# taz.de -- Bundesarbeitsgericht zum Mindestlohn: Der Trick mit den 12 Monaten | |
> Knausrige Arbeitgeber werden belohnt: Löhne dürfen unter 8,50 Euro | |
> liegen, wenn Urlaubs- und Weihnachtsgeld monatlich gezahlt werden. | |
Bild: Zwölf Mal im Jahr Weihnachten? Für MindestlohnempfängerInnen ist das e… | |
ERFURT taz | Urlaubs- und Weihnachtsgeld sind auf den gesetzlichen | |
Mindestlohn anrechenbar. Das entschied jetzt das Bundesarbeitsgericht im | |
ersten Grundsatzurteil zum seit 2015 geltenden Mindestlohngesetz. Der | |
Anwalt der Klägerin zeigte sich nach dem Urteil „erschüttert“. | |
Geklagt hatte eine 52-jährige Frau, die seit 1992 in der Cafeteria des | |
Klinikums Brandenburg/Havel arbeitet. Die Cafeteria wird von einer nicht | |
tarifgebundenen Tochtergesellschaft geführt. Diese Klinik Service Center | |
GmbH (KSC) hat insgesamt 355 Beschäftigte. Die 52-Jährige arbeitet Vollzeit | |
und bekommt dafür 1.391 Euro im Monat, was einem Stundenlohn von rund 8 | |
Euro entspricht. Sie freute sich über die Einführung des gesetzlichen | |
Mindestlohns von 8,50 Euro. Denn dann würde sie 1.473 Euro erhalten, dachte | |
sie, also 81 Euro mehr. Doch sie hatte sich zu früh gefreut. | |
Kurz bevor im Januar 2015 das Mindestlohngesetz in Kraft trat, schloss die | |
Geschäftsleitung von KSC mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung, | |
wonach künftig das Urlaubs- und das Weihnachtsgeld nicht mehr im Mai und | |
November ausgezahlt werden, sondern monatlich in je zwölf Teilen. So bekam | |
Frau L. knapp 116 Euro mehr pro Monat, was einen Verdienst von 1.507 Euro | |
ergab. KSC betonte, dass man damit das Mindestlohngesetz eingehalten habe, | |
obwohl kein Cent mehr bezahlt wurde. | |
Die Frau aus der Cafeteria wollte sich das nicht bieten lassen und klagte. | |
„Im Arbeitsvertrag steht, dass das Urlaubsgeld ‚zusätzlich‘ gezahlt wird… | |
betonte ihr Anwalt Simon Daniel Schmedes vor dem Bundesarbeitsgericht. Das | |
Urlaubsgeld decke den erhöhten finanziellen Bedarf im Sommer ab und das | |
Weihnachtsgeld belohne die Treue zum Unternehmnen. Die Betriebsvereinbarung | |
sei nichtig, weil sie dazu diene, das Mindestlohngesetz zu unterlaufen. | |
## Sonderleistungen gelten als Arbeitslohn | |
Der KSC-Anwalt entgegnete: „Es kommt nicht nur auf den Grundlohn an. | |
Entscheidend ist, dass das Gesamteinkommen dem Mindestlohngesetz | |
entspricht.“ Das Urlaubs- und das Weihnachtsgeld seien weitere Formen der | |
Bezahlung der Arbeitsleistung. Das Urlaubsgeld werde auch den Beschäftigten | |
bezahlt, die nicht in den Urlaub fahren. Und Weihnachtsgeld erhalte jeder | |
Mitarbeiter, nicht nur besonders treue Beschäftigte. | |
Das Bundesarbeitsgericht billigte jetzt das Vorgehen des | |
Klinikunternehmens. Der Arbeitnehmer habe zwar Anspruch auf den | |
Mindestlohn, dieser könne aber auch durch Sonderzahlungen wie das Urlaubs- | |
und Weihnachtsgeld „erfüllt“ werden, wenn diese „vorbehaltlos“ in jedem | |
Monat bezahlt werden, erklärte der Vorsitzende Richter Rudi Müller-Glöge. | |
Dem KSC-Beispiel werden nun wohl viele Unternehmen folgen und ebenfalls das | |
Urlaubs- und Weihnachtsgeld in 12 Raten aufteilen. Voraussetzung ist aber, | |
dass sie überhaupt solche Sonderleistungen zahlen. | |
Nach einer Umfrage des WSI-Tarifarchivs zahlen nur 43 Prozent der deutschen | |
Unternehmen Urlaubs- und 54 Prozent Weihnachtsgeld. Zudem muss der | |
Betriebsrat der Zwölftelung zustimmen oder der Arbeitnehmer einer Änderung | |
des Arbeitsvertrags. | |
Nicht verrechenbar sind Zuschläge für Nachtarbeit, erwähnte Richter | |
Müller-Glöge in seiner mageren Begründung. Was für Feiertagszuschläge gilt, | |
ließ er offen. | |
Am 29. Juni steht am Bundesarbeitsgericht das nächste Grundsatzurteil zum | |
Mindestlohn an. Dann wird entschieden, ob das Mindestlohngesetz auch für | |
Bereitschaftszeiten von Rettungssanitätern gilt. | |
Az.: 5 AZR 135/16 | |
25 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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