| # taz.de -- Zukunft der Müllabfuhr: Die Gewerkschaft macht Ernst | |
| > Da der Senat vor einer vollständigen Rekommunalisierung der Bremer | |
| > Müllabfuhr zurückschreckt, hat Ver.di nun erneut ein Volksbegehren | |
| > gestartet. | |
| Bild: Selbst dem Sperrmüll könnte es nach der Rekommunalisierung der Müllabf… | |
| Die Gewerkschaft Ver.di hat am Mittwoch begonnen, Unterschriften für ein | |
| Volksbegehren zur Rekommunalisierung der Müllabfuhr zu sammeln. „Diese | |
| Privatisierung muss ein Ende haben“, erklärte die Bremer DGB-Vorsitzende | |
| Annette Düring und versicherte, dass sie die Ver.di-Initiative zu ihrer | |
| Sache gemacht habe: „Wir leben hier, zahlen hier Steuern – die | |
| Rekommunalisierung der Müllabfuhr ist ein gemeinschaftliches Projekt aller | |
| Gewerkschafter.“ | |
| Ein Vertreter von Attac erklärte seine Unterstützung für die Initiative – | |
| die Globalisierungs-Kritiker haben Sorge, dass mit den derzeit heimlich | |
| verhandelten Freihandelsabkommen eine Rekommunalisierung von | |
| Dienstleistungen kaum noch möglich sein wird. Der Ökonom Rudolf Hickel | |
| schickte seine „Erstunterschrift“ fernmündlich, und auch der | |
| Verwaltungswissenschaftler Ernst Mönnich, der die Privatisierung der Bremer | |
| Entsorgung seit 20 Jahren kritisch begleitet, gehört zu den Unterstützern. | |
| Ver.di-Chef Rainer Kuhn begründete den Zeitpunkt der Initiative damit, dass | |
| die rot-grüne Koalition derzeit versuche, mit einer „Mogelpackung“ die | |
| Rekommunalisierung zu umgehen. In dieser Situation müsse der „Druck | |
| aufrechterhalten“ werden. Die Gewerkschaften mischten sich mit diesem Thema | |
| offensiv in den Wahlkampf ein. Auf der Mai-Demo und bei anderen | |
| Gelegenheiten sollen Unterschriften gesammelt werden – weit mehr als die | |
| Mindestanzahl will Ver.di in den kommenden drei Monaten zusammenbekommen. | |
| Zwar habe der Senat inzwischen die Forderung aufgegriffen, die Müllabfuhr | |
| im Rahmen einer „Anstalt öffentlichen Rechts“ zu organisieren. Diese | |
| Rechtsform bietet unter kommunalem Dach eine maximale Eigenständigkeit | |
| gegenüber direkten Eingriffen der Verwaltung. „Mogelpackung“ sei das | |
| Konzept aber, weil unter diesem Dach dann doch die Arbeit an Private | |
| vergeben werden soll – angeblich mit der Perspektive, in zehn Jahren voll | |
| zu kommunalisieren. | |
| Dann dürfte aber keiner der Politiker, die heute darüber reden, noch im Amt | |
| sein. Diese Konstruktion habe etwas von einer „Schiebeverfügung“, spottete | |
| Mönnich – das Problem werde lediglich verschoben. Und dass der Senat, der | |
| sich offenbar wenig eigenen Sachverstand zutraut, nun wieder | |
| Beratungs-Gutachten bestellen will, sei der Versuch, die Entscheidungen | |
| über den Wahltermin hinauszuschieben. Völlig offen ist derweil, wie viel | |
| Prozent die Kommune behalten will, und auch, ob die erneute Vergabe an eine | |
| Privatfirma für zehn oder für 20 Jahre stattfinden soll. | |
| Überrascht davon, dass Ver.di es ernst meint, ist auch die Firma Nehlsen. | |
| Geschäftsführer Hans-Dieter Wilcken verteilte im Gewerkschaftshaus | |
| persönlich ein Flugblatt seines Betriebsrates mit der Aufschrift „Was wird | |
| aus uns?“ Kuhn geht indes davon aus, dass die Nehlsen-Müllwerker zu | |
| Tariflöhnen bei der kommunalen Müllfirma anheuern werden. | |
| Ein Beispiel dafür, was möglich ist, wenn die Müllabfuhr nicht nur unter | |
| Gewinninteressen organisiert wird, ist der Sperrmüll. In Hamburg wird der | |
| nicht auf der Straße aufgetürmt, gefleddert und schließlich als Müll | |
| verbrannt. Sperrmüll wird dort direkt aus dem Keller oder vom Dachboden | |
| abgeholt, brauchbare Gegenstände werden von Langzeit-Arbeitslosen | |
| aufgearbeitet – für das von der Müllabfuhr betriebene „Sperrmüll-Kaufhau… | |
| mit Tauschbörse. | |
| Rüdiger Siechau, seit 1995 Geschäftsführer der kommunalen „Stadtreinigung | |
| Hamburg“, hat bei einer Diskussion in Bremen das vom Bremer Senat geplante | |
| Modell kritisiert. „Mischmasch, um jedem einen Gefallen zu tun – das würde | |
| ich nicht machen“, formulierte er und warnte die kommunalen Vertreter: „Da | |
| hängen Sie als Kommune doch immer am Fliegenfänger.“ | |
| 25 Mar 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Klaus Wolschner | |
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