# taz.de -- Beschluss der EU-Kommission: Israel muss Siedlerprodukte markieren | |
> Zukünftig sollen Produkte aus den israelisch besetzten Gebieten in der EU | |
> gekennzeichnet werden. Israel bezeichnet das als Diskriminierung. | |
Bild: Künftig mit Label: israelische Wein-Produktion in den Shiloh Wineries im… | |
JERUSALEM taz | In Israels Außenministerium herrscht Untergangsstimmung. | |
Als „Heuchelei“, „Ignoranz“ und „Doppelmoral“ bezeichnen die Diplom… | |
Jerusalem die EU-Entscheidung zur einheitlichen Kennzeichnung von Produkten | |
aus israelischen Siedlungen im besetzten Land. Brüssel veröffentlichte am | |
Mittwoch nach monatelangem Zögern eine entsprechende Richtlinie, die damit | |
in Kraft trat. | |
EU-Botschafter Lars Faaborg-Anderson, der von einem Prozess zum Schutz der | |
Verbraucher sprach, musste im Außenamt einen Verweis einstecken. Von einer | |
„Diskriminierung, die nach Boykott stinkt“, sprach Außenamtssprecher | |
Emmanuel Nachschon. | |
„Warum nur Produkte“, witzelte der rechtsreligiöse Abgeordnete Nissan | |
Schlomiansky (Das jüdische Haus) sarkastisch und riet, „auch die Menschen | |
zu kennzeichnen“, die in den 1967 von Israel eroberten Gebieten lebten. Man | |
sei nicht mehr weit entfernt von den Tagen, „in denen Juden in Europa einen | |
Stern tragen mussten“. | |
Demgegenüber begrüßte die Bewegung „Frieden jetzt“ die EU-Entscheidung, … | |
„die Besatzung ablehnt und damit Israel unterstützt“. | |
## Regierung fürchtet Boykott | |
Regierungschef Benjamin Netanjahu wehrt sich beharrlich gegen die Kritik | |
aus Europa, dass der Bau neuer Wohnungen für Siedler den Friedensprozess | |
behindert und eine Zweistaatenlösung erschwert. „Die Wurzeln des Konflikts | |
sind weder Gebiete noch Siedlungen“, meint er. Laut Bericht von „Frieden | |
jetzt“ stieg die Zahl der Neubauten in Ostjerusalem und im Westjordanland | |
während Netanjahus letzter Regierungsperiode „um 40 Prozent“. | |
Im Jerusalemer Außenamt fürchtet man, dass die EU-weite | |
Kennzeichnungspflicht, über die das Parlament in Brüssel mit über 500 zu | |
nur 70 Stimmen bereits im September entschied, ein erster Schritt zum | |
Boykott israelischer Produkte schlechthin sein könnte, wie ihn die | |
palästinensische BDS-Kampagne „Boykott, Desinvestition und Sanktionen“ | |
international vorantreibt. | |
Bereits am Mittwoch entschied die Knesset, das israelische Parlament, in | |
erster Lesung mehrheitlich für eine Gesetzesreform, die Anstiftern zum | |
Boykott Israels künftig die Einreise verweigern würde. Paradoxerweise wird | |
indes gerade mit der Kennzeichnung der israelischen Produkte aus dem 1967 | |
besetzten Westjordanland, Ostjerusalem und den Golanhöhen eine | |
Unterscheidung getroffen, die den Boykott von Produkten, die in Israel | |
hergestellt werden, eher unwahrscheinlicher macht. | |
Der Kunde soll die Möglichkeit haben, sich anhand der Markierung „Besetzte | |
Gebiete“ nur gegen den Kauf von Produkten aus Siedlungen zu entscheiden, | |
wenn er die Besatzung ablehnt, nicht aber den Staat Israel. | |
## Niederlage für Israels Außenministerium | |
Die EU-Entscheidung ist eine Niederlage für das israelische | |
Außenministerium, das mit dem Argument, eine Kennzeichnung der | |
Siedlerprodukte werde die Extremisten stärken und eine Wiederaufnahme | |
direkter Friedensverhandlungen erschweren, auf taube Ohren stieß. Beim | |
gesamtisraelischen Export in Höhe von rund 15 Milliarden Dollar jährlich | |
fallen die Siedlerprodukte mit etwa 150 Millionen Dollar indes kaum ins | |
Gewicht. | |
Bereits seit 2005 sind Produkte aus den besetzten Gebieten von den | |
Vorteilen der zwischen der EU und Israel bestehenden Handelsabkommen | |
ausgenommen. Dessen ungeachtet wächst der Export israelischer Ware nach | |
Europa, während israelische Bauern im Westjordanland anstatt nach Europa | |
verstärkt in Länder wie Russland und China exportieren. Bei der Industrie | |
scheint sich jedoch ein Trend zum Wegzug aus dem Westjordanland | |
abzuzeichnen. Gegner der EU-Richtlinien mahnen, dass dadurch vor allem | |
palästinensische Mitarbeiter betroffen sind. | |
11 Nov 2015 | |
## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
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