Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Pro und Contra Mails verschlüsseln: Ausgespäht und zugenäht
> Wer seine E-Mails verschlüsselt, versucht sich vor Prism und Tempora zu
> schützen – doch kann Technik dieses politische Problem lösen?
Bild: Da brennt voll die Luft: Auf einer Kryptoparty in Berlin.
Der digitale Atombunker bleibt Illusion
Anleitungen zum Mail-Verschlüsseln. Appelle zur digitalen Datenhygiene,
Listen mit Alternativen von Facebook bis Google – seit Edward Snowden die
digitalen Abschnorchelprogramme von NSA und anderen Geheimdiensten bekannt
gemacht hat, wird überall zur digitalen Selbstverteidigung geblasen.
Und das wirkt. Ein Viertel aller deutschen Internetnutzer will seine Daten
im Netz künftig besser schützen, so eine Umfrage des ZDF-„Politbarometers�…
Und so fuhrwerken viele nun eifrig herum, an ihrer privaten digitalen
Selbstverteidigung: ein Browser-Add-on hier hinzugefügt, eine
Anonymisierungstool dort installiert. Sah doch gar nicht so schwer aus in
diesen So-schlagen-Sie-dem-Geheimdienst-ein-Schnippchen-Anleitungen.
Vielleicht sogar reingefuchst, wie Mails-Verschlüsseln geht – nur um
festzustellen, dass das nichts bringt, wenn man niemanden kennt, der
ebenfalls über PGP-Schlüssel verfügt.
Das Problem: Seine Kommunikation wirklich gründlich zu schützen, ist
ziemlich kompliziert. Nur wenige Dienste und Programme, die zuverlässig
verschlüsseln und anonymisieren, sind gleichzeitig kinderleicht in der
Anwendung. Oft ist diese Software von Spezialisten für Spezialisten
gemacht.
Für die meisten Menschen wird der selbstgebastelte digitale
Atomschutzbunker deshalb eine Illusion bleiben. Denn auch die Werkzeuge für
Anonymisierung und Verschlüsselung haben Schwachstellen – und wenn es der
Mensch ist, der sie unkundig bedient. Vor allem aber genügt es nicht, nach
Schema F Programme auf seinem Rechner zu installieren – Nutzer sollten auch
verstehen, wovor einen welches Tool eigentlich schützen soll. Und was man
mit welcher Handlung online über sich preisgibt. Ein Tor-Browser etwa kann
keine automatische Anonymität garantieren – wenn sich der Nutzer auf
Webseiten nicht entsprechend sensibel verhält. Selbst wenn der Inhalt von
E-Mails Ende-zu-Ende-verschlüsselt ist – die Metadaten können Geheimdienste
trotzdem abgreifen. Datenschutzsensible Browser zu nutzen ist eine feine
Sache – die aber nur mäßig viel bringt, wenn Geheimdienste Unterseekabel
und Netzknoten anzapfen.
Seien wir ehrlich: Am Ende wird sich nur eine digitale Elite auf
technischem Wege wirklich schützen können. Der Rest wird bedauernswertes
Spähvieh. Eine Situation, die einer Demokratie unwürdig ist.
Wem zu Prism und Co nichts anderes einfällt als Verschlüsselung, Anonymität
und Nutzung anderer Services im Netz, der macht aus einem politischen
Problem ein rein technisches. Aus einem gesellschaftlichen eines, um das
sich bitte schön jeder selbst zu kümmern hat. Eine Gesellschaft, in der
jeder seine digitale Kommunikation absichern muss, um nicht auf einen
Generalverdacht hin zwangsüberprüft zu werden, ist nicht frei.
Das heißt nicht, die Ausspähung tatenlos zur Kenntnis zu nehmen. Es gibt
sehr gute Gründe fürs Verschlüsseln und Anonymisieren – aber tritt jeder
allein für sich vor dem Rechner gegen die Geheimdienste der Welt an, stehen
seine Chancen nicht sonderlich gut.
Dieses Problem ist ein politisches und muss politisch gelöst werden. Darum
ist es eine Frechheit des Innenministers, die Bürger zur digitalen
Selbstverteidigung aufzurufen, statt seinen Job zu machen: ihre Interessen
zu vertreten. So wird seit Jahren über mehr Kontrollen von deutschen
Geheimdiensten diskutiert. Getan hat sich wenig, jetzt ist die Chance das
zu ändern. Es ist die Aufgabe der Dienste, die Bürger zu schützen – und
nicht sich selbst!
