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# taz.de -- Schlechte Jobs in Bremen: Viel Wachstum, kaum Arbeit
> Hohe Löhne, aber riesige Lohnunterschiede, Wirtschaftsexpansion, aber nur
> mäßig mehr Jobs: Der aktuelle Arbeitnehmerkammer-Bericht ist durchwachsen
Bild: Sind beim Gehalt abgehängt: Bremerinnen in typischen Frauenberufen.
Bremen taz | Wirtschaftswachstum und Stellenzuwachs passen in Bremen nicht
zusammen, der Sektor Leiharbeit boomt und der Lohnunterschied zwischen
Frauen und Männern ist immens: Das sind nur drei der „Schönheitsfehler“,
den die Arbeitnehmerkammer in ihrem neuen „Bericht zur Lage der
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Land Bremen“ aufzeigt.
Schönheitsfehler deswegen, weil die Fassade auf den ersten Blick gut
aussieht: Mit einem Wachstum von 2,1 Prozent expandierte die Bremer
Wirtschaft im Jahr 2015 stärker als der Bundesdurchschnitt. Gestiegen und
ebenfalls überdurchschnittlich hoch sind die Reallöhne: Bremische
ArbeitnehmerInnen verdienten im vergangenen Jahr im Durchschnitt 3.776 Euro
brutto – das liegt 4,4 Prozent über dem Bundesdurchschnitt. Und auch die
Beschäftigung hat zugenommen, um 4.212 sozialversicherungspflichtige
Arbeitsplätze in Bremen und um 517 in Bremerhaven.
Bloß: Während Bremen deutschlandweit auf Platz drei beim
Wirtschaftswachstum liegt, belegt es beim Stellenzuwachs nur Platz elf:
„Die Beschäftigungswirkung von Wirtschaftsdynamik ist in Bremen offenbar
begrenzter als in anderen Bundesländern“, sagte dazu Ingo Schierenbeck,
Geschäftsführer der Arbeitnehmerkammer, bei der Präsentation des
Jahresberichts am gestrigen Mittwoch.
Und: Ein erheblicher Teil dieser „Beschäftigungswirkung“ wird lediglich
durch Leiharbeit abgedeckt: Die Branche „Arbeitnehmerüberlassung“ liegt auf
Platz eins der gewachsenen Wirtschaftszweige. Rückfragen bei Betrieben
hätten außerdem gezeigt, so Schierenbeck, dass Arbeitgeber zunehmend auf
Werkverträge im tariflosen Raum auswichen: „Gerade angesichts des
demografischen Wandels und des Mangels an Facharbeitern ist es völlig
unverständlich, dass immer mehr prekäre Arbeit geschaffen wird.“
Anders als in Bremen ist die Zahl der LeiharbeiterInnen in Bremerhaven
zurückgegangen: „Das liegt aber daran, dass in der Windbranche viele
Leiharbeiter entlassen worden sind – nicht daran, dass hier feste Stellen
geschaffen wurden“, so Schierenbeck.
Positiv hingegen wertet die Kammer die fast 800 neuen Stellen im
Gastgewerbe, die in der Stadt Bremen entstanden sind. Das sei ein Resultat
des Mindestlohns, der Anfang 2015 in Kraft getreten ist: Aus Minijobs
wurden sozialversicherungspflichtige Stellen. Der bereits früher
eingeführte Bremer Landesmindestlohn habe sich statistisch zwar nicht
ausgewirkt, sagte Arbeitnehmerkammer-Geschäftsführerin Elke Heyduck, „aber
politisch hat er bestimmt viel bewegt, denn dadurch wurde im öffentlichen
Dienst die Debatte über Sinn und Unsinn von beispielsweise Minijobs
angetreten.“
Vom Mindestlohn profitieren vor allem Frauen, denn gerade in jenen Jobs,
die zu mehr als 50 Prozent von Frauen ausgeübt werden, ist der Anteil an
Minijobs besonders hoch – und hauptsächlich hier wurde der Mindestlohn in
der Vergangenheit unterschritten. Trotzdem: Die Einkommenslücke zwischen
Frauen und Männern beträgt in Bremen unverändert 25 Prozent: „In den
Bereichen Pflege, Erziehung und Sozialarbeit verdienen Arbeitnehmerinnen in
Bremen nicht einmal den über alle Berufe gemessenen Lohndurchschnitt“, so
Heyduck. „Dass solche Jobs so schlecht bezahlt werden, sollte der Bremer
Politik zu denken geben – in vielen Fällen ist sie verantwortlich für das
Lohngefüge dieser Branchen.“
Ihr Appell scheint auf wenig Gehör zu stoßen: Bremen wolle und müsse sich,
heißt es in einer Senats-Mitteilung zur aktuellen Bilanz der
Arbeitnehmerkammer, verstärkt um Ausbildungsplätze und die Integration von
Langzeitarbeitslosen bemühen. Darüber hinaus aber habe Bremen laut
Arbeitssenator Martin Günthner (SPD), „nicht nur als Wirtschaftsstandort
sondern auch als Arbeitsstandort eine große Ausstrahlungskraft weit in die
Region.“
Der 160-seitige „Bericht zur Lage der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“
ist als Heft bei der Arbeitnehmerkammer oder als pdf-Dokument im Internet
unter [1][www.arbeitnehmerkammer.de] erhältlich.
6 Apr 2016
## LINKS
[1] http://www.arbeitnehmerkammer.de
## AUTOREN
Simone Schnase
## TAGS
Arbeitnehmer
Minijob
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Lohnentwicklung
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Mindestlohn
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