# taz.de -- Kultusministerium regelt Internetnutzung: Schulen im Neuland | |
> In Baden-Württemberg sollen Lehrer nicht mehr über soziale Netzwerke | |
> kommunizieren. Bayern dagegen digitalisiert die Lernwelt. | |
Bild: In Baden-Württemberg sollen Lehrer ihre Schüler nicht mehr da antreffen… | |
BERLIN taz | Kurz vor den Sommerferien klärt das Kultusministerium | |
Baden-Württemberg noch einmal seine Lehrkräfte auf. In einem offiziellen | |
Schreiben werden die Schulleitungen zum Rückzug aus den sozialen Netzwerken | |
aufgefordert. Die dienstliche Nutzung von Plattformen wie Facebook sei mit | |
den datenschutzrechtlichen Bestimmungen nicht vereinbar. Als Alternative | |
wird unter anderem der konventionelle Schriftverkehr empfohlen. | |
„Wir wollen in erster Linie den Schulen einen Überblick über das geltende | |
Recht vermitteln“, erklärt die Sprecherin des baden-württembergischen | |
Kultusministeriums, Christine Sattler, auf Nachfrage von taz.de. Die | |
Verwendung von sozialen Netzwerken für dienstliche Zwecke ist nach | |
deutschem Datenschutzgesetzen verboten. Dabei handelt es sich nämlich | |
zwangsläufig um eine Verarbeitung personenbezogener Daten. | |
Da sich die Server der Betreiber im EU-Ausland befinden, könne der deutsche | |
Datenschutzstandard auf den Seiten nicht garantiert werden. Lehrer werden | |
angehalten, andere Kommunikationswege zu nutzen, um sich mit ihren Schülern | |
sowie Kollegen auszutauschen. Zu unterbinden sind jegliche | |
Anwendungsmöglichkeiten der sozialen Medien – von Chatfunktion bis zu | |
Arbeits- und Lerngruppen. | |
„Bei uns fragten Schulleitungen immer wieder nach, wie sie mit sozialen | |
Netzwerken umgehen sollen. Viele waren sich unsicher“, begründet Sattler | |
das Papier. Die Handreichung entstand in Zusammenarbeit mit Lehrkräften. | |
Sattler spricht daher von einer positiven Resonanz im Vorfeld. | |
## Diskussion über geregelte Online-Kommunikation | |
Im Internet entbrennt derzeit eine hitzige Debatte zwischen Lehrern. „Wenn | |
die NSA mitliest, dass der Vortrag „Lichtgeschwindigkeit“ morgen im Raum | |
112 einen Beamer voraussetzt, so wird die Gefahr für den Schüler doch eher | |
gering sein", [1][kommentiert ein Betroffener]. Ein Kollege verweist unter | |
einem [2][Beitrag des SWR] auf die mangelhafte Medienkompetenz vieler | |
Pädagogen, die das eigentliche Problem sei. Bei der [3][Süddeutschen] | |
ordnet ein Lehrer die Sache in einen größeren Kontext ein: „Das nennt sich | |
dann Freiheit. Danke an Grün-Rot.“ | |
Eine Referendarin aus Baden-Württemberg diskutiert die neue Regelung | |
ironischer Weise auf Facebook mit Freunden, die sie größtenteils vom | |
Lehramtsstudium kennt. „In meinem Bekanntenkreis sind es eher diejenigen, | |
die noch studieren, die die Regelung schlecht finden“, sagt sie taz.de. | |
„Die haben den Alltag in der Schule noch nie gesehen“, sagt die junge Frau, | |
die an einer Realschule mit rund 40 Lehrern arbeitet. Die Regelung sei gut | |
und schon lange notwendig gewesen. „Jetzt kann ich sagen, dass ich nicht | |
auf Facebook-Nachrichten von Schülern und Eltern antworten darf“, erklärt | |
