| # taz.de -- Anschlag im hessischen Dreieich: Museum wird Flüchtlingsheim | |
| > Hamburgs Museum der Arbeit wird ab Februar 2016 ein Jahr lang geflüchtete | |
| > Frauen beherbergen: Ein Nebengebäude wird dafür umgebaut | |
| Bild: Die alte Fabrik im Museum wird derzeit kaum genutzt | |
| Im Museum der Arbeit werden bald Menschen wohnen: Geflüchtete Frauen sollen | |
| ab Mitte Februar in eines der Gebäude ziehen. 50 bis 60 Schwangere und | |
| Mütter mit Säuglingen werden dann in der zweigeschossigen Alten Fabrik | |
| wohnen, in der die „New-York Hamburger Gummi-Waaren Compagnie“ von 1871 bis | |
| 1950 Hartgummikämme herstellte. Die 800 Quadratmeter große Fläche, in die | |
| in Trockenbauweise Wohnungen für je zwei bis vier Personen eingebaut | |
| werden, soll keine Erstaufnahme sein und ist auf ein Jahr befristet. | |
| Mit dieser Aktion ist das Haus am Barmbeker Bahnhof das erste Hamburger | |
| Museum, das längerfristig Flüchtlinge beherbergt. Die Kunsthalle etwa lässt | |
| seit einigen Monaten Transit-Flüchtlinge in derzeit ungenutzten | |
| museumspädagogischen Räumen übernachten. Aber im Januar werden die Flächen | |
| wegen Umbauarbeiten gebraucht, daher endet das Provisorium bald. | |
| Die Alte Fabrik des Museums der Arbeit dagegen wird für ein Jahr verfügbar | |
| sein. Die Anfrage kam vom Senat, und Börries von Notz, Geschäftsführer der | |
| zuständigen Stiftung Historische Museen Hamburg, sagte gleich zu. | |
| „Es ist für uns eine Selbstverständlichkeit, uns zu engagieren“, sagt er, | |
| „zumal die Betriebskultur dieses Museums traditionell stark auf soziale | |
| Bedürfnisse von Mitmenschen ausgerichtet ist.“ Das spiegele sich auch in | |
| der politischen Haltung des 1.000 Mitglieder zählenden Freundeskreises. | |
| Dass diese ideelle Bereitschaft zum Engagement praktisch wirksam wird, | |
| liegt auch daran, dass die Flächen der Alten Fabrik 2016 ohnehin kaum | |
| verplant waren. „Das war ein glücklicher Zufall, der sich vom Programm her | |
| ergab“, sagt von Notz. Normalerweise beherbergt die Alte Fabrik kleine | |
| Veranstaltungen wie die Buchdruckkunst-Messe oder den ökologischen | |
| Weihnachtsmarkt. Sie werden 2016 in andere Museen der Stiftung – das | |
| Hamburg Museum und das Altonaer Museum – verlegt. Einmalig könne man das | |
| tun, ohne gleich das Museumsprofil zu verraten, findet von Notz. | |
| Allerdings, sagt Gernot Krankenhagen, Gründer und Ex-Chef des Museums sowie | |
| stellvertretender Freundeskreis-Vorsitzender, gingen auch die Einnahmen | |
| verloren, die die Vermietung der Alten Fabrik sonst generiere. Doch das | |
| werde durch die Miete kompensiert, die Fördern und Wohnen, der städtische | |
| Betreiber der meisten Flüchtlingsunterkünfte, dem Museum zahle. „Letztlich | |
| ist dieses Engagement für uns ein Nullsummenspiel“, sagt von Notz. | |
| Eine Einschränkung des Museumsbetriebs soll das übrigens nicht mit sich | |
| bringen. Es sei nicht daran gedacht, reguläre Ausstellungsflächen | |
| leerzuräumen, damit Flüchtlinge dort wohnen könnten. „Museumsflächen sind | |
| zu speziell ausgestattet, um sie schnell und kostengünstig umzunutzen“, | |
| sagt von Notz. Bei der Alten Fabrik sei das nur deshalb möglich, weil sie | |
| als Industriedenkmal großteils original belassen und nicht so stark museal | |
| „ertüchtigt“ sei. | |
| Bleibt die Frage nach der Integration der Flüchtlinge vor Ort. Bei | |
