# taz.de -- Wahlkampf der Linken: „Manchmal klappt das“ | |
> Die beiden Landesvorsitzenden der Linken über einen möglichen | |
> Politikwechsel, das finanzpolitische WG-Modell und Auswege aus dem | |
> Schlangennest. | |
Bild: Ermahnungen müsste Bremen auch mal aushalten und viel stärker in die Of… | |
taz: Herr Spehr, Frau Achelwilm, vor vier Jahren noch ein Schlangennest, | |
wirkt Die Linke in Bremen zu Beginn des Wahlkampfs so harmonisch. Wie | |
kommt’s? | |
Christoph Spehr: Ein Unterschied zu früher ist: Wir machen mittlerweile | |
Landespolitik. Natürlich interessiert uns auch, was in der Bundespartei | |
vorgeht, aber wir müssen nicht hier alle deren Konflikte bearbeiten. Wir | |
sind nicht deren Unterabteilung, sondern machen unseren Job hier vor Ort. | |
Das klärt vieles. | |
Mindestens zerlegt sich Die Linke also nicht mehr wegen des | |
Israel-Palästina-Konflikts? | |
Doris Achelwilm: Diese Konflikte, Themen und Diskussionen sind nicht | |
einfach weg, Parteien sind keine Orte der Harmonie. Das müssen sie auch | |
nicht sein. Es gibt aber einen anderen Umgang untereinander. Die Partei | |
weiß: Man muss auch mal zwei Stränge nebeneinander stehen lassen können, | |
nicht unkommentiert, aber als einen Diskussionsstand, den man nun auch | |
nicht mit einem Schlag lösen kann. | |
Dann bleibt ja nur die Schwierigkeit, dass jetzt Wahlen sind und keiner | |
weiß, wozu? | |
Christoph Spehr: Ich finde das gar nicht so schwierig zu beantworten. Es | |
ist klar, dass es keine Überraschungen geben wird, keinen Macht- oder | |
Regierungswechsel. | |
Na eben! | |
Christoph Spehr: Aber das Kräfteverhältnis im Parlament wird ganz klar | |
beeinflussen, wie eine ganze Reihe offener und strittiger Fragen | |
beantwortet wird. | |
Welche Fragen? | |
Christoph Spehr: Zum Beispiel, ob es mehr Geld gibt für die Bildung, oder | |
auch: Was geschieht mit den Abfallbetrieben, werden die nun wieder | |
rekommunalisiert oder nicht? | |
Doris Achelwilm: Ich erwarte auch nicht, dass der Wahlkampf mau wird – | |
selbst wenn ich mir nur schwer vorstellen kann, wen die CDU mit ihren | |
verschwommenen Motiven begeistert, und die SPD mit ihren Plakaten noch | |
nicht so recht rausgekommen ist. Aber insgesamt ist da doch viel Druck | |
dahinter. Denn alle wissen: In der kommenden Legislatur werden Weichen | |
gestellt auch für die Zeit nach 2020. Von daher wird der Wahlkampf nicht | |
zum Regierungs-, aber vielleicht zu einem Politikwechsel führen. | |
Ohne Regierungswechsel bleibt’s beim Konsolidierungspfad – wie soll denn da | |
ein Politikwechsel eintreten, sofern Bremen nicht die Bedingungen reißt? | |
Doris Achelwilm: Es wäre ja schon mal schön, wenn viel mehr darauf | |
hingewiesen würde, dass diese Bedingungen nicht erfüllbar sind! Bremen | |
müsste viel stärker in die Offensive gehen bei der Altschuldenproblematik | |
und die Frage der Vermögenssteuer forcieren – auch wenn beides nicht von | |
Bremen alleine zu bewerkstelligen ist. | |
Na, ich kann schlecht Partner gewinnen, wenn ich mich aus den | |
Vereinbarungen ausklinke! | |
Christoph Spehr: Bremen ist ja davon noch sehr weit entfernt. | |
Der Haushalt ist total auf Kante genäht, sagt Karoline Linnert. | |
Christoph Spehr: Es gibt trotzdem noch finanzielle Spielräume. Die Frage | |
ist: Reizen wir die aus. Oder eben nicht. Und Rot-Grün macht das nicht. Wir | |
hätten in den letzten Jahren auch nach den Regeln der | |
Sanierungsvereinbarung locker 150 Millionen pro Jahr mehr ausgeben dürfen. | |
Das ist ja nicht nichts. | |
Der berühmte Sicherheitsabstand, klar – als sich der 2013 verringert hatte, | |
gab’s sofort massiv Ärger…? | |
Christoph Spehr: Klar, regt sich da der Stabilitätsrat auf. Aber eine | |
Landesregierung darf ihre Politik nicht an blauen Briefen vom | |
Stabilitätsrat orientieren. | |
Also Bremen sollte die Ermahnungen einfach mal ignorieren? | |
Christoph Spehr: Das müsste man aushalten, ja. Stattdessen wird hier aber | |
die wahnwitzige Theorie verfolgt, dass wir in der nächsten Runde mehr | |
