| # taz.de -- Kommentar Equal Care Day: Gleichheit endet nicht am Wickeltisch | |
| > Frauen machen viermal so viel Hausarbeit wie Männer. Höchste Zeit, dass | |
| > sich etwas ändert. Nicht nur am 29. Februar, sondern im Alltag. | |
| Bild: Haushaltsaffin? Mann mit Krawatte am Wäscheständer. | |
| Staub wischen, Küche wischen, Kinder bespaßen, Mutter pflegen. Wer macht | |
| mehr davon, Frauen oder Männer? | |
| Richtig. Frauen. [1][Und zwar vier Mal so viel, wie verschiedene Studien | |
| belegen]. Selbst die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit OECD | |
| hat sich mit dem „Equal Care Gap“, der Lücke der zwischen den Geschlechtern | |
| ungleich verteilten Haus- und Sorgearbeit, beschäftigt. | |
| Nun könnte man sagen: Frauen sind doch selbst schuld, wenn sie lieber | |
| Blumen gießen, statt sich in den Liegestuhl im Garten zu legen. Warum | |
| machen sie alles immer selbst und fordern ihren Partner nicht dazu auf, | |
| auch mal das Beet vom Unkraut zu befreien? Und außerdem: Sind Frauen nicht | |
| viel pingeliger in Sachen Staub, Kühlschrank, Spülmaschine? | |
| Mag sein, dass Frauen einen anderen Blick für Ordnung und Sauberkeit haben. | |
| Mag sein, dass manche Frauen die Wäsche daher besser selbst in den Schrank | |
| einsortieren. Mag auch sein, dass sie lieber das Geschirr wegstellen als | |
| die Wasserflaschen für die Geburtstagsparty der Tochter einzukaufen und | |
| diesen Weg lieber dem Mann überlassen. | |
| ## Jahrhundertealter gesellschaftlicher Erwartungsdruck | |
| Aber so einfach ist das nicht – wie so häufig bei Fragen des sozialen | |
| Verhaltens der Geschlechter. Denn hinter den alltäglichen Handlungen steckt | |
| ein jahrhundertealter gesellschaftlicher Erwartungsdruck an Frauen und | |
| Männer: Frauen haben für ein kuschliges Zuhause, für einen nett gedeckten | |
| Tisch und für wohlerzogene Kinder zu sorgen. Männer sind für die harten | |
| Dinge des Lebens zuständig, für ein fahrendes Auto, den gemähten Rasen, das | |
| gedeckte Konto. | |
| Seit Jahrzehnten debattieren Sozial- und Geschlechterforschung darüber, wie | |
| diese Rollenklischees und dieses Rollenverhalten aufgebrochen werden kann. | |
| Es gibt Initiativen und Gesetze, die dafür sorgen, dass Frauen genauso viel | |
| Geld wie Männer verdienen, wenn sie die gleiche Arbeit machen. Dass Frauen | |
| auch Chefinnen werden und Väter bei ihren Kindern sein können, ohne Stress | |
| mit ihrem Boss zu bekommen. All diese Vorhaben und Vorgaben sind Bausteine | |
| für Gleichstellung, im Berufs- wie im Privatleben. | |
| Die allerdings vielfach gebrochen wird durch die gelebte Realität. | |
| Viele Paare versuchen egalitär zu leben, sie teilen sich Haushalt und | |
| Sorgearbeit. Sie nehmen sich vor, sich nicht um Kinderbetreuung, Pflege der | |
| Mutter, Geld und den Staubsauger zu streiten. Manche Paare kriegen das hin | |
| – bis das erste Kind kommt. Dann nämlich zeigen sich die ersten | |
| gesellschaftlichen Zwänge: fehlende Kitaplätze, unterschiedlicher Verdienst | |
| zwischen Frauen und Männern, Firmen, die Elternschaft nach wie vor als | |
| Privatheit definieren. Mit dem zweiten Kind ist es dann vollends vorbei mit | |
| der gerechten Verteilung der Aufgaben von Pflege und Sorge. | |
| Dass darauf der neue Equal Care Day aufmerksam machen will, ist angemessen | |
| und nötig. Allerdings könnte der Tag leicht in Vergessenheit geraten, weil | |
| er nur alle vier Jahre in einem Schaltjahr stattfinden soll. Mit dem Equal | |
| Care Day am 29. Februar ist es wie mit dem Frauentag am 8. März: Solange | |
| solch ein Tag eine Alibifunktion erfüllt, ist er für die Katz. Er muss mit | |
| Leben gefüllt werden. Und das am besten jeden Tag. | |
| 29 Feb 2016 | |
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| ## AUTOREN | |
| Simone Schmollack | |
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