Parallel muss endlich durchgesetzt werden, dass Gesetze digitale
Kommunikation besser schützen, vielleicht für den Anfang wenigstens so, wie
es uns für Telefongespräche und Postverkehr zumindest gesetzlich
zugesichert ist. Die Alternative ist eine atomisierte Gesellschaft voller
verunsicherter Individuen, die sich im ständigen Guerilla-Kampf mit den
Geheimdiensten befinden. Das wäre dann Terror für alle. MEIKE LAAFF
Wenig Aufwand schafft viel Privatsphäre
Ach, Verschlüsselung. Kompliziert, technisch, Passwörter muss man sich
zusätzlich noch merken. Und auch wenn Innenminister Hans-Peter Friedrich
uns Bürgern dazu rät, bei der digitalen Kommunikaten mehr auf den
Datenschutz zu achten, ist am Ende unklar, was es überhaupt bringt, seine
E-Mails zu verschlüsseln. Also lieber gleich lassen?
Großen Internetkonzernen ebenso wie Geheimdiensten ist es ganz recht, wenn
wir so denken. Denn würde ein nennenswerter Teil der Bevölkerung
tatsächlich E-Mails, Chats, Festplatten und was sich noch so verschlüsseln
lässt, derart unlesbar für Dritte machen, hätten sie ein Problem.
Internetkonzerne ein großes, Geheimdienste ein sehr großes.
Unternehmen wie Google und Facebook verdienen an Werbung. Möglichst
gezielt, zielgruppengerecht und passend eingeblendet. Dafür braucht es:
Informationen. Die gewinnen immer mehr Anbieter - erst im Juni hatte sich
auch Yahoo dazu bekannt - aus dem Scannen von E-Mails. Gerade freudig
verkündet, demnächst in eine Wohnung mit Balkon zu ziehen? Genau, da ist
sie schon, die Werbung für Gartenmöbel und Pflanzenfachmärkte.
Wenn Nutzer ihre E-Mails verschlüsseln, ist es aus mit dem Scannen für
Werbezwecke. Und praktischerweise auch mit dem Scannen für
Geheimdienstzwecke. Denn egal ob die Dienste - wie der britische GCHQ -
Kabel anzapfen, um an die Daten zu kommen, oder - wie die NSA - direkt auf
die Server der Anbieter zugreifen sollen, eine durch den Nutzer
verschlüsselte E-Mail wird voraussichtlich noch eine ganze Weile praktisch
nicht zu knacken sein.
Wenig Aufwand schafft hier also viel Privatsphäre. Wenn sich dann auch noch
die Provider dazu durchringen könnten, die Datenübermittlung von Server zu
Server zu verschlüsseln, könnten Dritte, die die Übertragung mitschneiden,
nicht einmal die Metadaten - also wer wann an wen mit welchem Betreff
geschrieben hat - lesen. Wer seine E-Mails verschlüsselt, sorgt dabei nicht
nur für sich ganz persönlich für weniger Mitleser. Denn zum Verschlüsseln
gehören immer zwei. So trägt jeder zusätzliche Schlüsselnutzer dazu bei,
die Menge an verschlüsselten Nachrichten immer schneller wachsen zu lassen.
Und das hat Folgen für das Verdachtsargument. So argumentiert etwa der
NSA-Experte James Bamford, er nutze keine E-Mail-Verschlüsselung, sonst
wüssten doch die Geheimdienste genau, wo sie suchen müssen. Das mag derzeit
noch stimmen. Doch mal angenommen, ein Viertel der weltweit verschickten
Nachrichten wäre verschlüsselt. Auch die Ressourcen von Geheimdiensten sind
nicht unbegrenzt.
Es gibt noch mehr Situationen. Verschlüsselte Festplatten können praktisch
sein, wenn der Staatsschutz zu Hause auftaucht. Und Surfen über
verschlüsselte Verbindungen verhindert, dass sich einfach mitlesen lässt,
was man da gerade in der Apotheke bestellt hat.
Grundsätzlich gilt: Irgendwann wird es einfach zu teuer, eine gute
Verschlüsselung zu knacken. Ein Unternehmen, ein Geheimdienst, wer auch
immer einen wirksamen Mechanismus aufbrechen will, braucht immense
Rechenkapazität. Klar, möglicherweise lassen sich in ein paar Jahren durch
die technologische Entwicklung Dateien von heute ganz einfach knacken. Wer
nicht darauf hoffen will, muss ordentlich investieren. Gerade wenn es um
Wirtschaftsspionage geht - und das sind die Bereiche, in denen sich auch
die Investition großer Summen rentieren kann -, werden dann andere Wege
interessanter. Denn es gibt keine Information, die sich ausschließlich in
einer E-Mail befindet. Diebstahl, Mitarbeiter abwerben oder zufällig einen
Geldkoffer gegen den leeren des Gegenübers tauschen?
