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# taz.de -- Kunsthalle im neuen Design: Tiefblau und unerhört golden
> Hamburgs Kunsthalle eröffnet nach 17-monatiger Grundsanierung neu. Und
> präsentiert sich hochherrschaftlich und volksnah zugleich
Bild: Und im Zentrum wartet Immanuel Kant: sonnengelber Kuupelsaal der Kunsthal…
Hamburg taz | Großzügig, lichtdurchflutet, Alsterblick: Mit dem Vokabular
der Immobilienbranche preist Hamburgs Kunsthallendirektor Hubertus Gaßner
sein frisch renoviertes Haus. In der Tat atmet das nach 17-monatiger
Renovage wieder eröffnende Museum den Geist jener großbürgerlichen Schicht,
die es 1869 gründete und die jetzt die Sanierung bezahlte:
Otto-Versand-Unternehmersohn und ECE-Einkaufszentren-Chef Alexander Otto
und seine Frau Dorit haben die Renovierung mit 15 Millionen Euro
ermöglicht. Da wollen sie sich auch ein bisschen wie zu Hause fühlen.
Schon immer, sagt Kunsthistorikerin Dorit Otto, habe ihr der beengte
Eingang am Hauptbahnhof missfallen, der nicht zu einer so bedeutenden
Sammlung mit 700 Jahren Kunstgeschichte passe. Die musste man seit 1919
durch einen Seiteneingang der klassizistischen Rotunde betreten, die Fritz
Schumacher neben den Gründungsbau gesetzt hatte.
Initiiert hatte den Anbau der erste Kunsthallendirektor Alfred Lichtwark,
und die Verhuschtheit des „Lieferanteneingangs“ war kein Zufall: Der
Reformpädagoge und Volksbildner Lichtwark muss zeitlebens mit dem
großbürgerlichen Neorenaissance-Gründungsbau und seinem opulenten
Kuppelsaal gehadert haben, der das Volk einschüchterte.
Wohl deshalb hat er die klassizistische Rotunde als Gegenentwurf, als
„Kuppel fürs Volk“ in Auftrag gegeben. Denn Lichtwark wollte kein Museum,
„das dasteht und wartet“, sondern eins, „das tätig in die künstlerische
Erziehung unserer Bevölkerung eingreift“. Er wollte Kunst unters Volk
bringen, und dafür sollte sie auf Augenhöhe daherkommen: sachlich-kühl,
basisdemokratisch, partizipativ.
Damit scheint es jetzt vorbei, denn die Rückverlegung des Eingangs in den
Gründungsbau bedeutet gesellschaftspolitisch einen Schritt zurück: hin zur
Repräsentation, vielleicht auch zu einer erhöhten Hemmschwelle. Denn wer
geht schon ohne Scheu in ein Foyer, das aussieht wie im Hotel Adlon?
Ganz abgesehen davon, dass der alte, neue Eingang nicht an einem
großzügigen Platz liegt, sondern am Fuße des massiven Granitsockels, den
Oswald Mathias Ungers der 2007 eröffneten weiß-quadratischen Galerie der
Gegenwart vorgeschaltet hatte. Damals war der alte Eingang sprichwörtlich
in der Versenkung verschwunden, und das konnte auch die Otto’sche Renovage
nicht wettmachen: Dieser Teil der Baugeschichte ist nicht zu klittern, und
so sieht man vom neuen Foyer aus nicht nur die Alster, sondern vor allem
den Sockel und den Ungers-Bau.
Richtig ist allerdings auch, dass man sich jetzt nicht mehr durch einen
engen Garderobenschlauch am Eingang quetscht, bevor man zur Kasse kommt –
falls man sie überhaupt findet. Das ist jetzt entzerrt und – wie sämtliche
Abteilungen – klar ausgeschildert. Wobei die ultramodern minimalistischen
Piktogramme eigenartig kontrastieren mit dem düsteren Treppenhaus von 1869.
Um dessen deprimierenden Pomp erträglich zu machen, haben die Renovierer
den ersten folgenden Raum blendend weiß getüncht und mit der Buntheit der
1950er-Jahre vollgehängt.
Ein schriller Auftakt; eigenartig außerdem, dass Hans Makarts
riesig-theatralisches Schlachtengemälde „Einzug Kaiser Karls V. in
Antwerpen“ von 1878, das Hamburger Bürger einst stolz erwarben, nicht mehr
da ist. Die Antwort ist so schlicht wie irritierend: Man hat es, da zu groß
zum Abhängen, eingemauert, hat diese Ikone der Gründerzeit hinter der Wand
versteckt. Eine Entscheidung, die umstritten war, denn immerhin übertüncht
man hier gleich zu Beginn des – ansonsten chronologischen – Rundgangs
Kunsthallengeschichte.