| benachbarten Firmen und Läden habe der Freundeskreis schon herumgefragt und | |
| ein „überwiegend positives Echo“ erzielt, sagt Krankenhagen. Auch das | |
| Museumspersonal freut sich laut von Notz auf die Chance, Menschen in Not zu | |
| helfen. | |
| Und für die Besucher wird ohnehin kein Weg an den künftigen Bewohnerinnen | |
| des „Museumscampus“ vorbeiführen. Denn alle Museumsgebäude liegen an einem | |
| zentralen Platz, sodass zwangsläufig Kontakt entsteht. Und selbst wenn | |
| einzelne Besucher zunächst genervt sein sollten: „Ich beobachte, dass sich | |
| das schnell gibt, sobald man Individuen kennenlernt“, sagt von Notz. | |
| Wie stark sich die Museumsmitarbeiter und der Freundeskreis an der | |
| Betreuung der Flüchtlinge beteiligen werden, ist indes noch nicht klar. Die | |
| professionelle Begleitung wird Fördern und Wohnen organisieren. Alles | |
| weitere, sagt Freundeskreis-Vorstand Krankenhagen, hängt vom Bedarf ab. | |
| „Wenn Hilfe gebraucht wird, stehen wir bereit.“ | |
| Auf institutioneller Ebene leisten die meisten Hamburger Museen sie | |
| übrigens schon jetzt: Seit Monaten gibt es in vielen Häusern | |
| englischsprachige Führungen für Flüchtlinge. Die werde sicher auch das | |
| Museum der Arbeit einrichten, sagt von Notz. Überhaupt sei kulturelle | |
| Teilhabe keine Einbahnstraße: „Wenn Flüchtlinge ehrenamtlich im Museum | |
| mitarbeiten möchten, können sie das gern“, bietet von Notz an. Er ist | |
| überzeugt, dass während dieser zwölf Monate Initiativen und Kontakte | |
| entstehen, die weit über diese Zeit hinausreichen. | |
| 11 Dec 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Petra Schellen | |
| ## TAGS | |
| Museum | |
| Arbeit | |
| Unterbringung von Geflüchteten | |
| Schwerpunkt Flucht | |
| Lager | |
| Hamburg | |
| Bremen | |
| Migration | |
| Asyl | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Anschlag im hessischen Dreieich: Schüsse auf Flüchtlingsunterkunft | |
| Ein Flüchtling wurde im Schlaf von einer Kugel getroffen und leicht | |
| verletzt. Die Hintergründe der Tat sind noch unklar. Sie ermittle in alle | |
| Richtungen, sagt die Polizei. | |
| Hamburg: Wohnungen statt Massenunterkünfte: Puffer für Vermietersorgen | |
| Die Stiftung „Wohnbrücke“ hilft Flüchtlingen, ein neues Zuhause zu finden, | |
| das nicht in ghettoisierten Großsiedlungen, sondern auf dem Wohnungsmarkt | |
| liegt. | |
| Flüchtlingsversorgung in Hamburg: Baustelle Unterbringung | |
| Um das Chaos bei der Flüchtlingsunterbringung in den Griff zu kriegen, will | |
| die Stadt Hamburg das System stärker zentralisieren. Doch die Umstellung | |
| verzögert sich. | |
| Kultur wird elitär gemacht: Eintritt frei! | |
| Warum bei uns so wenige Kulturinstitutionen eine demokratische | |
| Eintrittspolitik hinbekommen – und Menschen durch Preise abschrecken. | |
| Historikerin über Migrationsmuseum: „Ängste zu Fragen wandeln“ | |
| Es muss einen Ort geben, an dem jenseits von angstmachenden Zahlen über | |
| Zuwanderung diskutiert werden kann. Das sagt die Historikerin Simone Eick. | |
| Wohnungspolitik in Berlin: Besetzen! | |
| Das Thema Hausbesetzungen scheint wieder Mobilisierungspotenzial zu | |
| besitzen, wie eine Diskussion im Berliner Kreuzberg-Museum zeigt. | |
| Ehemalige KZ-Außenstelle: Umbau zum Asylbewerberheim | |
| Einst gehörte das Gelände zum Konzentrationslager Dachau. Jetzt soll | |
| geprüft werden, ob ein dort stehendes Gebäude als Flüchtlingsunterkunft | |
| genutzt werden kann. |