# taz.de -- Equal Care Day im Schaltjahr: Vier Jahre nacharbeiten, die Herren! | |
> Bad putzen, Staub wischen, Kinder bespaßen, Mutter pflegen: Frauen machen | |
> viermal so viel Sorgearbeit wie Männer. | |
Bild: Das bisschen Haushalt... | |
BERLIN taz | Bis zu 80 Prozent der Haus- und Pflegearbeit erledigen laut | |
einer Statistik der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) | |
Frauen. Oder um es anders auszudrücken: Frauen arbeiten viermal so viel wie | |
Männer. Unsichtbar und unbezahlt. Frauen verwenden selbst dann mehr Zeit | |
fürs Putzen auf, wenn beide Partner Vollzeit arbeiten und kinderlos sind. | |
„Während Frauen schon im Jahr 2016 sind, arbeiten Männer noch 2012 auf“, | |
sagt Almut Schnerring. Die Autorin aus Bonn und ihr Kollege und Partner | |
Sascha Verlan beklagen diese Lücke von immerhin vier Jahren und haben sich | |
den sogenannten [1][Equal Care Day ausgedacht]: der Tag, an dem auf die | |
zwischen den Geschlechtern ungleich verteilte Sorgearbeit aufmerksam | |
gemacht werden soll. | |
Ähnlich dem Equal Pay Day, der die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern | |
anprangert und seit 2008 jedes Jahr um den 19. März herum begangen wird. | |
Bis zu diesem Tag müssen Frauen über das Jahr hinaus länger arbeiten, um | |
statistisch gesehen endlich genauso viel Geld verdient zu haben wie Männer. | |
Die Lohnlücke in Deutschland beträgt rund 22 Prozent. Vernachlässigt man | |
Kinderzeiten, Teilzeitjobs, Pflegephasen und Führungsposten, in denen | |
Frauen seltener zu finden sind, bleibt immer noch eine Gehaltsdifferenz von | |
7 Prozent. | |
Bei der Haus-, Pflege- und Sorgearbeit beträgt das Verhältnis 4 zu 1, vier | |
Jahre gegen 1 Jahr. Deshalb soll der Equal Care Day nach der Vorstellung | |
von Schnerring und Verlan auch nur alle vier Jahre stattfinden, in jedem | |
Schaltjahr am 29. Februar. Das erste Mal also heute.Der Equal Care Day soll | |
aber kein Tag sein, an dem mal der Mann alle Arbeiten übernimmt – so wie | |
das mitunter am 8. März zum Frauentag geschieht: Alibi-Wertschätzung der | |
Frau, indem der Ehemann morgens den Kaffee ans Bett bringt und der Chef | |
Blumen schenkt. | |
## Bunte Geschlechterklischees | |
„Wir wünschen uns mehr Aufmerksamkeit für jegliche berufliche wie private | |
Sorgearbeit“, sagt Schnerring: Kinderbetreuung, Altenpflege, | |
Putztätigkeiten. „Denn leider bekommt man mit der Arbeit mit und an | |
Maschinen derzeit mehr Lohn und mehr Wertschätzung als mit jener, bei der | |
Menschen im Mittelpunkt stehen.“ | |
Sorge- und Hausarbeit ist in der Regel mit bunten Klischees belegt: Frauen | |
machen mehr, weil sie pingeliger sind. Männer sehen manchen Schmutz nicht, | |
weil er sie nicht stört. Frauen gießen Blumen, dafür mähen Männer den | |
Rasen, was körperlich viel anstrengender ist. Vor solchen undifferenzierten | |
Rollenzuschreibungen warnen Schnerring und Verlan. „Es geht uns nicht um | |
Schuld“, sagt Schnerring, „weder ist der Mann schuld daran, dass er den | |
Dreck später bemerkt als seine Frau. Und sie kann nichts dafür, wenn er | |
meint, sie habe mal wieder nicht die richtigen Getränke eingekauft.“ | |
Hinter diesem Verhalten verbergen sich vielmehr tradiertes Rollenverhalten, | |
Hunderte von Werbebotschaften und der nach wie vor existierende | |
gesellschaftliche Erwartungsdruck an Frauen. „Sie haben gelernt, dass sie | |
für die Kinder, ein gemütliches Zuhause und das Bioessen zuständig sind“, | |
sagt Schnerring. | |
Manche Medien verstärken mitunter solche Botschaften. Während | |
Familienministerin Manuela Schwesig dafür gescholten wird, dass sie wegen | |
ihrer konsequenten Familienzeit ihr Ministerium vernachlässige, wird | |
Vizekanzler Sigmar Gabriel (beide SPD) dafür gelobt, weil er zwei Tage bei | |
seiner kranken Tochter bleibt. | |
Dass Männer bei der Sorgearbeit eine untergeordnete Rolle spielen, nennt | |
die Berliner Gender-Professorin Christina Bauhardt „bedenklich“. Denn die | |
Sorge für andere Menschen sei nicht nur individuelle Last, sondern berge im | |
Gegenteil eine ökonomische Chance: Wem gleichermaßen das eigene Wohlergehen | |
und das anderer am Herzen liege, der würde auch egalitärer wirtschaften. | |
28 Feb 2016 | |
## LINKS | |
[1] http://equalcareday.de/ | |
## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
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