# taz.de -- Kommentar Antisemitismus-Vorwürfe: Seltsame Querfronten | |
> Dass die Freie Universität eine Dozentin aufgrund höchst fragwürdiger | |
> Vorwürfe quasi suspendiert, ist skandalös. Die Meinungsfreiheit ist ein | |
> hohes Gut. | |
Bild: Ist die Hochschule noch ein Ort der freien Meinungsäußerung? Henry-Ford… | |
Man kann sich darüber streiten, ob es historisch angebracht ist, Israel als | |
einen „Kolonialstaat“ zu bezeichnen oder von „Apartheid“ zu sprechen, um | |
dessen Politik gegenüber den Palästinensern zu beschreiben. Und man kann | |
sich darüber streiten, ob es moralisch angebracht ist, den Staat Israel zu | |
boykottieren oder sogar für einen Israel-Boykott zu werben. Nicht streiten | |
kann man sich aber darüber, dass man darüber streiten darf. Denn | |
Meinungsunterschiede muss man in einer Demokratie aushalten. Das gehört zur | |
Meinungsfreiheit, die durch das Grundgesetz geschützt ist. | |
Israels rechte Regierung möchte solche Debatten unterbinden. Sie betrachtet | |
die internationale Boykottbewegung gegen ihr Land als eine ernste Gefahr, | |
und manche ihrer Anhänger nutzen den Vorwurf des Antisemitismus, um ihrer | |
Gegner zu diffamieren. Da ist inzwischen eine seltsame Querfront | |
entstanden, die israelische Rechte und evangelikale Christen mit deutschen | |
Linken vereint. | |
Dass die Freie Universität Berlin jetzt eine Dozentin quasi suspendiert, | |
weil sie ihre Meinung zum Nahostkonflikt anstößig findet, ist ein Skandal. | |
Und dass sie die „Antisemitismus“-Vorwürfe, die von obskurer rechter Seite | |
gegen sie erhoben werden, auch noch durch eine wissenschaftliche | |
Untersuchung adeln möchte, kommt fast schon einer Vorverurteilung gleich. | |
Denn offen ist, wer genau diese „Untersuchung“ durchführen soll. Und offen | |
ist auch, wer die Teilnehmer einer Podiumsdiskussion auswählen soll, die | |
dem Institut zu diesem Fall vorschwebt und die von den Betroffenen nur als | |
eine Art Tribunal empfunden werden kann. Denn es besteht die Gefahr, dass | |
sich die Ankläger hier auch zum Richter aufspielen. | |
Der Vorgang erscheint ziemlich beispiellos – und wenn man Vergleiche aus | |
der jüngeren Geschichte sucht, dann fallen einem da etwa die Anhörungen vor | |
dem „Komitee für unamerikanische Umtriebe“ in den USA der McCarty-Ära ein. | |
Das ist keine gute Tradition, an die die ihrem Namen nach „Freie | |
Universität“ anknüpft. | |
18 Jan 2017 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
## TAGS | |
Meinungsfreiheit | |
Israel | |
Freie Universität Berlin | |
Schwerpunkt Nahost-Konflikt | |
BDS-Movement | |
BDS-Movement | |
Meinungsfreiheit | |
BDS-Movement | |
Israel | |
Israel | |
Bremen | |
Israel | |
Westmächte, Israel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Muslimischer Theologe an Hamburger Uni: Mehr als nur ein „Israelkritiker“ | |
In Deutschland nennen manche den Theologen Farid Esack aus Südafrika einen | |
„Antisemiten“. Er tritt für einen liberalen Islam und Menschenrechte ein. | |
Meinungsfreiheit an Berliner Universität: Peinliche Posse bei den Politologen | |
Das Otto-Suhr-Institut scheint auf eine Schmutzkampagne rechter, | |
proisraelischer Kreise hereingefallen zu sein. Es gibt Protest. | |
BDS-Unterstützer ohne Bankkonto: Wegen Boykottaufruf gekündigt | |
Die Bank für Sozialwirtschaft löst das Konto der „Jüdischen Stimme für | |
einen gerechten Frieden“ auf. Diese Kündigung ist kein Einzelfall. | |
Diskussion um Boykott israelischer Waren: Das Südfruchtdilemma | |
Ist der Boykott israelischer Avocados okay? Nein, da ist man sich im | |
Leipziger Club „Conne Island“ sicher. Bei anderem einigt man sich auf | |
Uneinigkeit. | |
Abgesagte Preisverleihung in München: Kein Preis für Israel-Boykott | |
Die Stadt hat die Ehrung einer Frauengruppe abgesagt. Sie soll israelische | |
Waren boykottiert und den Staat Israel dämonisiert haben. | |
Inspektoren on tour: Vorsicht, vielleicht verboten | |
Beim Versuch, Waren zu markieren, die möglicherweise aus illegalen | |
Siedlungen stammen, fliegen AktivistInnen aus einer Bremer Drogerie. | |
Beschluss der EU-Kommission: Israel muss Siedlerprodukte markieren | |
Zukünftig sollen Produkte aus den israelisch besetzten Gebieten in der EU | |
gekennzeichnet werden. Israel bezeichnet das als Diskriminierung. | |
Boykott-Streit in Israel: Besatzung soll nicht 50 werden | |
In einer Zeitungsanzeige fordern Israelis ein Ende der Besatzung und einen | |
Boykott der Siedlungen. Das sorgt für aufgeregte Diskussionen. |