| # taz.de -- Digitale Schulzeit: Das Ende der Kreidezeit | |
| > Können Bremens Schulen mit dem digitalen Wandel Schritt halten? Neben | |
| > pädagogischer Kompetenz und technischer Investition drängen auch soziale | |
| > Fragen. | |
| Bild: Australische Zustände: Allgemeines Elektro-Lernen in der Schule. | |
| BREMEN taz | Bremen belegt Platz eins in der Studie „Schule digital“ des | |
| Dortmunder Instituts für Schulentwicklungsforschung. Den Ausschlag gibt, | |
| dass Bremen mit „itslearning“ als erstes Bundesland eine einheitliche | |
| elektronische Lernplattform für Schüler, Lehrer und Bildungsverwaltung | |
| eingerichtet hat. Ist damit die „Kreidezeit“ an Bremens Schulen tatsächlich | |
| vorbei? | |
| Eine Stellungnahme des Senats, angefordert von der CDU-Fraktion, nährt | |
| Zweifel. Denn: Um „itslearning“ konkret und flächendeckend nutzen zu | |
| können, bedarf es eines funktionierenden WLAN-Netzes. An Oberschulen sei | |
| das – in Gegensatz zu Grundschulen – auch „grundsätzlich vorgesehen“, … | |
| der Senat. Bei Anschlusskosten von 35.000 Euro pro Schule ergibt das einen | |
| Investitionsbedarf von 1,4 Millionen Euro. Um den zu decken, sagt der | |
| Senat, benötige man noch drei Jahre. | |
| Auch der Ist-Zustand der Rechnerausstattung ist nicht eben üppig: Auf 500 | |
| Oberschüler beziehungsweise Gymnasiasten kommt gerade mal ein PC-Raum. In | |
| den Klassenzimmern selbst steht keinerlei Hardware, abgesehen von | |
| „mindestens zwei interaktiven Tafeln“ – pro Schule. | |
| Wie soll so der „digital divide“, die schon vorhandene digitale Spaltung | |
| der Gesellschaft, deren Grenzlinien oft analog der sozialen Trennlinien | |
| verlaufen, verringert werden? Der „digital divide“ basiert ja nicht nur auf | |
| ungleichen materiellen Voraussetzungen – sondern meint auch das Phänomen, | |
| dass digitale Geräte zwar weit verbreitet, deren Nutzer dadurch aber noch | |
| lange nicht in der Lage sind, sie tatsächlich zur sozialen Teilhabe oder | |
| Kompetenz-Erweiterung zu nutzen. Das hat Gründe: Während in Australien beim | |
| letzten internationalen Vergleich (2011) 85 Prozent der Viertklässler | |
| regelmäßig im Unterricht einen Computer nutzten, sind es in Deutschland nur | |
| 28 Prozent. | |
| Was folgt aus all dem für Lehrpläne, aber auch für die in Bremen geltende | |
| Lehr- und Lernmittelfreiheit? Eigentlich müssten den Schülern, analog zu | |
| Büchern und Arbeitsheften, nun auch Computer unentgeltlich leihweise mit | |
| nach Hause gegeben werden. Da die meisten Bremer Schulen jedoch bereits an | |
| analogen Büchern sparen – stattdessen wird ganz überwiegend mit billig | |
| kopierten Loseblatt-Sammlungen hantiert – ist der Rechnerverleih | |
| illusionär. | |
| Der Senat verweist auf den „stetig sinkenden Preis für geeignete Hardware“, | |
| über 80 Prozent der Schüler der weiterführenden Schulen besitze ohnehin ein | |
| „internetfähiges Endgerät“. Wie sich Eltern verhalten sollen, die ihren | |
| Fünftklässler-Kindern nicht nur aus ökonomischen, sondern auch | |
| pädagogischen Gründen noch kein Smartphone kaufen wollen, sagt der Senat | |
| nicht. | |
| Die Kultusministerkonferenz will bis Herbst 2016 „kompetenzorientierte | |
| Mindestanforderungen digitaler Bildung“ definieren – die bis dahin, | |
| zumindest in Teilen, wohl schon wieder überholt sind. Weiter muss sich | |
| erweisen, ob die Schulen den technischen Wettlauf mit ihren eigenen | |
| Schülern schaffen. Viel leichter, als den berüchtigten roten Lehrerkalender | |
| mit seinen langen Benotungstabellen zu manipulieren, ist ja der Hack des | |
| „virtuellen Lehrerzimmers“, über das künftig sämtliche administrative | |
| Aufgaben erledigt werden sollen. | |
| Dass Schulen kreativ genug sind, einen gelungenen Hack samt aufgemöbeltem | |
| Bewertungseintrag als Leistungsnachweis zu akzeptieren, ist wohl eher | |
| unwahrscheinlich. | |
| 22 Oct 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Henning Bleyl | |
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