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# taz.de -- Aufklärung über krumme Bankgeschäfte: Hände weg vom Sparkonto!
> SchülerInnen sollen über die Geschäfte ihrer Bank Bescheid wissen. Zwei
> Lehrerinnen haben dazu kritische Unterrichtsmaterialien erstellt.
Bild: Mitarbeiterinnen der NGO Urgewald präsentieren auf der Didacta die schmu…
Geldautomaten und Schließfächer sind keine Besonderheit auf einer so großen
Messe wie der Didacta. Rund 800 Aussteller präsentieren seit Dienstag in
Köln neueste Schulbücher, digitale Hilfsmittel und pädagogische Konzepte.
Bis Samstag werden 100.000 Besucher erwartet und volle Kassen bei den
Ausstellern. Bargeldautomaten und Schließfächer für volle Tüten sind also
gefragt. Wer sich jedoch in Halle 7 an den Stand C043 verirrt, bekommt dort
weder Scheine noch Stauraum, sondern – Bankengeheimnisse.
Der Stand gehört der Umweltgruppe „Urgewald“, die seit Jahren die
Kreditvergabe deutscher Banken und Versicherungen beobachtet. An dem
„Bankautomaten“ können sich Interessierte multimedial informieren, wie
unethisch ihre Hausbank wirtschaftet. Ein Blick in die Schließfächer
daneben zeigt die ganze Bandbreite schmutziger Geschäfte: In einem Fach
kommt ein Eisbär auf einer von Erdöl umgebenen Eisscholle zum Vorschein.
Die Bankenfinanzierung, wird hier suggeriert, hat seine Umwelt zerstört. In
einem anderen Schließfach zeugt eine viereckige Tomate von Krediten an die
Gentechnik-Industrie. Ein voller Patronengürtel, ein kohlestaubener Sari,
ein durchsägter Baumstamm: Die Schließfächer offenbaren, dass deutsche
Banken Geld auch an Rüstungsfirmen, Kohleförderer und Waldzerstörer
verleihen.
„Das ist ein Thema, das auch an die Schulen muss“, sagt Agnes Dieckmann.
Seit Jahren arbeitet die Kampagnenleiterin von „Urgewald“ mit Lehrkräften
zusammen. Immer wieder hört sie, wie massiv Sparkassen an Schulen werben.
Nicht nur mit Heften und Bleistiften: An Grundschulen verteilen Sparkassen
Gutscheine für die Eröffnung eines Sparkontos. In höheren Klassen verbinden
SchülerInnen den Namen mit dem Planspiel Börse oder Berufsberatungen. Zudem
bewerben sich Sparkassen in zahlreichen kostenlosen Unterrichtsmaterialien
rund ums Thema Geld. Was jedoch mit dem Geld der Anleger geschieht, darüber
sprechen nicht nur Sparkassen ungern. „Bei den meisten Banken und
Versicherungen fehlen nicht nur verbindliche Ausschlusslisten für
problematische Geschäftsfelder“, sagt Dieckmann. „Es fehlt die Transparenz,
für welche Geschäfte sie das Geld der Sparer verleihen.“
Das soll das Lehrwerk „Was macht die Bank mit meinem Geld?“ ändern. Am
Messestand in Köln können PädagogInnen die gedruckte Version gegen einen
Unkostenbeitrag über 12 Euro erstehen – oder wahlweise von der
„Urgewald“-Website kostenlos downloaden. Die Unterrichtseinheiten sind für
die Fächer Sozialkunde und Praktische Philosophie konzipiert und mit dem
nordrhein-westfälischen Lehrplan abgestimmt. Dafür haben zwei Lehrerinnen
aus Leverkusen gesorgt.
## Crashkurs in die Logik der Finanzindustrie
Eine von ihnen ist Maria Yücel. Sie unterrichtet am Lise-Meitner-Gymnasium
Deutsch, Geschichte und Praktische Philosophie. Im vergangenen Sommer
trafen sie und ihre Kollegin sich mit Agnes Dieckmann von „Urgewald“. Im
Herbst hatte Yücel das erste Konzept fertig. Vor Weihnachten startete sie
in ihrer 8. Klasse einen Testlauf mit dem Bankenstoff.