sie. Im Lehrerzimmer sei es nämlich immer wieder Thema, dass einige Schüler | |
die Kollegen über das Soziale Netzwerk spät abends oder an Wochenenden | |
terrorisieren. | |
„Ich habe nie Freundschaftsanfragen von Schülern angenommen, weil ich nicht | |
will, dass sie so weit in mein Privatleben eindringen“, sagt die | |
Referendarin. Zudem seien Rollenkonflikte unvermeidbar: „Als | |
Autoritätspersonen stehe ich nicht auf der gleichen Stufe mit den Schülern | |
- ich möchte ihnen keine falsche Freundschaft vorspielen“, sagt sie. | |
Zudem habe Facebook als Soziales Netzwerk bereits ein Monopol. „Es ist | |
genau das Gegenteil von kritischer Medienbildung, mit den Schülern über | |
Facebook zu reden“, findet die Referendarin. Außerdem gebe es so schon | |
genug Gruppenzwang für die wenigen Schüler, die ihre Daten lieber für sich | |
behalten wollen und keine Accounts in den Online-Netzwerken haben. Da müsse | |
nicht auch noch der Lehrer kommen und den Druck auf die Jugendlichen | |
verstärken. | |
## Gleiche Startbedingungen schaffen | |
So lange den Schülern vom Staat keine Laptops zur Verfügung gestellt | |
werden, sollte die Kommunikation mit den Lehrern nicht über das Internet | |
laufen, auch nicht über E-Mails, fordert sie. Denn sonst sei es ungerecht: | |
Schüler mit reichen Eltern und Smartphones stünden in engerem Kontakt mit | |
den Lehrern als Klassenkameraden, die zu Hause vielleicht einen Laptop des | |
Vaters benutzen können, wenn der nicht gerade im Büro ist. | |
Einen anderen denkbaren Fall schildert Martin Hanusch, Sprecher des | |
Kultusministeriums in Sachsen-Anhalt: Wenn Lehrer und Schüler sich zu einem | |
Volleyball-Spiel verabreden wollen, und alle bei Facebook angemeldet sind, | |
spräche nichts dagegen, wenn sie das über die Plattform tun. Solange keine | |
sensiblen Daten ausgetauscht werden, oder ein Kind mitspielen möchte, das | |
nicht in dem Sozialen Netzwerk angemeldet ist. „Das gehört zu einem | |
verantwortungsvollen Umgang mit Sozialen Netzwerken dazu, dass ein Lehrer | |
ein Kind nicht dazu nötigt, bei Facebook Mitglied zu werden“, sagt er. | |
Damit habe man noch keine negativen Erfahrungen gesammelt. | |
Ebenso wie es in Sachsen-Anhalt keine Bestrebungen gibt, eine ähnliche | |
Handreichung an die Lehrer zu geben wie im Ländle, hält auch der Sprecher | |
des hessischen Kultusministeriums nichts davon. „Es wird bei uns nicht | |
verboten“, sagt Christian Henkes. Soziale Netzwerke seien zwar | |
Freizeitprogramme und nicht für schulische Zwecke geeignet. „Durch das | |
Beamtenrecht sind die Lehrer aber zu einem verantwortungsvollen Umgang mit | |
sozialen Netzwerken verpflichtet“, sagt er. | |
Eine andere Meinung dazu kommt aus Bayern. Josef Kraus, der Präsident des | |
Deutschen Lehrerverbandes, begrüßt die baden-württembergische Regelung. Er | |
möchte, dass die anderen Bundesländer nachziehen. „Es ist absurd, wenn | |
Lehrer sich mit 800 oder 1.200 Schülern als Facebook-Freunden schmücken“, | |
sagt er taz.de. Das Gros der Lehrer wolle nicht mit über Facebook und Co. | |
mit den Schülern kommunizieren. Und wenn es nur ein paar wenige Lehrer tun, | |
stünden die anderen gleich als altmodisch dar. | |