kriegen, wenn wir uns jetzt ganz artig benehmen. Das halten wir für eine | |
Fehleinschätzung. | |
Kann man denn die anderen Bundesländer und die Bundesregierung nur | |
schwerlich zum Verhandeln zwingen? | |
Doris Achelwilm: Derzeit findet man bestimmt Bündnispartner: Bremen ist mit | |
seinen Problemen nicht ganz alleine. | |
Die Bremer Pro-Kopf-Verschuldung ist schon einzigartig. | |
Doris Achelwilm: Das ist wahr. Trotzdem. | |
Christoph Spehr: Der Gegenseite kann auch nicht alles wurscht sein. Keine | |
Bundesregierung will ja, dass das erste Bundesland feststellt: Wir schaffen | |
die Schuldenbremse nicht. Wir können das nicht einhalten. Dass Bremen sagt: | |
Wir stecken das wieder mit dem Zwangssparen und klagen vorm | |
Bundesverfassungsgericht, das will Berlin sicher verhindern. | |
Klingt wie in der WG ewig den Abwasch nicht machen, damit die eine | |
Spülmaschine anschafft? | |
Christoph Spehr: Manchmal klappt das. Es gibt solche WGs. | |
Bloß dafür die Massen zu mobilisieren, dürfte schwer werden…? | |
Christoph Spehr: Ich finde, es regt sich einiges: Dass zum Beispiel Ver.di | |
ein Volksbegehren gegen eine SPD-geführte Landesregierung in Gang bringt, | |
um die Rekommunalisierung der Abfallwirtschaft durchzusetzen, das ist doch | |
bemerkenswert. Aber andererseits ist wahr, dass es mit der Frage der | |
Schuldenbremse kaum möglich sein wird, Massenproteste zu erzeugen. Dafür | |
ist das Thema zu abstrakt. | |
Doris Achelwilm: Zu einer politischen Realität, die nicht leicht | |
anschaulich zu machen ist, in ihrer Breitenwirkung, lässt sich in der Tat | |
nur schwer mobilisieren. Gemessen daran haben aber schon ziemlich viele | |
mitbekommen, was dieses Projekt an Umverteilung von unten nach oben | |
bedeutet. | |
Aber wenn dieses große Thema nicht zur Debatte taugt, womit ziehen Sie in | |
den Wahlkampf? | |
Christoph Spehr: Man macht doch ohnehin keinen Wahlkampf, um die | |
Schuldenbremse zu vermitteln. Das wäre Quatsch. Man definiert doch | |
inhaltliche Ziele – nicht die formalen Regelungen, um sie durchzusetzen. | |
Welche Ziele verfolgen Sie? | |
Doris Achelwilm: Wir setzen auf die Themen, die wir in den vergangenen | |
Jahren bearbeitet haben. Wir fordern die Abschaffung der | |
Jobcenter-Sanktionen, weil man da landespolitisch drauf Einfluss nehmen | |
kann, wir sagen Arbeit nicht um jeden Preis, weil es nicht angehen kann | |
dass die Arbeit immer mehr wird, ohne dass die Löhne entsprechend steigen. | |
Wir setzen auf Rekommunalisierung. Und wir treten für eine | |
Willkommenskultur den Flüchtlingen gegenüber ein. | |
Christoph Spehr: Allgemein führen wir Debatten über Dinge, die gemacht | |
werden könnten, von denen viele sicher sind, dass sie gut fürs Gemeinwesen | |
wären, die man sich aber aus dieser Ängstlichkeit heraus nicht traut | |
anzupacken. | |
Was denn? | |
Christoph Spehr: Bremen betreibt diese Sanktionspolitik, weil man sich mit | |
Jobcentern nicht anlegen will. Bremen vergesellschaftet den Wohnraum nicht, | |
obwohl man’s leicht machen könnte: Das Geld ist billig wie nie. Aber man | |
hat Angst, jetzt große Eigentumsaktionen zu machen, in der | |
Schuldensituation. Also unsere Themenfindung – das war kein Problem. Wir | |
waren eher gespannt, wie gehen die anderen damit um, weil die sich ja auf | |
einer Flucht aus den Debatten befinden. | |
Weil das Ja zur Schuldenbremse ein Nein zur Politik bedeutet? | |
Chrisoph Spehr: Ja, das ist so. Und das lässt sich auch sehr gut an den | |
Programmen ablesen, in den eigentlich strittigen Fragen: Statt | |
klarzustellen, dass eine Schippe drauf bei der Bildung doch etwas mehr sein | |
müsste, als dass es nicht weniger wird, vermeidet die SPD zum Beispiel | |
solche Festlegungen. Das ist irritierend. | |
Doris Achelwilm: Stattdessen richtet man sich ein in der Sachzwanglogik – | |
und sagt: „Ja, was sollen wir denn machen…? Wir könnten und täten ja gern… | |
aber eigentlich müsste eben der Bund…“ – Das kann’s nicht sein. | |
22 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
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