Dabei erhielten die Jugendlichen nicht nur einen Crashkurs in die Logik der
Finanzindustrie: Warum bekomme ich als Anleger Zinsen? Wieso sind sie bei
Fonds höher als auf dem Sparkonto? Kapitel für Kapitel begriffen sie mehr,
dass die Modelle ziemlich viel mit ihrem Alltag zu tun haben. 2012 horteten
deutsche Jugendliche 3 Milliarden Euro auf der Bank. Sie selbst sind – oder
werden – Kunden von Banken, die fragwürdige Kredite vergeben. Über ihre
Verantwortung sollen sich die Schülerinnen und Schüler bewusst werden, sagt
Lehrerin Yücel. „Faire Klamotten und fairen Kaffee kennen sie. Dass man
auch an Banken solche Kriterien anlegen kann, war ihnen neu.“
Wer etwa ein Konto bei der Deutschen Bank hat, finanziert die Kohle- und
Atomenergie. Auch die HypoVereinsbank (HVB), die nach dem Atomreaktorunfall
in Fukushima 2011 vollmundig Änderungen angekündigt hatte, hielt an ihrer
Vergabepraxis fest. Insgesamt acht deutsche Kreditinstitute investierten
zwischen 2010 und 2012 sogar in Atomwaffenhersteller. Schmutzige Geschäfte
finanzieren aber nicht nur Inhaber von Giro- oder Tagesgeldkonten. Auch wer
Geld in Rentenversicherungen von Aachen & Münchener oder Sparkassen anlegt,
unterstützt möglicherweise Rüstungsfirmen wie Airbus Group, Honeywell oder
United Technologies Corporation.
## Aha-Erlebnis Intransparenz
Wie wenig Banken über ihre Kreditvergabe verraten, sollten die SchülerInnen
selbst herausfinden. Dazu sollten sie die Websites der Banken nach Angaben
zu Investitionsfeldern absuchen und ihre Ergebnisse mit ihrer persönlichen
Wunschliste abgleichen. Es stellte sich heraus, dass die konventionellen
Banken die Investitionswünsche ihrer potenziellen Kunden – keine Atom- und
Kohleenergie, keine Hersteller von Waffen und Gentechnikprodukten – in den
wenigsten Punkten berücksichtigen. Oft fanden die SchülerInnen gar keine
Informationen dazu.
„Die Recherche war ein Aha-Erlebnis“, sagt Maria Yücel. „Die SchülerInn…
haben gemerkt: Es gibt Banken, die sich verstecken.“ Ein Lerneffekt, der
sich messen ließ. Zu Beginn fanden es noch viele der Achtklässler
unbedenklich, dass Banken Kredite für Genfood oder Kohleabbau vergeben. Zum
Ende hin wuchs die Kritik.
Auch die Lehrerin ist kritischer geworden – gegenüber dem Engagement der
Sparkassen an den Schulen. Auch in Leverkusen seien die Sparkassen Partner,
etwa beim Planspiel Börse, sagt Yücel. „Ich sage nicht, dass das nicht sein
darf. Aber ein Gegenpol wie unsere Unterrichtseinheiten zu Bankengeschäften
finde ich wichtig.“
Die Unterrichtsmaterialien kritisieren aber nicht nur. Auf den hinteren der
91 Seiten stellen sie auch Banken vor, die klare Ausschlusslisten haben.
Eine dieser Alternativbanken bot der Umweltorganisation „Urgewald“
finanzielle Unterstützung an. „Wir haben lange diskutiert“, sagt
Kampagnenleiterin Dieckmann. Letztlich haben sie sich entschieden, die
Spenden zwar anzunehmen, aber sie ausschließlich für die Reisekosten der
Projektpartner zu verwenden. Es sollte nicht der Eindruck entstehen, dass
sie an Schulen Produkte bewerben.
18 Feb 2016
## AUTOREN
Ralf Pauli
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