## Fanpage an Stuttgarter Gymnasium bleibt | |
In seiner Funktion als Direktor des Maximilian-von-Montgelas-Gymnasiums in | |
Bayern habe er eindringlich an die Lehrerschaft appelliert, Facebook nicht | |
zu benutzen. Der Personalrat habe ihm einstimmig zugestimmt. Mit Blick auf | |
liebevoll gepflegte Facebook-Fanpages, wie sie zum Beispiel das | |
Eberhard-Ludwigs-Gymnasium in Stuttgart unterhält und dort zahlreiche Fotos | |
von Rhetorikseminaren, Weihnachtsgottesdiensten oder einem Indien-Austausch | |
einstellt, sagt Kraus: „Dafür brauche ich kein Facebook, eine Website tut | |
es auch.“ | |
Der Lehrer, der die Fanpage des Stuttgarter Gymnasiums verwaltet, habe die | |
Handreichung des Kultusministeriums gelesen und sehe vorerst keinen | |
Handlungsbedarf. Schließlich veröffentliche die Seite keine brisanten | |
Inhalte. Dennoch werde er sich noch einmal intensiv mit den hochgeladenen | |
Dingen beschäftigen. | |
„Die Fanpages sind rechtlich gesehen in der Grauzone“, sagt die Sprecherin | |
des Kultusministeriums. Sie seien nicht verboten und müssten nicht zwingend | |
vom Netz genommen werden. Allerdings sollten die Schulen in jedem | |
Einzelfall prüfen, welche Inhalte sie auf diesen Seiten einstellen, so | |
Sattler weiter. Sensible Daten von Schülern dürfen nicht preisgegeben | |
werden. | |
Baden-Württemberg ist durchaus nicht das erste Bundesland, das sich mit | |
Datenschutzbedenken an die Schulen richtet. Bayern verschickte bereits im | |
Oktober letztes Jahr ein Merkblatt zur schulischen Medienbildung: „Von | |
einer unterrichtlichen Nutzung sozialer Netzwerke ist mit Blick auf die | |
besondere Schutzbedürftigkeit der Schülerinnen und Schüler abzusehen.“ | |
Einen Monat später startete das bayerische Staatsministerium für Unterricht | |
und Kultus das Projekt der Initiative „Digitales Lernen Bayern“. Bei dem | |
Internetportal „mebis“ handelt es sich um eine digitale Lernwelt. Schüler | |
können in virtuellen Klassenzimmern gemeinsam an Projekten arbeiten. | |
Lehrkräfte erhalten auf dem Weg Unterrichtsmaterial sowie digitale Angebote | |
zur Fortbildung. | |
90 Schulen erproben die Plattform und nutzen die zentralen pädagogischen | |
Angebote in der Mediathek. Das Angebot soll nach der Pilotphase auf weitere | |
Schulen ausgeweitet werden. In Bayern nutzen bereits viele Schulen digitale | |
Lernplattformen. Von insgesamt 415 Gymnasien verwenden 351 Moodle-Portale, | |
die vergleichbar mit einem schulinternen Intranet sind. Solch eine digitale | |
Organisation ist datenschutzrechtlich erheblich unbedenklicher als der | |
Informationsaustausch über soziale Netzwerke. Die Kommunikation muss also | |
weder über Facebook noch über Brieftauben erfolgen. Auf das Internet | |
verzichtet Bayern jedoch nicht. | |
24 Jul 2013 | |
## LINKS | |
[1] http://forum.spiegel.de/f22/soziale-medien-schulen-baden-wuerttemberg-verbi… | |
[2] http://www.swr.de/landesschau-aktuell/bw/facebook-verbot-sorgt-fuer-aufregu… | |
[3] http://www.sueddeutsche.de/bildung/neue-regeln-in-baden-wuerttemberg-kultus… | |
## AUTOREN | |
Marie Kamprath | |
Alexander Kohn | |
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