# taz.de -- Das Ende der Berliner Bank: Letzte Überweisung | |
> Die Berliner Bank verschwindet. 600 Beschäftigte bangen um ihre Jobs. | |
> Warum gibt die Deutsche Bank eine angesehene Marke so einfach auf? | |
Bild: Hier geht schon nichts mehr: Filiale der Berliner Bank | |
Berlin taz | Es ist ein milder Wintertag im vergangenen Januar: Hunderte | |
Menschen strömen in die Gedächtniskirche am Zoo zu einer Trauerfeier. | |
Neugierige Touristen fragen, von wem denn Abschied genommen wird: Mit dem | |
Namen Frank Gilly, dem ehemaligen Vorsitzenden der Berliner Bank, der im | |
Alter von 56 Jahren plötzlich verstarb, können sie nichts anfangen. | |
Drinnen haben Bankangestellte in den hinteren Reihen Tränen in den Augen, | |
als Pastor Martin Germer den Verstorbenen als Manager beschreibt, dem es | |
nicht nur um Zahlen, sondern um Menschen ging. Und Deutsche-Bank-Vorstand | |
Rainer Neske zitiert in seiner Rede merkwürdigerweise aus der Personalakte | |
Frank Gillys. „Frank Gilly ist ein selbstständiger, gefestigter Manager“, | |
heißt es in einer Beurteilung, die Neske selbst einst über Gilly | |
geschrieben hat. Und Neske fügt hinzu: „Frank Gilly hat unserem Beruf Ehre | |
gemacht.“ Er betont dies, so als ob er selbst darüber erstaunt ist, dass | |
dies möglich sein kann. | |
Frank Gilly wurde von den Angestellten der Berliner Bank verehrt und von | |
Geschäftspartnern geschätzt. Mit seinen Kontakten half er in der Stadt | |
Projekten und Initiativen. 2013 verließ er die Berliner Bank und ging zur | |
Konzernmutter, der Deutschen Bank. Manche sagen, dass er weggelobt wurde, | |
weil er zu selbstständig geworden war. Die Beurteilung durch Rainer Neske | |
ergäbe so einen besonderen Sinn. | |
Fast ein Jahr später: Im November kündigte die Deutsche Bank das Ende der | |
Berliner Bank an. Und im Nachhinein wirkt es, als ob der Tod Gillys auch | |
den Tod der Berliner Bank eingeläutet hat. | |
## 38 Filialen schließen | |
Bis Ende 2017 soll die Marke verschwinden; die 38 Filialen werden entweder | |
geschlossen oder zu Filialen der Konzernmutter gemacht, die Konten | |
automatisch in Konten der Deutschen Bank umgewandelt. Die 600 Beschäftigten | |
müssen entweder gehen oder kommen bei der Deutschen Bank unter. | |
Die Berliner Bank war über Jahrzehnte eine Institution, besonders im | |
Westteil der Stadt. 1950 wurde sie auf Initiative von Oberbürgermeister | |
Ernst Reuter (SPD) gegründet, um die zerstörte Halbstadt mit Kapital zu | |
versorgen. Wem die Berliner Sparkasse zu piefig und die Banken aus | |
Frankfurt zu kalt waren, hatte ein Konto bei der Berliner Bank. Stark | |
verankert war sie im Mittelstand, weniger bei Großunternehmen. Zuletzt war | |
die Berliner Bank rechtlich nicht mehr selbstständig, sondern nur noch eine | |
Niederlassung der Deutschen Bank. Aber bis zuletzt haben sich | |
Geschäftsführung und Belegschaft von der Frankfurter Zentrale abgegrenzt. | |
„Wir können Berlin“, lautete der Tenor, der Stolz und Identität stiftete. | |
## Für 680 Millionen gekauft | |
Ihr sang- und klangloses Ende wirft viele Fragen auf: Warum gibt die | |
Deutsche Bank eine angesehene Marke auf, die sie erst im Jahr 2006 für 680 | |
Millionen Euro gekauft hat, die den Namen einer wachsenden Stadt trägt und | |
bis zuletzt schwarze Zahlen an die Konzernmutter geliefert hat? Und welche | |
