| # taz.de -- Marketing nach Geschlecht: Rosa ist teurer als blau | |
| > Friseurbesuche, Kosmetika, Kuscheltiere: Viele Produkte werden nach | |
| > Geschlecht vermarktet. Dabei zahlen Frauen meist drauf. In Frankreich | |
| > gibt es Protest. | |
| Bild: In zehn Tagen schlanker: Frauen zahlen 21 Prozent mehr als Männer. | |
| PARIS ap | Friseure tun es. Reinigungen tun es, ebenso Drogerien und | |
| Kaufhäuser. Die Frage ist nur: Warum? In Frankreich will der Staat nun | |
| klären, wieso Frauen offenbar mehr für einige Waren und Dienstleistungen | |
| bezahlen müssen als Männer. Auf Betreiben von Frauenrechtlerinnen hat das | |
| Wirtschaftsministerium des Landes eine Studie gestartet. Diese soll klären, | |
| ob diese Preisunterschiede tatsächlich existieren, was die möglichen Gründe | |
| dafür sind und welche Bereiche besonders betroffen sind. | |
| Die nicht-repräsentativen Ergebnisse einer Umfrage aus Paris: Ein | |
| Haarschnitt für Frauen kostet 43 Euro, Männer bezahlen 26 Euro. Für einen | |
| Deo-Roller müssen Frauen 2,04 Euro zahlen, Männer 1,96 Euro. Rasierschaum | |
| in einer rosafarbenen Dose kostet 2,87 Euro, das blaue Pendant für Männer | |
| 2,39 Euro. | |
| „Ehrlich gesagt habe ich das so wie viele andere Frauen auch bemerkt, aber | |
| mich nicht weiter darum gekümmert“, sagte die französische Ministerin für | |
| Frauenfragen, Pascale Boistard. „Das ist eine Tatsache, die sich im Alltag | |
| wiederholt mit Produkten, die weit verbreitet sind. Am Ende des Jahres | |
| kommt über die Ungleichheiten eine Summe zusammen, die nicht zu | |
| vernachlässigen ist.“ | |
| In New York und im US-Staat Kalifornien sind Praktiken bereits verboten, | |
| bei denen Produkte und Leistungen je nach Geschlecht unterschiedlich | |
| bepreist werden. In Kalifornien droht Firmen bei Verstößen ein Bußgeld bis | |
| zu 4.000 Dollar. In New York hat es bei Überprüfungen von Kosmetikstudios | |
| allerdings auch gegenläufige Befunde gegeben: Dort müssen Männer für | |
| Maniküre, Pediküre und Enthaarung mehr bezahlen als Frauen. | |
| ## Frauen zahlen 1.000 Euro drauf | |
| Die EU schreibt ihren Mitgliedsstaaten eine Gesetzgebung vor, die | |
| sicherstellt, dass Männer und Frauen gleich behandelt werden. Ins Detail | |
| geht sie dabei allerdings kaum. | |
| In Frankreich haben Aktivistinnen solche Preisunterschiede nun satt. Als | |
| Namen für ihre Organisation haben sie [1][Georgette Sand] gewählt, jene | |
| Schriftstellerin, die sich den männlichen Vornamen George gab, um von der | |
| Öffentlichkeit ernst genommen zu werden. | |
| In [2][ihrem Fotoblog] veröffentlicht die Gruppe Produkte, die je nach | |
| Geschlecht der Zielgruppe unterschiedliche Preise haben – angefangen bei | |
| Schmerzmitteln, Gesichtslotion bis hin zu Pfefferspray. Sogar die Kleinsten | |
| sind schon betroffen: Ein rosa Plüschbär kostet acht Cent mehr als sein | |
| blauer Artgenosse. | |
| Die Gruppe wurde inspiriert von einer Studie der Regierung des US-Staats | |
| Kalifornien. Diese kam zu dem Ergebnis, dass amerikanische Frauen jährlich | |
| im Schnitt 1.300 Dollar (rund 1.000 Euro) mehr als Männer für die gleichen | |
| Produkte bezahlen. Bereits im Jahr 2010 waren Verbraucherstudien zu | |
| ähnlichen Ergebnissen gelangt. | |
| ## Unternehmen dementieren | |
| „Es ist ein erster Erfolg, wenn sich die Menschen hinterfragen und in den | |
| Geschäften die Preise vergleichen“, sagt Gaelle Couraud von Georgette Sand. | |
| „Wir fordern ein Ende des Gender-Marketings, damit die Preise nicht vom | |
| Geschlecht des Käufers, sondern von der Funktion des Produkts oder der | |
| erbrachten Dienstleistung abhängen.“ | |
| Monoprix, eine der französischen Ketten, die ins Visier der Gruppe geraten | |
| ist, bestreitet, dass die Preisunterschiede etwas mit dem Geschlecht der | |
| Kunden zu tun haben. „Die Unterschiede bei den Preisen zwischen Produkten | |
| für Frauen und Männer können mit ihren spezifischen Charakteristika und | |
| ihrem Verkaufsvolumen erklärt werden“, teilte die Firma in einer Antwort | |
| [3][auf eine Petition] mit, die von 40.000 Menschen unterschrieben worden | |
| war. | |
| Der Chef der Kosmetikfirma L'Oreal ging noch einen Schritt weiter und | |
| stellte den Sachverhalt grundsätzlich infrage. Auf einer Pressekonferenz an | |
| dem Tag, als die Regierung ihre Studie ankündigte, sagte er, er denke, dass | |
| die Menschen da etwas erfänden. Und Fabien Provost von der Friseurkette | |
| Franck Provost verwies darauf, dass es keinen Sinn habe, Männer und Frauen | |
| die gleichen Preise zu berechnen, weil sie ganz andere Dienstleistungen | |
| erhielten. | |
| ## Gerechtigkeit und Normalität | |
| Die französische Anwältin Helene Masse-Dessen, die an einer EU-Studie zur | |
| Umsetzung der Gleichbehandlung von Geschlechtern gearbeitet hat, sagt, die | |
| Preisunterschiede könnten unter die Antidiskriminierungsgesetze in | |
| Frankreich fallen. Sie verweist auf ein Urteil, wonach | |
| Versicherungsbeiträge etwa bei Autoversicherungen für Männer und Frauen | |
| nicht unterschiedlich sein dürfen. Es gebe rechtliche Mittel, gegen die | |
| Preisdifferenzen vorzugehen, sagt sie und fügt an: „Es ist nicht einfach, | |
| aber es gibt sie.“ | |
| Frauenministerin Boistard hofft, dass die Regierungsstudie bereits Anfang | |
| 2015 erste Ergebnisse liefere. „Die Männer haben Angst, dass wir dann die | |
| Preise für sie erhöhen“, sagt sie. „Aber wir hoffen, dass wir mehr | |
| Gerechtigkeit und Normalität in die Sache bringen können.“ Frauen seien | |
| Verbraucherinnen und Bürgerinnen, und die Wirtschaft habe ein Interesse | |
| daran, die Ungerechtigkeiten zu beseitigen, die sie beträfen. Und die | |
| Ministerin hofft: „Es gibt Dinge, die können ohne Gesetz und ohne Zwang | |
| beigelegt werden.“ | |
| 21 Nov 2014 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.georgettesand.org/ | |
| [2] http://womantax.tumblr.com/ | |
| [3] http://www.change.org/p/monoprix-stop-aux-produits-plus-chers-pour-les-femm… | |
| ## AUTOREN | |
| Lori Hinnant | |
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