# taz.de -- Antiterroreinsatz in Bremen: Schwere Pannen als tolle Chance | |
> Doppelbelastungen und strukturelle Überforderung: Ein Sonderermittler | |
> kritisiert die Bremer Polizei für den Antiterroreinsatz Ende Februar. | |
Bild: Polizei vor der Bürgerschaft in Bremen während des Antiterroreinsatzes. | |
BREMEN taz | Die Sonderermittlungen wegen des Bremer Anti-Terror-Einsatzes | |
Ende Februar sind abgeschlossen. Trotz teils schwerer Ermittlungspannen | |
hätten Polizei und Staatsanwaltschaft angemessen auf die Gefahrenlage | |
reagiert, sagte Sonderermittler Dietrich Klein am Freitag. Die Terrorgefahr | |
sei eindeutig gewesen. Das bestätigte einstimmig auch die Parlamentarische | |
Kontrollkommission. | |
Inhaltlich nachvollziehen kann die Öffentlichkeit diese Einschätzung | |
allerdings noch immer nicht: Der Großteil von Kleins Berichts gilt als | |
geheime Verschlusssache und ist nur den Ermittlern und dem | |
Kontrollausschuss bekannt. So bleibt weiterhin unklar, woher die Hinweise | |
auf die Terrordrohung stammen, die den Großeinsatz ausgelöst haben. | |
Rund 300 BeamtInnen waren am letzten Februarwochenende mit | |
Maschinenpistolen in der Innenstadt und vor der Synagoge im Einsatz. | |
Umstritten ist vor allem die ergebnislose Durchsuchung des Islamischen | |
Kulturzentrums (IKZ), das verdächtigt wird, Kontakte ins Umfeld | |
islamistischer Terroristen zu unterhalten. Zwei Wochen nach dem Einsatz | |
hatte Bremens Polizeipräsident Lutz Müller einräumen müssen, dass die | |
Einrichtung vor der Erstürmung fünf Stunden lang unbewacht war. | |
Laut dem Gutachten liegt das an struktureller Überforderung der Polizei: | |
Observierende Einheiten seien beim Abrücken davon ausgegangen, dass eine | |
andere Einheit übernehmen würde. Diese war allerdings nur zufällig wegen | |
einer anderen Observation vor Ort. Die Einsatzleitung sei mit der | |
Doppelbelastung von Koordination und Ermittlungstätigkeit schlicht | |
überfordert gewesen, so Klein. | |
## Ständige Kamera-Überwachung | |
Dass dadurch Gefahr für die Öffentlichkeit entstanden sei, kann die Polizei | |
zwar nicht endgültig ausschließen, Hinweise darauf gibt es laut | |
Polizeipräsident Müller aber keine. Die Front des IKZ-Gebäudes wird seit | |
Langem mit einer Kamera überwacht. Die nachträgliche Sichtung der Aufnahmen | |
habe nun ergeben, dass keine verdächtigen Personen oder Lieferungen im | |
Gebäude gewesen seien, so Müller. | |
Von dieser Kamera im Hochhaus gegenüber wissen auch die IKZ-Nutzer. Dass | |
das Gebäude während der fünf Stunden durch die rückwärtigen Fenster | |
betreten wurde, hält Gutachter Klein allerdings für „sehr unwahrscheinlich�… | |
– die Fenster lägen immerhin im ersten Stock. | |
Von der Opposition wurde zudem bemängelt, dass das IKZ erst am Abend des | |
zweiten Einsatztages durchsucht wurde. Laut Klein liegt das daran, dass | |
keine Gefahr im Verzug gewesen sei und darum gerichtliche | |
Durchsuchungsbeschlüsse eingeholt werden mussten. Entgegen zunächst | |
kursierenden Darstellungen hätten die Ermittler in dem Gebäude nicht nach | |
Waffen und Terroristen gesucht, sondern lediglich nach Spuren für weitere | |
Ermittlungen. | |
## Lehren ziehen | |
CDU und Linke hatten wegen der Ermittlungspannen und der anschließenden | |
Informationspolitik den Rücktritt von Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) | |
gefordert. Der sieht allerdings keine persönlichen Fehler, sondern | |
lediglich strukturelle Mängel bei der Polizei, die nun mittels mehr | |
Personal und verbesserter Organisation der Führung behoben würden. | |
Zumindest Kleins Gutachten gibt ihm Recht. Im Nachhinein müsse man das | |
Wochenende „als Chance begreifen“, sagte Mäurer. Aus den aufgedeckten | |
Defiziten könne man nun Lehren ziehen „ohne dass wir jemandem Schaden | |
zugefügt haben.“ | |
Gutachter Klein war bis zu seiner Pensionierung 2011 Bremens leitender | |
Oberstaatsanwalt und gilt als enger Vertrauter Mäurers. Seine Arbeit habe | |
das allerdings nicht beeinflusst, sagte er auf Nachfrage. Er garantierte | |
auch für die Unbefangenheit der drei Bremer Beamten, die ihm bei den | |
Ermittlungen zur Seite standen. | |
10 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Jan-Paul Koopmann | |
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