# taz.de -- Bankenbranche im Umbruch: Das Ende des Billigkontos | |
> Die Niedrigzinsphase macht auch den deutschen Banken zu schaffen. Ihr | |
> Rezept dagegen: mehr Apps und neue Gebühren. | |
Bild: Selbst Abheben kann künftig kosten | |
Es ist rot, rechteckig und ein Versprechen, das Kindersparbuch der | |
Sparkassen. Es soll schon den Jüngsten vermitteln: Wenn ihr euer Geld auf | |
die Bank legt, bekommt ihr noch mehr Geld, nämlich Zinsen. Doch die Banken | |
halten dieses Versprechen immer seltener. Und nicht nur das: Sie drehen es | |
um: Die Kunden müssen dafür zahlen, wenn sie ihr Geld der Bank geben. Die | |
Zeit des kostenlosen Girokontos geht zu Ende. | |
„Die Banken und Sparkassen fangen gerade an, ihre Gebührenstrukturen zu | |
ändern“, sagt Heike Nicodemus von der Stiftung Warentest. Dabei probierten | |
sie unterschiedliche Modelle aus: Manche versuchen, etwa mit Gebühren für | |
Papierüberweisungen, ihre Kunden ins Online-Banking zu drängen. Andere | |
erheben Gebühren für einzelne Nutzungsformen, wie das Zusenden von TANs, | |
der Transaktionsnummern für das Online-Banking, oder einzelne Karten. Und | |
dann gibt es noch die Flatrates, höhere monatliche Beträge, bei denen alles | |
inklusive sein soll. | |
Nun plant die GLS-Bank einen neuen Schritt: Sie will einen monatlichen | |
Grundbeitrag einführen. Zur Diskussion steht ein fester Sockelbetrag plus | |
eine Gebühr, die sich nach der Höhe der Einlagen, Kredite oder Wertpapiere | |
richtet. Mehr will Sprecher Christof Lützel noch nicht verraten. Die | |
Details des Modells sollen auf der Jahresversammlung in der kommenden Woche | |
vorgestellt werden. | |
Die Pläne der GLS-Bank, genauso wie die Beobachtungen von Heike Nicodemus, | |
sind Zeichen für zwei Entwicklungen, die den Banken zu schaffen machen: die | |
Niedrigzinsphase und die Digitalisierung. Das eine ist für die Banken vor | |
allem Fluch, das andere Fluch und Segen zugleich. | |
„In der Vergangenheit waren die Banken so aufgestellt, dass ein paar | |
tausend Kreditkunden alle Kosten abgedeckt haben“, sagt Lützel. Zwölf | |
Prozent Zinsen für einen Baukredit oder selbst fünf, sechs – da sei | |
ausreichend Marge gewesen, um von Personal bis IT, von der Heizung in der | |
Filiale bis hin zu Zinsen für die Sparer die Kosten zu decken. Auch für | |
Banken, die nicht auf die umstrittenen Vermittlungsprovisionen setzten. | |
„Vor einigen Jahren hätte man sich nicht vorstellen können, dass man mit | |
einer Zinsmarge von unter zwei Prozent überhaupt eine Bank betreiben kann“, | |
sagt der GLS-Sprecher. Nun gelte es, das Gegenteil zu beweisen. | |
## Fintechs gefragt | |
Also neue Einnahmequellen. Und Kostenreduzierung. Den Banken kommt da die | |
Digitalisierung ganz gelegen. Der Abbau von Filialen lässt sich besser | |
kommunizieren, wenn man gleichzeitig verkünden kann, dass online rund um | |
die Uhr Kundenberater per Videochat erreichbar sein werden. Gleichzeitig | |
schafft die Digitalisierung aber neue Konkurrenz: Startups, die sich auf | |
innovative Finanzdienstleistungen spezialisiert haben, die Fintechs. | |
Eine Studie des Wirtschaftsprüfungsunternehmens KPMG kommt zu dem Schluss: | |
Fintechs sind zunehmend gefragt. In Deutschland konnten sie zuletzt ihr | |
Investitionskapital verzehnfachen. 107 Millionen US-Dollar sammelten | |
deutsche Startups aus dem Bereich Finanzdienstleistungen im ersten Quartal | |
2016 ein. Im letzten Quartal des Vorjahrs waren es gerade einmal zehn | |
Millionen. Ihre Dienstleistungen setzen die Banken unter Druck. | |