Es gibt keine absolute Sicherheit in allen Bereichen. Nie. Aber das ist
kein Argument, gar nichts zu tun. Und seine persönlichen Daten mit allen zu
teilen, die sie verkaufen, missbrauchen, für Werbung nutzen oder in eine
Rasterfahndung einspeisen. SVENJA BERGT
21 Jul 2013
## AUTOREN
Meike Laaff
Svenja Bergt
## TAGS
Prism
Verschlüsselung
NSA
Hans-Peter Friedrich
Google
Schwerpunkt Meta
Schwerpunkt Überwachung
Yahoo
Prism
NSA
Repräsentantenhaus
Schwerpunkt Meta
NSA
BND
NSA
NSA
Prism
NSA
Schwerpunkt Angela Merkel
Prism
## ARTIKEL ZUM THEMA
E-Books über Verschlüsselung: Digitale Selbstverteidigung
Was tun gegen die Schnüffelei der Geheimdienste? In „Verschlüsselt!“
erklärt Tobias Gillen, wie man Spionen das Leben schwer machen kann.
Yahoo liegt in den USA vor Google: Zu Schulbeginn wird geshoppt
Im Monat Juli haben in den Staaten mehr Nutzer die Seiten von Yahoo besucht
als die von Google. Die Marktforscher sehen darin eine saisonale
Schwankung.
Neues US-Spähprogramm enthüllt: Gegen XKeyscore ist Prism harmlos
Überwachung in Echtzeit. Eine weitere und sehr potente Spionagesoftware ist
dank Edward Snowden bekannt geworden. Die US-Regierung wiegelt ab.
NSA-Skandal und die Psyche: Es ist Krieg – und alle schauen zu
Eine Vergewaltigung in New York zeigt, warum wir auf das Szenario einer
Totalüberwachung so lethargisch reagieren. Unpassende Überlegungen.
NSA-Abstimmung gescheitert: Repräsentanten für Überwachung
Das US-Repräsentantenhaus lehnt die Einschränkung der
Geheimdienstbefugnisse ab. Das Weiße Haus hatte noch bis zum Schluss
Stimmung gegen Vorstoß gemacht.
Kultusministerium regelt Internetnutzung: Schulen im Neuland
In Baden-Württemberg sollen Lehrer nicht mehr über soziale Netzwerke
kommunizieren. Bayern dagegen digitalisiert die Lernwelt.
Politische Folgen des NSA-Skandals: Beschneidet die Dienste
Repubilkanische und demokratische Abgeordnete wollen die Befugnisse der NSA
eingeschränken. Am Mittwoch befasst sich der Kongress mit der Forderung.
Kommentar Email-Briefgeheimnis: Neuland für Grüne
Die Grüne fordern ein Email-Briefgeheimnis und zeigen, wie wenig sie den
NSA-Spähskandal durchdrungen haben. Das Problem ist nicht das deutsche
Recht.
Reaktion auf Späh-Affäre: Grundgesetz weiter als die Grünen
Die Grünen-Spitze hat nach der Späh-Affäre einen Vorschlag: Sie will Mails
und SMS wie klassische Briefe schützen. Doch das ist längst gültiges Recht.
NSA-Skandal in Deutschland: Wer braucht schon Datenschutz
Wegen der Zusammenarbeit deutscher Behörden mit dem US-Geheimdienst gibt es
erste Rücktrittsforderungen. Der Verfassungsschutz testet derzeit ein
Spähprogramm.
Ulrich Beck über digitales Freiheitsrisiko: „Der Staat ist Opfer und Täter�…
Die digitale Freiheitseinschränkung, die der PRISM-Skandal offenbart, ist
unsichtbar. Darin bestehe die Gefahr. Beck plädiert für mehr „digitale
Humanität“.
Neues Spitzelwerkzeug aus den USA: Nicht gespäht, nur getestet
Ja, die NSA habe ihm Software zur Verfügung gestellt, bestätigt der
Verfassungsschutz. Unterdessen spottet Ex- NSA-Chef Hayden über deutsche
Politiker.
Merkel regt Datenschutz-Abkommen an: Ein sicheres Netz für die Welt
Die Bundeskanzlerin hat sich für ein globales „Zusatzprotokoll“
ausgesprochen, das weitreichenden Datenschutz verankere. Die SPD wirft ihr
derweil Untätigkeit vor.
Der Bundesinnenminister klärt auf: Kümmert euch selbst, ihr Deppen!
Die Bürger müssen ihre E-Mails verschlüsseln, rät Innenminister Friedrich
in der Abhöraffäre. Aber natürlich. Warum ist da bloß vorher niemand
draufgekommen?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.