# taz.de -- Juristin über Unisex-Versicherungen: „Die Rente differenziert au… | |
> Dass Männer bei Versicherungen für Frauen mitzahlen, findet die Juristin | |
> Astrid Wallrabenstein nicht diskriminierend. Unisex-Tarife gebe es | |
> überall. | |
Bild: Frauen pflegen oft ihre Männer, bevor sie dann selbst Hilfe brauchen | |
taz: Frau Wallrabenstein, hat Ihr Mann noch schnell eine private | |
Krankenversicherung abgeschlossen? | |
Astrid Wallrabenstein: Mein Mann ist in der gesetzlichen | |
Krankenversicherung. Aus Überzeugung. | |
Männer sollen für Frauen mitbezahlen. Da wird gleichbehandelt, was ungleich | |
ist. Ist das Diskriminierung? | |
Wenn man die Geschlechter in der Versicherung erfasst, dann sind mal die | |
Männer günstiger und mal die Frauen. Die Frage ist: Will man solche | |
Unterschiede beachten oder nicht? Das ist eine politische Entscheidung. Die | |
EU hat in ihrer Gleichstellungsrichtlinie bestimmt, dass Frauen und Männer | |
den gleichen Zugang zu Dienstleitungen haben sollen. | |
Die Versicherer fürchten die „adverse Selektion“, dass also die Frauen in | |
die billige neue Rentenversicherung gehen und die Männer aus ihr fliehen. | |
Dann wird die Versicherung, weil auf der neuen Grundlage kalkuliert wird, | |
wieder teurer. | |
Wohin sollen die Männer denn fliehen? Unisex gibt es dann doch überall. Es | |
wird beim Übergang ruckeln: Krankenversicherungen mit vielen Frauen unter | |
den Mitgliedern werden einen teureren Tarif errechnen als solche mit mehr | |
Männern, weil sie mit einem massenhaften Wechsel ihrer Bestandskundinnen in | |
den neuen Tarif kalkulieren müssen. Aber das gleicht sich mit der Zeit an. | |
Die Allianz gibt Zahlen bekannt, nach denen ein Mann in der | |
Pflegezusatzversicherung jetzt noch um knapp 30 Euro billiger dran ist als | |
eine Frau. Da würde ich auch nervös als Mann. | |
Das ist der Tarif von heute. Die neuen Tarife sind ja noch gar nicht | |
veröffentlicht. Die Pflegezusatzversicherung ist, davon abgesehen, eine | |
Fehlkonstruktion. Die Reichen könnten ihre Pflegekosten später ja selbst | |
zahlen, die Versicherung begünstigt nur ihre Erben. Aber die Armen, die sie | |
brauchen würden, werden keine abschließen. | |
Aber Frauen werden länger gepflegt als Männer. | |
Das ist ein Irrtum. Die Männer werden auch lange gepflegt. Aber raten Sie | |
mal, von wem. Die Frauen zahlen im Moment eine höhere Versicherung dafür, | |
dass sie erst jahrelang ihren Mann pflegen und seine Versicherung damit | |
schön billig halten. Und weil kein Mann sie pflegt, werden sie plötzlich | |
„teuer“. Das Gerechtigkeitsproblem liegt hier doch nicht in gleichen | |
Tarifen! | |
Aber in der Rentenversicherung gibt es Unterschiede: Frauen leben länger. | |
Ja und? In der gesetzlichen Rente wird auch nicht nach Geschlecht | |
differenziert, und es stört keinen. Wie soll ich es sagen: In Europa sind | |
wir übereingekommen, dass die Geschlechter gleichbehandelt werden. Wir | |
differenzieren auch in der Haftpflichtversicherung nicht nach | |
Nationalitäten, obwohl bekannt ist, dass bestimmte Nationen | |
unfallträchtiger fahren. In Europa werden sie trotzdem gleichbehandelt. So | |
ist es auch mit Frauen und Männern. Ein Mann, der nicht für Frauen | |
mitzahlen will, muss auswandern. Und zwar ziemlich weit weg. | |
Also sollte ich als Mann nun noch schnell eine private Rentenversicherung | |
abschließen? | |
Das können Sie halten, wie Sie wollen. Jetzt wollen die Versicherungen gern | |
noch ein paar Extraabschlüsse mitnehmen, deshalb die aggressive Werbung. | |
Ich wette, dass dieses Geschrei punktgenau am 21. Dezember verstummen wird | |
– und es danach auch wieder viele attraktive Angebote geben wird. Denn | |
danach wollen die Versicherungen wieder Abschlüsse generieren, da wird | |
ihnen schon etwas einfallen. Und ich garantiere Ihnen: Sie werden nicht so | |
schlimm aussehen, wie es jetzt den Anschein hat. | |
5 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
Heide Oestreich | |
Heide Oestreich | |
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