Es ist ein Wettlauf darum, wer es schafft, den Kunden die bequemste | |
Anwendung zu bieten. Bank und Internet gehören für die meisten Nutzer | |
sowieso zusammen. Laut einer Umfrage des Branchenverbands Bitkom von dieser | |
Woche erledigen 70 Prozent der Internetnutzer ihre Bankgeschäfte online. | |
Ein Drittel davon geht überhaupt nicht mehr in eine Filiale. | |
„Es wird schneller, billiger und es wird viel mehr online gemacht“, sagt | |
Lützel von der GLS-Bank. Welcher Unternehmer ist heute noch auf eine Bank | |
angewiesen, wenn er sich das Geld doch auch per Crowdfunding besorgen kann? | |
Welcher Nutzer auf eine Kreditkarte, wenn er lieber per Smartphone bezahlt? | |
Facebook, Google und Apple bieten ihren Nutzern bereits Möglichkeiten an, | |
Geld zu transferieren. Was für die Kunden bequem ist, ist für die Konzerne | |
ein Weg, die Nutzer im unternehmenseigenen Universum zu halten. Und noch | |
mehr Informationen über sie zu sammeln. | |
Die Geldinstitute reagieren, unterschiedlich auf die Entwicklung. Mehrere | |
Sparkassen wollen bis Jahresende eine App zum Zahlen per Smartphone | |
vorstellen. Die Deutsche Bank kooperiert mit diversen Fintechs – hat aber | |
den Aufbau einer Digitalbank wieder abgesagt. Pointe: Kein Geld da. | |
Dabei läuft es auch bei den Fintechs nicht problemlos. Zu sehen war das | |
etwa in der vergangenen Woche bei Number 26. Das Startup wurde bisher in | |
der Branche hoch gelobt und konnte zwölf Millionen Euro an | |
Investitionskapital einsammeln. Unter anderem bietet es ein kostenloses | |
Girokonto an, das komplett vom Smartphone aus verwaltet werden kann. Nun | |
erhielt eine Reihe von Nutzern die Kündigung. | |
## Bonus für Nichtnutzung | |
Der Grund laut Unternehmen: Die betroffenen Kunden hätten zu häufig Geld am | |
Geldautomaten abgehoben. Eine Abhebung koste die Firma zwischen 1,50 und 2 | |
Euro. 30 Abhebungen im Monat, über einen längeren Zeitraum hinweg – zu | |
teuer. Ein anderes Banking-Startup, Fidor, hat daher einen anderen Weg | |
gewählt: Hier zahlen Kunden ab der dritten Barabhebung am Automaten – für | |
die Nichtnutzung gibt es dagegen einen Bonus. | |
Im Wettbewerb darum, die Kosten zu senken und gleichzeitig neue | |
Einnahmequellen zu erschließen, zeigen sich die etablierten Banken | |
mindestens genauso kreativ wie junge Finanzunternehmer. So erlaubt zum | |
Beispiel die Berliner Sparda-Bank – immerhin eine Genossenschaftsbank – | |
ihren Kunden monatlich zweimal einen Kontoauszug am Kontoauszugsdrucker zu | |
holen. Beim dritten Mal werden 50 Cent fällig. Online-Banking-Kunden, die | |
sich für jede Überweisung eine TAN aufs Handy zuschicken lassen, zahlen ab | |
der dritten Überweisung im Monat 19 Cent. Kleinbeträge, die sich summieren | |
können. | |
Die Haspa in Hamburg, die größte deutsche Sparkasse, berechnet für ein | |
Girokonto bis zu 15,30 Euro im Monat – und je nach Kontoart weitere | |
Beträge, etwa jährliche Gebühren für Karten oder Auszahlungen an der Kasse. | |
25 Euro: Das war die höchste monatliche Giro-Gebühr, die die Stiftung | |
Warentest voriges Jahr bei einer Untersuchung von 1472 Bankhäusern fand. | |
„Viele Kunden scheuen den Kontowechsel“, erklärt Testerin Nicodemus, warum | |
die Strategie der Banken aufgehen kann. Sie rät, die eigenen Wünsche an ein | |
Konto zu prüfen: Welche Karten, wie viele Überweisungen, lieber online oder | |
per Papier, welches TAN-Verfahren? Und dann zu rechnen. Genau wie die | |
Banken auch. | |
10 Jun 2016 | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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