# taz.de -- Opposition rügt Koalition: Armut an erster Stelle | |
> Die Linke kritisiert den rot-grünen Koalitionsvertrag als „schwammig“, | |
> wenn es um die Lösung sozialer Probleme geht – und stellt ihm ein eigenes | |
> Konzept entgegen | |
Bild: Kristina Vogt hält dem Senat vor, Bremens Armutsproblem nur unter ferner… | |
Noch bevor der rot-grüne Koalitionsvertrag am Mittwoch in der Bürgerschaft | |
zur Debatte steht, fordert die Linke ein „Landesprogramm Armutsbekämpfung“ | |
als programmatischen Gegenentwurf. Die Koalitionsvereinbarung sei „an den | |
entscheidenden Stellen unscharf“, sagte die Fraktionsvorsitzende der | |
Linken, Kristina Vogt, anlässlich der Vorstellung des Initiativpapiers am | |
Montag. | |
Armut wirksam zu bekämpfen, sei eine Querschnittsaufgabe aller Ressorts, | |
sagte Vogt – von der Verkehrsplanung bis zur Kultur, wo die Teilhabe aller | |
Menschen sicherzustellen sei. Nun hat sich freilich auch die | |
Regierungskoalition die Bekämpfung von Armut auf die Fahnen geschrieben. | |
Auch mit ihrer Schwerpunktsetzung auf die betroffenen Kinder und | |
Jugendlichen steht die Linke nicht allein da: „Alle Kinder in unseren | |
Städten sollen gute Chancen haben“, heißt es doch bereits in der Präambel | |
der Koalitionsvereinbarung. | |
Danach allerdings, beklagt die Linke, komme erst einmal nichts mehr. Nelson | |
Janßen, Fraktionssprecher der Linken für Bremerhaven, kritisierte, dass der | |
Koalitionsvertrag zunächst Arbeit, Wirtschaft und Häfen behandle und erst | |
im neunten Punkt auf Soziales zu sprechen komme. „Bezeichnend“ für | |
rot-grüne Politik sei das – und angesichts der sozialen Lage eine „nicht | |
nachvollziehbare Schwerpunktsetzung“. | |
Bestimmend sei das Spardiktat, sagte Vogt, auch wenn dem immer wieder | |
Absichtserklärungen und „warme Worte“ beigestellt würden. Vogt verwies | |
dabei etwa auf die Armutsberichte. Jede vierte BremerIn gilt demnach als | |
arm – unter den Alleinerziehenden sogar fast jede zweite. Der Bericht von | |
2009 hat laut Vogt 80 konkrete Empfehlungen aufgeführt, von denen bis heute | |
gerade mal zwei umgesetzt wurden. „Analysiert haben wir nun eigentlich | |
genug“, sagte Vogt. Jetzt sei es an der Zeit, daraus auch Konsequenzen zu | |
ziehen. Stattdessen aber würden im Koalitionsvertrag weiterhin „eher vage | |
Prüfaufträge“ formuliert. | |
Statt allgemeiner Planungen zur Bekämpfung von Unterrichtsausfall, fordert | |
die Linke zielgenaue Strukturmaßnahmen für benachteiligte Stadtteile wie | |
Gröpelingen, Blumenthal oder Leherheide in Bremerhaven. Das bisher | |
praktizierte Gießkannenprinzip habe dazu geführt, dass einzelne Schulen in | |
Schwachhausen gar nicht wüssten, wo sie mit dem Geld hin sollten, während | |
anderswo wichtige Förderprogramme weggekürzt würden. | |
In den abgehängten Stadtteilen will die Linke nun Schulen vergrößern und | |
Lerngruppen verkleinern. Wo die räumlichen Bedingungen das nicht zuließen, | |
solle den Klassen zumindest verpflichtend eine zweite Lehrkraft | |
bereitgestellt werden. Um der Frauenarmut zu begegnen, müssten bei der | |
Kommune beschäftigte Erzieherinnen höhere Löhne bekommen. | |
Das kostet Geld: Rund 28 Millionen soll allein das linke Bildungspaket nach | |
eigenen Berechnungen kosten, für den Kita-Bereich kämen nochmal zehn dazu. | |
Langfristig aber, sagt Vogt, will die Linke damit sogar noch sparen. | |
Immerhin stünden diesen Investitionen rund 850 Millionen an Sozialausgaben | |
entgegen. „Das ist die Milchmädchenrechnung dieser Regierung“, so Vogt. | |
Es ist eine Frage von Generationen, bis sich solche Ausgaben rechnen. Wenn | |
aber der zweijährige Turnus der Haushaltsplanungen langfristige | |
Investitionen unmöglich machten, sagte Janßen, „dann können SPD und Grüne | |
nicht ernsthaft von Nachhaltigkeit sprechen“. | |
20 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Jan-Paul Koopmann | |
## TAGS | |
Bremen | |
Konjunktur | |
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