# taz.de -- Pro & Contra Überwachung: Kamera läuft | |
> Im jüngsten Fall von Polizeigewalt in South Carolina liefert ein | |
> Handyvideo die nötigen Beweise – ein Zufall. Brauchen wir mehr | |
> Videoüberwachung? | |
Bild: Sind zwei Kameras besser als keine? | |
## PRO | |
In den USA und anderswo: Viele Gewaltdelikte, gerade auch solche der | |
Polizei gegenüber BürgerInnen, können nicht geahndet werden, weil für sie | |
keine Beweise existieren. Vor allem Polizisten können sich – das weiß das | |
interessierte Publikum aus Erfahrung, siehe nicht nur Ferguson – | |
herausreden: [1][auf Notwehr, Gefahr im Verzug etwa.] | |
Das Video, das nun im US-Bundesstaat South Carolina [2][einen Polizisten | |
als Mörder im Dienst zeigt,] verweist auf diesen Missstand. Insofern vor | |
allem darauf: Es bräuchte mehr Material zur Überführung von Straftätern. | |
(Auch von gewalttätiger Seite, die sich politisch links identifiziert.) | |
Stoff, um – beispielsweise, doch nicht nur sie – Ordnungshüter, die sich | |
wie Tyrannen verhalten, rechtsstaatlich verfolgen zu können. | |
Mithin: Es braucht mehr Videos. Und [3][mehr Menschen mit Courage,] die | |
filmen. Und, das darf nicht verschwiegen werden, es sind auch mehr | |
Überwachungskameras in der öffentlichen Sphäre nötig. Das Gut des Schutzes | |
vor staatlicher Filmerei im öffentlichen Raum zählt weniger als das der | |
Sicherheit. | |
Und sei sie nur ein Gefühl: Es ist gerade für Menschen, die bedroht werden | |
könnten, ein gutes Gefühl, des Schutzes durch Kameraüberwachung sicher zu | |
sein. Frauen, die sich in U-Bahn-Unterführung ohne Kameraaugen ungeschützt | |
wähnen; MigrantInnen, die sich vor Nachstellungen durch Neonazis fürchten; | |
DemonstrantInnen bei Protestaktionen, die sich durch Polizeikräfte | |
behelligt fühlen: Kameras, deren Aufnahmen, die im Zweifelsfall durch | |
Ombudsvertrauensleute geprüft werden, können dafür sorgen, das Gefühl von | |
körperlicher Integrität im öffentlichen Raum zu stärken. | |
Einwände, denen zufolge öffentliche Plätze am sichersten dann sind, wenn | |
viele Menschen sich auf ihnen bewegen, sind wohlfeil: Areale – ob nun | |
Plätze, Straßenunterführungen oder Parklandschaften – sind gerade für | |
Ängstliche dann besonders furchterregend, wenn sie allein auf ihnen sind. | |
Am späten Abend oder nachts. | |
Abschreckung durch die Angst, auf frischer Tat ertappt zu werden: Für die | |
US-Polizeien wäre es, gelinde formuliert, stark anregend, wüssten sie, dass | |
ihr Tun gefilmt, also beobachtet wird. Es wird sie eher zügeln als früher, | |
da niemand im Besitz von Handykameras war und, quasi in Akten | |
demokratischer Beweisaufnahmen, ihre Ordnungshüter als ungerecht | |
verfolgende Täter nicht dokumentieren konnten. | |
Das Gut des Schutzes der Privatsphäre in der Öffentlichkeit ist kein | |
absolutes. Wichtiger ist für potenziell Schutzbedürftige und klassisch | |
Verdächtige das Bewusstsein, nicht ausgeliefert zu sein. Kein Recht | |
bekommen zu können, weil ihnen niemand glaubt. Videos können deutliche | |
Beweise sein. | |
Drohnen allerdings müssen für die öffentliche Beobachtung von einzelnen | |
Bürgern verboten bleiben – sie sind die stärksten Waffen gegen das Recht | |
auf öffentliche Zivilität. Fluggeräte untergraben das Gebot der Diskretion, | |
es sind Schnüffelwerkzeuge. Videokameras schaffen Vertrauen, Drohnen | |
Misstrauen: ein Unterschied ums Ganze. JAN FEDDERSEN | |
