# taz.de -- Lohn bei Lieferdiensten in Berlin: „Nicht wertvoll, sondern illeg… | |
> DGB-Vorsitzende Doro Zinke mag es praktisch: Wenn bei Unternehmen wie | |
> Lieferdiensten der Mindestlohn nicht gezahlt wird, dann zieht sie | |
> Konsequenzen. | |
Bild: Es sind oft viele Treppen, die sie hinaufmüssen: Essenslieferant bei der… | |
taz: Frau Zinke, schaffe ich wertvolle Arbeitsplätze, wenn ich bei | |
Lieferdiensten wie Deliveroo und Foodora bestelle? | |
Doro Zinke: Wir wissen bisher ganz wenig über die Arbeitsbedingungen, dafür | |
ist das Geschäftsmodell zu neu. Theoretisch wäre hier Verdi zuständig, aber | |
die Leute sind noch nicht gewerkschaftlich organisiert. Vielleicht erfahren | |
wir ja durch diesen Artikel mehr. Meine Bitte an die Leser: Fragen Sie doch | |
bei der nächsten Essensbestellung einfach mal den Fahrer, was er als festen | |
Stundenlohn verdient. Und dann melden Sie uns das. | |
Ich kann Ihnen schon einmal sagen, dass den Fahrern bei einem der großen | |
Anbieter ein Stundenlohn von 7,50 Euro gezahlt wird. | |
Da kann ich schon mal sagen: Das ist nicht nur kein wertvoller | |
Arbeitsplatz. Das ist illegal. Der gesetzliche Mindestlohn liegt bei 8,50 | |
Euro. | |
Die Fahrer bekommen noch mindestens einen Euro zusätzlich pro Lieferung. | |
Es zählt aber nur der feste Stundenlohn. Solche Prämien sind auch eher | |
kritisch. Erinnern Sie sich an die Lastwagenfahrer, die früher | |
Kilometerprämien bezahlt bekommen haben. Da besteht die große Gefahr, dass | |
Ruhezeiten nicht eingehalten werden. | |
Aber Hand aufs Herz: Es sieht doch in der gesamten Gastronomie nicht besser | |
aus mit der Bezahlung, oder? | |
Es gibt in jeder Branche solide Unternehmen. Aber vor allem in der | |
Hotelbranche, in der Gastronomie, beim Bau und im Transportwesen gibt es | |
windige Vertreter. In der Gastronomie wird der Mindestlohn immer wieder | |
umgangen, indem Zeiten nicht aufgeschrieben werden oder Trinkgeld auf den | |
Lohn angerechnet wird. Das ist absolut illegal. | |
Ich verstehe die Forderung nach Löhnen, die eine vernünftige Rente | |
finanzieren. Bei Lieferdiensten wie Deliveroo und Foodora arbeiten aber vor | |
allem Studenten und Menschen, die gerade erst mit wenig Deutschkenntnissen | |
in Berlin angekommen sind. Die freuen sich doch über solche Jobs. | |
Und wo ziehen wir da die Grenze? Wenn der Student das Studium abgeschlossen | |
hat und der Migrant besser Deutsch kann, dann muss er sich einen neuen Job | |
suchen? Das ist doch unrealistisch. | |
Haben Sie nie für wenig Geld gejobbt? | |
Natürlich. Ich hatte neben dem Studium einen Putzjob in einem | |
Privathaushalt. Da war ich froh, dass es dort immer etwas zu essen gab, | |
weil ich dann nichts kaufen musste. Aber die Zeiten waren andere. Damals | |
konnte man relativ sicher sein, nach dem Studium besser zu verdienen. Heute | |
bleiben Menschen für Jahre in solchen prekären Arbeitsverhältnissen. Gerade | |
in Berlin. Die werden dann zu Aufstockern, und das bedeutet, dass mit | |
öffentlichen Geldern Niedriglöhne finanziert werden. | |
Und wenn sich das Geschäftsmodell für Lieferdienste nur rechnet, wenn sie | |
so wenig bezahlen? | |
Das halte ich für Quatsch. Diese Lieferdienste boomen doch. Meine | |
Empfehlung an die Arbeitgeber ist: Tut euch zusammen und schließt einen | |
Tarifvertrag ab. Dann halten sich alle an dasselbe Niveau und es gibt | |
keinen Preiskampf über die Lohnkosten. | |
Wer ahndet denn Verstöße gegen den Mindestlohn? | |
Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Dort kann man Hinweise melden und die | |
prüfen das. Leider bekommt davon allein noch kein Arbeitnehmer mehr Geld. | |
Im Moment muss jeder einzelne selbst für die Zahlung des gesetzlichen | |
Mindestlohns klagen. Wir setzen uns für ein Verbandsklagerecht ein, wie es | |
in anderen Ländern üblich ist. Dann können wir als DGB klagen. | |
Wenn nun in der taz steht, dass ein bestimmter Lieferdienst nur 7,50 Euro | |
Stundenlohn an seine Fahrer bezahlt, melden Sie das dann der | |
Finanzkontrolle? | |
Ja, das würde ich tun. Ich habe es nicht gern, wenn Gewerkschaften nur | |
jammern. Das Ganze muss auch praktisch werden. | |
Dieser Text ist Teil des Wochenendschwerpunkts in der taz.berlin zu | |
Lieferdiensten. Darin außerdem: Ein Essay und eine Reportage. Ab Samstag in | |
Ihrem Briefkasten und am Kiosk. | |
6 May 2016 | |
## AUTOREN | |
Manuela Heim | |
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