| # taz.de -- Kultur wird elitär gemacht: Eintritt frei! | |
| > Warum bei uns so wenige Kulturinstitutionen eine demokratische | |
| > Eintrittspolitik hinbekommen – und Menschen durch Preise abschrecken. | |
| Bild: Wie Supermarkt nur umgekehrt: Der Weg zur Kultur führt meist erst an der… | |
| Man kann die Menschen in Deutschland in drei Gruppen einteilen: Etwa 50 | |
| Prozent sind so genannte „Nie-Besucher“ kultureller Einrichtungen, 40 | |
| Prozent sind „Gelegenheitsbesucher“ und nur zehn Prozent sind | |
| „Kernbesucher“. Das geht aus einer Metastudie des Hildesheimer | |
| Kulturforschers Thomas Renz hervor, die sich auf Daten über die | |
| Besuchshäufigkeit stützt. | |
| Doch werden Museen oder Theater nicht gerade deshalb staatlich gefördert, | |
| weil sich ihr Bildungsauftrag an alle richtet? Und woran liegt es, dass so | |
| viele Menschen diesen Orten fernbleiben? | |
| Ein naheliegender Grund ist, dass die Teilnahme am Kulturleben meistens | |
| Geld kostet. Manchmal sogar richtig viel. „Ein Opernbesuch kann nicht | |
| billiger als Kino sein,“ sagt Michael Bellgardt, Leiter der | |
| Öffentlichkeitsarbeit der Staatsoper Hamburg: „Man muss die | |
| Verhältnismäßigkeit sehen, was an Arbeit dahinter steckt: Ein | |
| Live-Orchester, ein Live-Chor, Live-Solisten und viele weitere Akteure | |
| arbeiten für eine erfolgreiche Vorstellung. Das hat seinen Preis.“ | |
| Weil dieser Preis für manche zu hoch ist, gibt es ehrenamtliche | |
| Organisationen wie Kulturlogen, ohne deren Hilfe viele Menschen vor | |
| verschlossenen Theatertüren stünden. Für Arbeitslose zum Beispiel sei es | |
| sehr schwer, Geld für kulturelle Veranstaltungen aufzubringen, sagt der | |
| Musiker und Kommunikationsdesigner Max Ciolek aus Osnabrück. „Wenn ich so | |
| wenig Geld habe, muss ich gucken, wie ich über die Runden komme. Da bleibt | |
| nichts für Kultur über.“ | |
| Ciolek hat in Osnabrück für die Einführung des Kulturpasses „Kukuk“ | |
| gekämpft, weil ihm das Angebot an ermäßigten Tickets viel zu | |
| unübersichtlich und unbekannt erschien. Selbst ermäßigte Eintrittspreise | |
| von 8 Euro seien für viele Menschen noch zu teuer, meint er. | |
| Ein Blick nach Großbritannien zeigt, dass es auch anders gehen könnte: Seit | |
| 2001 kosten die staatlichen Museen dort keinen Eintritt. „Die Museen | |
| verzichten auf eine gewisse Summe an Eintrittsgeldern, erreichen aber viel | |
| mehr Leute“, sagt Herbert Mondry, Vorsitzender des Berufsverbandes | |
| Bildender Künstlerinnen und Künstler in Deutschland. Die britischen Museen | |
| seien „viel stärker im Zentrum der Gesellschaft“. | |
| Mondry hält das deutsche System für falsch. Die Politik verlange von | |
| staatlich geförderten Museen, dass sie selbst dazu beitragen, sich zu | |
| finanzieren, und schaffe somit Anreize, mehr Eintrittserlöse zu generieren. | |
| „Der Bildungsauftrag kann doch aber nicht darin bestehen, pro Monat 200 | |
| Busladungen voller Touristen durch die Museen zu schleusen“, sagt er. „Die | |
| Menschen vor Ort sollten die Basis bilden, egal ob sie es sich leisten | |
| können oder nicht.“ | |
| Die Politik reicht den Schwarzen Peter weiter an die Museen. „Viele | |
| Hamburger Museen wie die Kunsthalle und die Historischen Museen sind als | |
| öffentlich rechtliche Stiftungen organisiert. Sie können selbstständig | |
| darüber bestimmen, wie die Museen mit ihrem Geld umgehen und wie sie den | |
| Bildungsauftrag am besten umsetzen. Als Behörde schreiben wir ihnen das | |
| nicht vor“, sagt Enno Isermann, Pressesprecher der Hamburger Kulturbehörde. | |
| Die Museen jedoch wollen auf das Geld nicht verzichten. „Die meisten Museen | |
| haben gar keine finanziellen Spielräume bei den Eintrittspreisen, auch wenn | |
| sie ihre Häuser gerne unentgeltlich öffnen würden,“ sagt Eckart Köhne, der | |
| Präsident des deutschen Museumsverbandes. | |
| In Hannover kosten die Museen wenigstens freitags keinen Eintritt. Bei | |
| Sprengel Museum, Kunstverein und Historischem Museum ist das schon länger | |
| so, Anfang des Jahres folgte die Kestnergesellschaft. Hans Lochmann, Chef | |
| des Museumsverbandes für Niedersachsen und Bremen, sieht das als | |
| Möglichkeit, neue Zielgruppen zu erschließen: „Gerade an einem | |
| besucherschwachen Tag wie dem Freitag hat das Sinn.“ | |
| Was passieren kann, wenn „Nie-Besucher“ von Kulturveranstaltungen zu | |
| „Kernbesuchern“ werden, berichtet Kulturpass-Initiator Ciolek: „Vor einig… | |
| Zeit beantragte ein syrisches Pärchen in relativ gebrochenem Deutsch bei | |
| uns den Kulturpass. Als sie nach einem halben Jahr wiederkamen, waren wir | |
| total überrascht, als die Frau uns in fast perfektem Deutsch berichtete, | |
| dass ihr Mann selbst in einer Theatergruppe mitwirke und ein Theaterstück | |
| über Flüchtlinge geschrieben hat, das hier auf einem lokalen | |
| Theaterfestival vorgeführt wurde.“ | |
| 11 Dec 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Morten Luchtmann | |
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