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# taz.de -- Überreaktion bei Anti-Terror-Einsatz: Autos machen Salafisten
> Weil sie den falschen Wagen fuhr, wurde eine Familie von einem schwer
> bewaffneten polizeilichen Sondereinsatzkommando überwältigt.
Bild: Patrouillierende Polizisten vor dem Dom fanden Mario H. am 28. Februar ir…
HAMBURG taz | Am Samstag, dem 28. Februar, dem Tag der Terrorwarnung in
Bremen, hat es offensichtlich mindestens einen schweren Übergriff der
Polizei gegen eine unbescholtene Familie gegeben. Das zumindest berichtete
deren Anwalt, der Bremer Strafverteidiger Florian Burgsmüller, dem
Radiosender NDR Info.
Sein Mandant, der in Syrien geborene Mario H., befindet sich an diesem Tag
mit seiner Frau, seinen Eltern und Schwiegereltern auf einem Ausflug in der
Bremer City. Als sie gegen 16 Uhr in ihren gegenüber dem Bremer Landgericht
geparkten Lieferwagen vom Typ Vario mit französischem Kennzeichen
einsteigen wollen, um Bremen wieder zu verlassen, werden sie innerhalb
weniger Sekunden von einem mindestens 20-köpfigen
Polizei-Sonder-Einsatzkommando umringt, dessen Mitglieder sie mit im
Anschlag gehaltenen Maschinenpistolen bedrohen.
Sie seien angeschrien worden, die Hände auf das Fahrzeug zu legen,
berichtet Mario H. „Wir wussten nicht, wie uns geschah, wurden behandelt
wie Schwerverbrecher.“ Trotzdem zeigt Mario H. Verständnis für das Vorgehen
der Polizei bis zu diesem Zeitpunkt: „Wenn es eine solche Terrorwarnung
gibt, muss die Polizei handeln.“
Doch das, was in der Folge geschieht, kann Mario H. nur schwer begreifen.
Obwohl sein schwer kranker Vater, der vor dreizehn Jahren ein Spenderherz
bekommen hat – und aufgrund des Polizeieinsatzes einen Kollaps erleidet –,
auf die minutengenaue Einnahme seiner Medikamente angewiesen ist, wird ihm
diese zwischenzeitlich verweigert. „Es wird schon nichts passieren“,
bekommt er von einem Beamten zu hören. Erst nach massivem Drängen der
Familie wird er schließlich ins Klinikum Bremen Mitte gebracht. Da aber ist
sein Gesundheitszustand schon so schlecht, dass er eingenässt hat.
Während der zehnstündigen Festnahmedauer, die sie zum Großteil in
verschiedenen Zellen des Polizeireviers in Vahr verbringt, erhält die
Familie keine Informationen, was ihr vorgeworfen wird und wer den Einsatz
zu verantworten hat. Mehrfach verlangt Mario H., einen Anwalt zu sprechen –
was ihm verwehrt wird.
Immer wieder wird der gläubige Christ Mario H. gefragt, ob er Salafist sei.
Dass am Rückspiegel des Wagens und am Schlüsselbund christliche Kreuze
befestigt sind, stört die Ermittler dabei ebenso wenig, wie die Tatsache,
dass vier der sechs vermeintlich ins Netz gegangenen Terroristen sich im
Rentenalter befinden.
Dass H. bei seinem Verhör ein Rechtsbeistand verwehrt wurde, sei „ein
klarer Rechtsbruch“, sagt Anwalt Burgsmüller, für den der gesamte Einsatz
„vollkommen außer Verhältnis“ steht. Denn aufgrund der Ereignisse erleidet
schließlich auch Mario H.s Schwiegermutter einen Kollaps und muss ins
Krankenhaus gebracht werden. Am Tag danach wird bei vier der sechs
Familienmitgliedern eine schwere „psychomotorische Erregung“
diagnostiziert, die mit Psychopharmaka behandelt werden muss.
Am Ende der Vernehmung erfährt Mario H., dass es sich bei der Festnahme nur
um „ein Missverständnis“ gehandelt habe. Nach Erkenntnissen der Ermittler
sollten in einem vergleichbaren Fahrzeug mit französischem Nummernschild
Sprengstoff und Waffen nach Bremen transportiert werden.
Für Anwalt Burgsmüller wurde bei dem Einsatz „ganz offensichtlich der Boden
der Verfassung verlassen“ und die Festgenommenen ihrer Grundrechte beraubt.
Neben einem „angemessenen Schmerzensgeld“ für seine Mandanten forderte der
Strafverteidiger in einem Schreiben an Innensenator Ulrich Mäurer eine
persönliche Reaktion von dem SPD-Politiker.
Der aber leitete das Schreiben an die Polizei weiter, die ihrerseits
versprach, die Vorwürfe aufzuklären und Burgsmüller „zeitnah“ eine Antwo…
zukommen zu lassen, wie sich die Vorfälle aus ihrer Sicht zugetragen haben.
Von Wiedergutmachung ist in der polizeilichen Stellungnahme allerdings
nicht die Rede.
11 Mar 2015
## AUTOREN
Marco Carini
## TAGS
Salafisten
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Terrorabwehr
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Ermittlungen
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