auffinden der Waffen“: Dass ein Anhänger des IKZ 60 Uzis „erworben“ und
dort „verteilt“ hat, wird im Durchsuchungsbeschluss als Tatsache
beschrieben. Er habe das den Akten entnommen, soll der Staatsanwalt erzählt
haben. Das wäre ein „Verbrechen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz“, wenn
es denn stimmen würde und geeignet, die Durchsuchung von Gebetsräumen zu
rechtfertigen.
Aber schon damals, Ende Februar, glaubte die Polizei nicht mehr an diese
Story, die ihr eine Hinweisgeberin aufgetischt hatte. Die Skepsis war nicht
neu: Dieselbe Drohkulisse findet sich wortgleich schon in dem
Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung des „Hauptverdächtigen“ vom 10.
Januar – die Polizei hatte sechs Wochen lang darauf verzichtet, seine
Wohnung zu durchsuchen.
„Entweder hat der Staatsanwalt von dieser Beurteilung der Polizei nichts
erfahren oder er hat die Situation dramatisiert, weil er sonst bei Gericht
den Durchsuchungsbeschluss nicht durchbekommen hätte“, so beurteilt
Kristina Vogt, die für die Linkspartei im Rechtssausschuss sitzt, die für
sie dürftige Angabe des Staatsanwaltes. Dass ein ganzer Lieferwagen voll
schwerer Waffen – darum würde es sich bei 60 Uzis handeln – in den
Gebetsräumen zu finden sein könnte, ist dabei eine vollkommen absurde
Vorstellung: Seit Jahren ist schräg gegenüber des IKZ im Bundeswehrhochhaus
eine Überwachungskamera angebracht, dreimal war das IKZ, das seit Jahren
vom Verfassungsschutz beobachtet wird, zuvor bereits durchsucht worden –
kein Mensch, der sich gegenüber der Polizei verdeckt bewegen möchte, würde
ausgerechnet da hineingehen.
Das „konspirative Verhalten des Beschuldigten“ sei „belegt durch die
Vorbereitung und Abwicklung einer Tüte unbekannten Inhaltes“ im IKZ, heißt
es im Durchsuchungsbeschluss. Nach seiner Festnahme hat der
„Hauptverdächtigte“ am 28. Februar allerdings wenig konspirativ ausführli…
auf die Fragen der Polizei geantwortet, auch auf die nach der Tüte. Was
könnte darin gewesen sein? Schwere Waffen? Wohl nicht. Darin seien alte
Kleidungsstücke seines verstorbenen Vaters gewesen, sagte er – der
Moschee-Verein sammelt Kleider für bedürftige Gemeindemitglieder.
Die Geschichte von den vier Franzosen
Entscheidend für die Polizeiaktionen des 28. Februars war der Hinweis des
Zoll-Kriminalamtes in Köln auf vier „Franzosen“, die nach Bremen kommen
wollten und Terror-Anschläge verüben. Ein sicherer V-Mann soll das
berichtet haben, nicht aus Bremen und nicht die „Haupthinweisgeberin“.
Einer der beiden Bremer Brüder soll mit den „Franzosen“ telefoniert haben.
Aber die einzigen „Franzosen“, die in Bremen an jenem Samstag ins Visier
der Polizeikontrollen gerieten, waren syrische Flüchtlinge aus Bremerhaven
– die mit einem Auto mit französischem Kennzeichen in der Nähe des Domes
parken wollten. Christen, die vor dem Druck der muslimischen Kultur vor
Jahren geflohen waren. Sechs Stunden Ingewahrsamnahme brauchte die Polizei,
um das festzustellen.
Angeblich sollen vier dem Verfassungsschutz unbekannte Männer am Freitag in
die Moschee gegangen sein. Die Durchsuchung der Moschee am Samstag war mit
der Suche nach den dem Verfassungsschutz unbekannten, „namentlich noch
nicht identifizierten, nach polizeilichen Erkenntnissen im IKZ aufhältigen
Personen“, die „ebenfalls bewaffnet sind“ und mit dem hauptbeschuldigten
M.M,. in Kontakt stehen sollten.
Logisch ist diese Begründung für eine Durchsuchung am Samstag nicht – es
sei denn, der Verfassungsschutz ging davon aus, dass die vier „Franzosen“,
die am Freitag ins IKZ gegangen sein sollen, dort übernachtet hätten. Der
Vorsitzende der Moschee-Gemeinde, Omar Habibzada, erinnert sich nicht an
fremde Gesichter. Offenbar hat die Polizei am Samstag vier Holländer
angetroffen – was eine Fahndung der holländischen Polizei auslöste.
Ergebnis: Die Männer waren fromme Muslime, aber unverdächtig. Die beiden
Brüder bestreiten, in den Tagen vor dem 28.2. irgendwelche telefonischen
Kontakte zu „französischen“ oder französisch sprechenden Menschen gehabt …
haben. In den Unterlagen, die ihren Verteidigern zur Akteneinsicht
überlassen wurden, findet sich von den „Franzosen“ nichts.