Und das nicht einmal konsequent, denn der Umbau an sich atmet schon das
Pathos voriger Jahrhunderte. Warum also bekennt man sich nicht zu diesem
Relikt? Man weiß es nicht, und natürlich gibt es noch eine Tapetentür zum
Makart; vielleicht wird man ihn dereinst wieder in Szene setzen.
Apropos: „Inszenieren“ ist die Kunsthallen-Lieblingsvokabel des Mäzens. Und
da Otto normalerweise Einkaufszentren gestaltet, bekommt man schnell Angst,
denkt an vorteilhaft beleuchtete Ware, die den Menschen zum Kauf verführen
soll.
Andererseits: Wäre die Verführung zur Kunst so schlimm? Oder widerstrebt
das dem Purismus des Kunstkenners, der wünscht, dass man die Kunst um ihrer
selbst willen würdige?
Schwarz-Weiß-Malerei trägt nicht weit; es geht eher um die Dosierung, und
die war in der Kunsthalle nicht leicht: Einen Hauch zu grell wirken die
blauen Wände, vor denen die Mittelalter-Altäre unerhört golden glänzen. Und
wie um das zurückzunehmen, tauchte man das 19. Jahrhundert in
brav-unscheinbares Türkis; die Romantiker Philipp Otto Runge und Caspar
David Friedrich eingeschlossen.
Zwischen diesen beiden aber: der sonnenblumengelbe Kuppelsaal fürs 18.
Jahrhundert. Genau in der Mitte steht Carl Friedrich Hagemanns
klassizistische Büste Immanuel Kants, des „Gottes der Aufklärung“. Das
alles effektvoll arrangiert; Kant und weitere Büsten weilen in einer Art
Wandschirm-Oktogon.
Leider erinnert diese Präsentation im Separee an die Kosmetikabteilung
eines Nobelkaufhauses. Anscheinend hat man den Saal kleinpressen und mit
Dingen vollstellen wollen, aber wozu? Die Kunsthalle hat durch den Umbau
500 Quadratmeter Ausstellungsfläche gewonnen, kann 80 zusätzliche Werke aus
dem – vom Senat für vier Millionen Euro sanierten – Depot ausstellen. Hät…
man dem Kuppelsaal da nicht die andernorts gepriesene Großzügigkeit lassen
können?
Das haben die Renovierer in der klassizistischen Rotunde besser
hinbekommen, indem sie sie zur Skulpturen-Spielwiese machten, auf der man
frei umherschlendern kann, ebenerdig und mit Blick zum Hamburger
Hauptbahnhof.
Auch in der Galerie der Gegenwart ist die Kunst ebenerdig geworden und
nähert sich, pädagogisch wertvoll, dem Volk: Ihr Foyer ist nicht mehr
Eingang, sondern Areal jährlich wechselnder Ausstellungen zeitgenössischer
Kunst; deren Anfang die koreanische „documenta 13“-Teilnehmerin Haegue Yang
macht.
Überhaupt, die Gegenwartskunst: Wie soll man sie abgrenzen von
„Vergangenheitskunst“; ist nicht schon das Werk von gestern alt? Und zählen
die 1960er-Jahre, bei denen die Galerie der Gegenwart beginnt, nicht schon
zur „Klassischen Moderne“? Der Expressionismus entsprechend schon zum alten
Eisen?
Fließend sind die Grenzen, fließender als zuvor die Übergänge zwischen Alt-
und Neubau der Kunsthalle. Und das ist ein echtes Verdienst der Renovage,
deren Hauptproblem war, dieses verbaute Museum aus drei Gebäuden
verschiedener Epochen zusammenzubinden: dass es nicht mehr zwei Eingänge
gibt – einen für „alte“ Kunst und einen für „neue“. Jetzt müssen a…
Besucher zusammen hinein und landen leichter mal en passant in der jeweils
anderen Abteilung. Diese Osmose wäre – wie die museumspädagogischen
Kabinette, die über Restauration und Provenienzforschung informieren – ein
Akt der Volksbildung, den Alfred Lichtwark geschätzt hätte.
30 Apr 2016
## AUTOREN
Petra Schellen
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