# taz.de -- Reform der Versicherungen: „Rette dich vor Unisex!“ | |
> Bald gibt es für Frauen und Männer einheitliche Tarife bei | |
> Versicherungen. Die werden damit für ein Geschlecht teurer, für das | |
> andere aber nicht unbedingt billiger. | |
Bild: Da geht's lang zum Unisex-Tarif. | |
BERLIN taz | „Männer, aufgepasst!“ „Rette dich vor Unisex!“ „Beiträ… | |
steigen um bis zu 40 Prozent!“ Die Versicherungen schlagen Unisex-Alarm. Ab | |
21. Dezember müssen alle Versicherungen ihre Tarife für Männer und Frauen | |
einheitlich gestalten. Wer vorher eine Police abschließt, kann noch von den | |
alten Tarifen profitieren. In vielen Fällen, so bei Kranken- oder | |
Rentenversicherung, können Männer also mit einem schnellen Abschluss zu den | |
alten Konditionen Geld sparen. | |
So wird eine private Pflegeversicherung, wie sie Gesundheitsminister Daniel | |
Bahr ab dem nächsten Jahr fördern will, für Männer ab Ende Dezember teurer. | |
Denn bisher wurde einkalkuliert, dass Frauen meist länger pflegebedürftig | |
sind als Männer, weshalb sie bislang auch mehr einzahlten. Diese Beiträge | |
werden in Zukunft angeglichen. | |
Männer, die jetzt noch schnell abschließen, zahlen noch den alten, | |
günstigeren Tarif. Bei der Allianz zahlt ein 50-Jähriger für einen | |
Tagessatz von 60 Euro im Fall der Pflegebedürftigkeit im Moment noch 29 | |
Euro weniger im Monat als eine gleichaltrige Frau: Er zahlt noch 42 Euro, | |
sie 71 Euro. | |
Bei den Versicherungen, in denen Männer ein höheres Risiko eingehen, wird | |
es hingegen in Zukunft für Frauen teurer: Eine Risikolebensversicherung mit | |
einer Leistung von 100.000 Euro kostet eine 45-jährige Frau bei der Allianz | |
bisher 19 Euro im Monat, ein Mann dagegen zahlt 27 Euro. Auch die | |
Unfallversicherung wird für Frauen teurer. | |
Die neuen Tarife sind noch nicht bekannt. Doch die Versicherungen weisen | |
darauf hin, dass sich der neue Unisex-Tarif nicht einfach in der Mitte | |
zwischen bisherigem Frauen- und Männertarif bewegen wird. „Den | |
Mathematikern wurde ein einfacher und aussagekräftiger Faktor weggenommen“, | |
sagt eine Sprecherin des Allianz-Konzerns. „Jetzt müssen sie neue Merkmale | |
finden, von denen sie nicht wissen, wie sie funktionieren werden. Deshalb | |
werden finanzielle Sicherheitspuffer eingebaut.“ | |
## Geschlecht nur ein Faktor | |
Das Ergebnis: Für das eine Geschlecht wird es teurer, für das andere wird | |
es aber nicht um denselben Betrag billiger. Susanne Meunier vom | |
Verbrauchermagazin Finanztest warnt die KundInnen vor Aktionismus: „Die | |
Versicherungen suggerieren Handlungsbedarf. Aber es gibt keinen.“ Zwar | |
würden die Tarife nach dem 21. Dezember sicher zunächst für das eine oder | |
das andere Geschlecht teurer. „Aber durch den Wettbewerb schleift sich das | |
wieder ab“, schätzt die Expertin. | |
Die Entscheidung etwa für eine private Krankenversicherung solle man auf | |
keinen Fall überstürzt treffen. „Private Krankenversicherungen werden im | |
Alter und auch bei Familiengründung teuer“, gibt Meunier zu bedenken. Es | |
gebe aber auch übersichtlichere Versicherungen, bei denen man noch | |
zuschlagen könne: Risikolebensversicherungen etwa seien im Moment noch für | |
Frauen billiger. „Und diese Versicherung sollte jeder haben, der für andere | |
sorgt.“ | |
Unterschiedliche Tarife für Männer und Frauen sind schon in der | |
EU-Antidiskriminierungsrichtlinie 113 aus dem Jahr 2004 verboten worden, | |
doch konnten die Länder Ausnahmen erlauben, wenn das Geschlecht ein | |
„bestimmender Faktor“ bei der Risikobewertung ist. | |
Im März 2011 hat der Europäische Gerichtshof geurteilt, dass diese | |
Ausnahmeregelungen nicht über das Jahr 2012 hinaus fortgeschrieben werden | |
dürfen. Die Berichterstatterin für den Prozess, die Juristin Juliane | |
Kokott, argumentierte, dass man Versicherungsrisiken auch nicht an | |
ethnischer Herkunft oder Hautfarbe festmachen dürfe. Das | |
Antidiskriminierungsverbot wiege schwerer als das Bedürfnis der | |
Versicherungen, einfache Gruppen für ihre Prognosen zu bilden. | |
Denn eine längere Lebensdauer oder ein riskanteres Fahrverhalten ließen | |
sich auch an anderen Kriterien festmachen. So könnten männliche Beamte | |
länger leben als Arbeiterinnen, und Polizistinnen seien auch nicht weniger | |
gefährdet als Polizisten. Das Kriterium Geschlecht sei also nur ein | |
„Ersatzkriterium“, weil es so schön einfach zu erfassen sei, meint Kokott. | |
## Werden Männer schlechtergestellt | |
Einige Medien sehen die Männer schlechtergestellt und die | |
Wettbewerbsfähigkeit der Branche in Gefahr. „Der horrende Preis der | |
Gleichmacherei“, titelt das Manager Magazin. „Blinde Gleichmacherei“ sieht | |
die Rheinische Post. Die neuen Tarife „werden uns aufgezwungen“, schreibt | |
das Boulevardblatt BZ. | |
Die Frankfurter Allgemeine schließlich sieht, ganz im Einklang mit dem | |
Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft, einen Exodus der | |
Männer aus den Rentenversicherungen kommen. Sie würden andere Produkte den | |
verteuerten Tarifen vorziehen. Dann würden Frauen mit ihren höheren Risiken | |
die Unisex-Rente dominieren und damit die statistische Basis verändern. | |
Weil nun die Durchschnittsversicherte länger lebt, wird der Tarif für alle | |
teurer – „adverse Selektion“ nennt sich das im Versicherungsdeutsch. | |
„Für diesen Effekt planen die Versicherungen Sicherheitspolster ein“, | |
erläutert Susanne Meunier von Finanztest. „Doch es ist nicht klar, ob nun | |
wirklich viele Versicherte ihre Akten durchgehen und den Tarif tatsächlich | |
wechseln.“ Deshalb könnten die Prämien bald wieder sinken. | |
5 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
Heide Oestreich | |
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