Auf der verzweifelten Suche nach belastenden Erkenntnissen werden die
beiden Brüder seit Wochen überwacht. Personen, mit denen sie Kontakt
hatten, werden aufgesucht und nach ihnen befragt. M.M. ist Mitglied der
IKZ-Gemeinde, er kommt regelmäßig zu den Gebeten. An einem Tag Mitte April
hatte er wie gewöhnlich in der Nähe der Moschee geparkt und aus dem
Kofferraum ein paar Tüten geholt, um sie in die Moschee zu bringen. Wie aus
dem Nichts tauchten mehrerer Zivilfahrzeuge der Polizei auf, Polizisten
umringten ihn. M.M. zeigte ihnen bereitwillig die Tüten. Kleidungsstücke
waren darin.
„Wir lassen uns das öffentliche Leben nicht von Terroristen diktieren“,
erklärte Innensenator Mäurer (SPD) nach dem „Terrorwochenende“. Zwei Mona…
danach sieht es eher so aus, als hätte nur er die Öffentlichkeit nur mit
Terror-Phantasien in Aufregung versetzt.
Untersuchungsausschuss gefordert
Die Linksfraktion will nach der Bürgerschaftswahl einen
Untersuchungsausschuss einsetzen, um „die Fehler konsequent aufzuarbeiten
und abzustellen“, so Kristina Vogt. Matthias Güldner, für die Grünen in der
Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) des Verfassungsschutzes und bei
allen internen Beratungen der Koalition dabei, erklärt dazu, dass alle
Fragen eigentlich gestellt und beantwortet worden seien, auch die der
Opposition. Wenn Fragen offen seien, dann läge das daran, dass auch die
Innenbehörde und die Polizei darauf keine Antwort hätten. Ein
Untersuchungsausschuss könne daran auch nichts ändern.
26 Apr 2015
## AUTOREN
Klaus Wolschner
## TAGS
Untersuchungsausschuss
Ulrich Mäurer
Salafisten
Anti-Terror-Einsatz
Bremen
Tatort Bremen
Einsatz
Terrorangst
Saudi-Arabien
Polizei
Wahlkampf
Polizei
Polizei
Polizei
Polizisten
## ARTIKEL ZUM THEMA
Terror mit der Polizei: Kann ja mal passieren
Ein junger Mann wird Auslöser eines Großeinsatzes der Polizei in Bremen.
Erst einen Tag, nachdem sie erfährt, dass er nicht gefährlich ist, gibt sie
Entwarnung
Unglaubwürdige Terror-Hinweisgeberin: Aufgeblasener Terror-Alarm
Nachdem die Stürmung des IKZ am „Bremer Terror-Tag“ für unrechtmäßig
erklärt wurde, bestreitet nun die Tippgeberin des Verfassungsschutzes ihre
Aussagen.
Tatsachen statt Terrorangst: Polizeibesuch war rechtswidrig
Die Polizei hätte das Islamistische Kulturzentrum in Bremen Ende Februar
nicht durchsuchen dürfen, stellt das Landgericht fest: Es habe keine
ausreichenden Hinweise gegeben, dass in der Einrichtung Waffen und
Terroristen zu finden seien.
Terrorverdächtiger über Islamismus: „Die V-Leute wären arbeitslos“
Das Islamische Kulturzentrum in Bremen wurde im Februar das vierte Mal
durchsucht. Der Vorsitzende wehrt sich gegen Kriminalisierung.
Antiterroreinsatz in Bremen: Schwere Pannen als tolle Chance
Doppelbelastungen und strukturelle Überforderung: Ein Sonderermittler
kritisiert die Bremer Polizei für den Antiterroreinsatz Ende Februar.
Die "Weiter so"-Politik der SPD: „Wir werden kämpfen müssen“
SPD-Chef Dieter Reinken über Machtdemonstration, die Schuldenbremse, eine
Rekommunalisierung der Abfallwirtschaft und fehlende Wohnungsnot.
Anti-Terror-Einsatz: Die Pannen-Polizei
KOMMENTAR ZUM TERROR-EINSATZ
Gelogen: Der Einsatz, eine Panne
Bremens Polizei und Innensenator räumen schwerwiegende Fehler beim Vorgehen
gegen eine angebliche Terrorgefahr ein. CDU fordert Rücktritt.
Aufarbeitung des Polizeieinsatzes: Wie viel Terror drohte in Bremen?
Die Informationen, auf deren Grundlage die Polizei im Februar von einer
Gefahr terroristischer Anschläge ausging, sind nach wie vor äußerst
fragwürdig.
Überreaktion bei Anti-Terror-Einsatz: Autos machen Salafisten
Weil sie den falschen Wagen fuhr, wurde eine Familie von einem schwer
bewaffneten polizeilichen Sondereinsatzkommando überwältigt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.