# taz.de -- Kommentar Polizisten fotografieren: Der Staat muss transparent sein | |
> Das Bundesverfassungsgericht erlaubt, dass Demo-Teilnehmer Polizisten | |
> filmen. Das ist faktisch eine Bild-Vorratsdatenspeicherung der Polizei. | |
Bild: Nicht nur die Polizei filmt, sie muss sich auch Fotos von Seiten der Demo… | |
Wer Polizisten bei der Arbeit filmt oder fotografiert, muss deshalb nicht | |
mit Repressalien rechnen und nicht einmal seine Personalien angeben. | |
[1][Das hat jetzt das Bundesverfassungsgericht in einem Fall aus Göttingen | |
entschieden], der die Macht der Bilder weiter demokratisiert. | |
Ursprünglich war die zunehmende Überwachung durch staatliche und private | |
Videokameras angstbesetzt. Sie galt als Ausdruck eines präventiven | |
Überwachungsstaats. Es galt: Wer Straßen und Plätze anlasslos filmt und die | |
Bilder sogar speichert, betreibt nichts anderes als eine | |
Vorratsdatenspeicherung. | |
Dennoch hat sich die zunehmende Bildgebung im positiven Sinne als | |
zwiespältig erwiesen. Immer wieder fangen Überwachungskameras auch ein, wie | |
Polizisten rechtswidrig Gewalt anwenden. In den USA entstand so sogar eine | |
große Diskussion über Rassismus bei der Polizei. | |
Auch die zunächst als Modellversuch geplanten Helmkameras für Polizeibeamte | |
werden eine dialektische Wirkung haben. Eigentlich sollen sie Polizisten | |
vor Übergriffen schützen, indem zum Beispiel Personenkontrollen | |
aufgezeichnet werden. Aber vermutlich werden die Kameras genauso Bürger vor | |
Übergriffen von Polizisten schützen oder diese zumindest gelegentlich | |
besser aufklärbar machen. | |
## Präventive Polizeikontrolle | |
Früher stand bei Gewalteskalation mit Polizeibeteiligung regelmäßig Aussage | |
gegen Aussage, und Polizeizeugen galten – warum eigentlich? – als besonders | |
glaubwürdig. Jetzt gibt es aber immer häufiger Bilder, die die Versionen | |
des polizeilichen Korpsgeist widerlegen. | |
In diesen Kontext passt es, dass das Bundesverfassungsgericht nun auch die | |
privaten Kameras der Bürger als präventives Mittel der Polizeikontrolle | |
zulässt. Da heute fast jedes Mobiltelefon eine Foto-Funktion hat, sind | |
Kameras auch in Bürgerhand allgegenwärtig. | |
Dabei hat Karlsruhe das Filmen der Polizei nicht nur aus konkretem Anlass | |
für rechtmäßig erklärt, etwa wenn ein Polizist mutmaßlich illegal handelte, | |
sondern generell. Es könnte ja sein, dass Bürger die Bilder später einmal | |
als Beweis vor Gericht benötigen. | |
Damit hat Karlsruhe faktisch erlaubt, dass Bürger – ins Blaue hinein – eine | |
Bild-Vorratsdatenspeicherung der Polizei anlegen. Das muss man dennoch | |
nicht ablehnen, schließlich wird hier der Polizist nicht als Bürger, | |
sondern als Teil der Staatsgewalt überwacht. Es geht also nicht um die | |
Person, sondern um ihre Rolle. Bürger müssen nicht transparent sein, der | |
Staat schon. | |
9 Oct 2015 | |
## LINKS | |
[1] /Urteil-des-Bundesverfassungsgerichts/!5240392 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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