*** | |
## CONTRA | |
Damit keine Missverständnisse auftreten: Das Gegenüberwachen auf | |
Demonstrationen ist wichtig. Dort, wo die Polizei sowieso mit Kameras | |
draufhält und sich hinterher die Szenen so schneidet, wie es ihr gefällt, | |
wo ohnehin Fernsehteams filmen, können Handykameras deutlich mehr nutzen | |
als schaden. Videoaufnahmen bringen also dort etwas, wo es im Zweifelsfall | |
eher um Aufklärung geht als um Prävention. In einer Bank. Oder im Fall von | |
staatlicher Gewalt bei Polizeieinsätzen. | |
Lasst uns also den öffentlichen Raum mit Videokameras vollpflastern, um | |
Überwachung nicht willkürlich, sondern systematisch zu gestalten? | |
Für die Überwachten sind die Grenzen ohnehin längst fließend. Da sind | |
staatliche Stellen, die Plätze filmen. Gewerbetreibende, die Kameras nicht | |
nur in, sondern auch vor ihre Läden hängen und damit Angestellte, Kunden | |
und unbeteiligte Dritte aufnehmen. Hausbesitzer, die ganze Straßenzüge | |
permanent überwachen, ohne dass die Passanten auch nur eine Ahnung haben, | |
wer hier filmt, wo die Aufnahmen landen, wie lange sie gespeichert werden | |
und was ihr Besitzer damit macht. Alles im Sinne einer vermeintlichen | |
Sicherheit. Aber mit immensem Eingriff in die Grundrechte. Und auch wenn | |
der Hausbesitzer jetzt schon nicht die gesamte Straße überwachen darf – die | |
Behörden kapitulieren angesichts der Zahl der illegalen | |
Überwachungskameras. | |
Dass Kameras Kriminalität verhindern, glaubt ohnehin kaum noch jemand. | |
Selbst wenn auf einem videoüberwachten Platz der Drogenhandel abnimmt – | |
dann treffen sich Dealer und Kunden eben eine Ecke weiter. Die Konsequenz | |
daraus ist in Städten wie London zu sehen: Kamerawildwuchs in einem Maße, | |
dass sich die Frage stellt: Gibt es eigentlich einen öffentlichen Winkel | |
der Stadt, der nicht überwacht ist? Und: Kann das überhaupt noch jemand | |
auswerten? Oder wird daraus letztlich eine Steilvorlage für | |
Sicherheitsbehörden, wieder mehr Personal zu fordern – das durch Kameras | |
gerne reduziert wurde? | |
Und während Überwachung derzeit vor allem den öffentlichen oder halb | |
öffentlichen Raum betrifft, wird gerade die Technologie für den nächsten | |
Schritt marktreif: Drohnen, ausgestattet mit Kameras, können nicht nur | |
Demos bequem überfliegen, sondern auch in Gärten oder durch Fenster filmen. | |
Wer hinter einer Aufnahme steckt, ob man selbst gerade Motiv ist, ist noch | |
weniger zu erkennen als bei fest installierten Apparaten. Das Panopticon | |
lässt grüßen. | |
Studien zeigen übrigens: Selbst was die gefühlte Sicherheit angeht, bringt | |
Videoüberwachung keine nennenswerte Verbesserung. Die TU Berlin hatte das | |
in Kooperation mit mehreren Verkehrsbetrieben untersucht. Das Ergebnis: | |
Präsenz von Personal, anderen Fahrgästen, selbst das Handy oder die | |
Notrufsäule wirkten sich positiver auf die empfundene Sicherheit aus als | |
Kameras. Die können im Fall des Überfalls übrigens auch einen negativen | |
Effekt haben: Andere Passanten gucken weg, statt einzugreifen. Schließlich | |
gibt es ja schon Kameras, die hinschauen. SVENJA BERGT | |
9 Apr 2015 | |
## LINKS | |
[1] /Kommentar-South-Carolina/!157797/ | |
[2] /Polizeigewalt-in-den-USA/!157789/ | |
[3] /Filmer-spricht-ueber-Mord-in-Charleston/!157814/ | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
Svenja Bergt | |
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