# taz.de -- Löhne in Bremen: Den Müllwerkern stinkt’s | |
> Nun werden Bremer Müllwerker mehr verdienen als bisher, aber einen | |
> Tarifanspruch haben sie nicht. Den gäbe es nur bei Gebührenerhöhungen, | |
> sagt die Umweltbehörde | |
Bild: Bekommen auch künftig keinen Tariflohn: Bremer Müllwerker | |
Bremen taz | Ab Montag wird manches neu bei der Bremer Müllabfuhr, zum | |
Beispiel ändern sich die Abfuhrtage, insbesondere die Müllgebühren bleiben | |
aber stabil. Ob das so bleibt, hängt aber von den Löhnen der Müllwerker ab | |
– und darüber gibt es jetzt zwischen der Gewerkschaft Ver.di, der | |
kommunalen Dachgesellschaft Bremer Stadtreinigung und der Müll-Firma | |
Nehlsen ein Tauziehen. | |
Die Müllwerker von Nehlsen haben bisher einen Haustarif in Höhe von rund 90 | |
Prozent des Tarifvertrages der Bundesverbandes der Entsorger (BDE) | |
bekommen. Das soll sich ab Juli ändern. Mit der Neuvergabe der Aufträge an | |
Nehlsen wurde vereinbart, dass ein Tariflohn auch in Bremen gelten soll, | |
mindestens aber 16 Euro pro Stunde gezahlt werden sollen. Im Durchschnitt | |
erhalten die Mitarbeiter ohne lange Betriebszugehörigkeit dann gut 20 | |
Prozent mehr Jahresentgeld. | |
Nehlsen hatte offenbar an den geringen Löhnen in der Vergangenheit so gut | |
verdient, dass die Firma diese Lohnerhöhung zusagen konnte. Nur deswegen | |
konnte Nehlsen den Auftrag für sich gewinnen, Mitkonkurrenten hatten | |
weniger angeboten. Weitergehenden Leistungen in Richtung des Tarifvertrags | |
für den öffentlichen Dienst (TVÖD) will Nehlsen aber nur bei einer Erhöhung | |
der Müllgebühren zustimmen. Dies wiederum will aber die Umweltbehörde | |
vermeiden, weil das die teilweise Rekommunalisierung in Misskredit bringen | |
würde. | |
Nun gibt es aber den in der Ausschreibung angegebenen Entsorgertarif BDE | |
nicht mehr, und die Frage ist, was Nehlsen zahlt. Die Summe von 16 Euro | |
Mindestlohn ist verbindlich, sagt Staatsrat Ronny Meyer von der | |
Umweltbehörde, aber weitergehende Leistungen insbesondere bei der | |
Altersversorgung wurden nicht erwähnt in der Ausschreibung. Dabei geht es | |
um erhebliche Summen, über die nun in Tarifverhandlungen zwischen Ver.di | |
und Nehlsen verhandelt werden muss. Vor Beginn dieser anstehenden | |
Tarifverhandlungen hat die Gewerkschaft am gestrigen Freitag ihre Kritik | |
lautstark formuliert. Den Müllwerkern sei in Einzelgesprächen lediglich | |
mündlich mitgeteilt worden, was sie verdienen werden, klagt Ver.di. | |
Offenbar gibt es kein Papier, in dem die Entlohnung nachvollziehbar | |
formuliert ist. Auf eine entsprechende Anfrage der taz hat Nehlsen nicht | |
geantwortet. | |
Die 16 Euro Stundenlohn bedeuten für die meisten Mitarbeiter von Nehlsen | |
zwar eine Erhöhung, aber die Löhne sind für alle gleich – Zulagen nach | |
Betriebszugehörigkeit, die darüber hinausgehen, gibt es beispielsweise | |
nicht mehr. Und ob Nehlsen Lohnerhöhungen zahlt in den kommenden Jahren, | |
wenn andere Arbeitgeber die Löhne steigern, ist völlig unklar – es steht im | |
Belieben des Arbeitgebers. | |
Insbesondere, so klagt die Gewerkschaft, gibt es eine | |
„Jahressonderleistung“. Das schöne Wort bedeutet aber nicht, dass Nehlsen | |
mehr zahlt, sondern dass erst einmal der effektiv ausgezahlte Lohn | |
niedriger liegt – und dass die Differenz irgendwie als | |
„Jahressonderleistung“ ausgezahlt werden soll. „Das ist praktisch ein | |
Kredit der Mitarbeiter an Nehlsen“, interpretiert der Ver.di-Fachmann Pit | |
Eckert das, was den Mitarbeitern da mündlich erzählt wurde. | |
Von Daniela Enslein, der kommunalen „zweiten“ Geschäftsführerin der ALB, | |
gab es keine Erläuterung zu der Kritik von Ver.di. An der operativen | |
Müllabfuhrfirma ALB-GmbH hat die kommunale Anstalt des öffentlichen Rechts | |
(AÖR) zwar 49,9 Prozent der Anteile, aber 50,1 Prozent hält Nehlsen und so | |
hat die Kommune auf die effektive Geschäftspolitik keinen Einfluss. | |
Die Mitarbeiter, die in Zukunft für die Recyclinghöfe und die Deponien | |
zuständig sein werden, gehören dagegen zu 100 Prozent der kommunalen Bremer | |
Stadtreinigung unter dem Dach der AÖR; für sie gelten die Tarife des | |
öffentlichen Dienstes (TVÖD). | |
In der Diskussion über die Müll-Rekommunalisierung hatten die Vertreter von | |
Ver.di darauf hingewiesen, dass es nicht nur erhebliche Gewinn-Reserven bei | |
Nehlsen gibt, die im Falle einer Rekommunalisierung der städtischen Seite | |
zur Verfügung stünden, sondern auch Millionenbeträge der Mehrwertsteuer, | |
die ein kommunaler Betrieb nicht abführen müsse. Mit diesen Einsparungen | |
könnte ein kommunaler Betrieb durchaus die Altersversorgung nach dem Tarif | |
des öffentlichen Dienstes zahlen. | |
Spannend wird nun, welche Zusagen Nehlsen für Tarifanpassungen in den | |
kommenden zehn Jahren macht – so lange gilt die Ausschreibung. Nach den | |
Vergabe-Bedingungen ist Nehlsen nicht zu einer Anpassung an | |
Tarifsteigerungen verpflichtet. | |
1 Jul 2018 | |
## AUTOREN | |
Klaus Wolschner | |
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