Fehler hat die Deutsche Bank mit ihrer Konzerntochter gemacht? | |
Mitte November: Betriebsversammlung der Berliner Bank im Konzertsaal der | |
Universität der Künste, gleich neben dem Banksitz an der Hardenbergstraße. | |
Die 750 Parkettplätze sind zu zwei Dritteln gefüllt, fast die gesamte | |
Belegschaft ist gekommen. Noch ist die Schließungsnachricht aus Frankfurt | |
nicht bekannt. Personalchefin Ines Scheffler klingt aber schon wie eine | |
Ärztin, die beim Verkünden einer tödlichen Krebsdiagnose die Angst nehmen | |
will: „Ich verspreche Ihnen, mein Team wird Sie sehr engagiert begleiten, | |
egal welchen Weg wir gemeinsam gehen.“ | |
Die Belegschaft quittiert den Satz mit ironischem Gelächter. Die Stimmung | |
bei den jüngeren Mitarbeitern ist auffallend gedrückt, die älteren dagegen | |
wirken abwartend. Sie sind relativ gut abgesichert, weil sie im Notfall mit | |
dem typischen Auffangsystem rechnen können: Altersteilzeit, Vorruhestand, | |
gute Abfindungen. | |
Der neue Deutsche-Bank-Chef John Cryan hat mit seiner „Strategie 2020“ | |
harte Ziele vorgelegt. 200 Filialen sollen in Deutschland geschlossen | |
werden, die Postbank wird verkauft, und von den angekündigten 9.000 | |
Stellen, die gestrichen werden sollen, entfallen allein 4.000 auf | |
Deutschland. In Ballungsgebieten soll stark gekürzt werden. Das kann | |
besonders Berlin treffen: Hier betreibt die Bank neben den Standorten der | |
Berliner Bank 42 eigene Filialen. | |
Aus der Logik der Deutschen Bank heraus ist es nicht erstaunlich, sollte | |
sie wegen der Doppelstrukturen in Berlin streichen. In einigen | |
Geschäftsstraßen finden sich „gelb“ – Berliner Bank – und „blau“ … | |
Bank – in direkter Nachbarschaft. „Es lohnt einfach nicht auf Dauer, zwei | |
Marken in Berlin zu halten“, heißt es in der Frankfurter Zentrale. Ein | |
Sprecher der Deutschen Bank räumt der taz gegenüber zwar ein: „Ohne Berlin | |
im Namen nimmt die äußerliche lokale Prägung ab.“ Fügt indes hinzu: „Ab… | |
unsere Berliner DNA und unser Marktwissen sind auch unter der Marke | |
Deutsche Bank stark. Davon wollen wir die Kunden der Berliner Bank | |
überzeugen.“ | |
Auf der Betriebsversammlung hingegen werden pikante Details laut. Claudia | |
Fieber, die Betriebsratsvorsitzende, merkt an, dass in den vergangenen | |
Jahren die Belegschaft bereits schrittweise halbiert wurde. „Seitdem fehlt | |
es an allen Ecken und Kanten. Es fehlt an Mitarbeitern, Kassen, | |
Empfangsplätzen und Beratertischen, aber auch an Kunden“, wettert sie. Und | |
weiter: „Wir kämpfen um jede Checkliste, jeden Werbebrief und einen | |
vernünftigen Markenauftritt. Wir sind immer später dran als die Deutsche | |
Bank, weil die uns mal wieder vergessen hat.“ Die Bankangestellten, von | |
Berufs wegen eigentlich eher zurückhaltend, johlen und geben dafür den | |
stärksten Applaus an diesem Novembertag. | |
Einige legen nach. Eine Mitarbeiterin beklagt, dass sie wegen jeder | |
Kleinigkeit „nachbetteln“ müsse. Ein anderer sagt: „Was war eigentlich d… | |
Strategie der Deutschen Bank? Wir sollten die kleine Testbank sein, die | |
Dinge ausprobiert. Aber man hat uns nie machen lassen.“ | |
Stefanie Salata, die Geschäftsführerin, steht in High Heels und Hosenanzug | |
auf der Bühne und kann den Vorwürfen wenig entgegensetzen. Man merkt, dass | |
sie längst wenig zu sagen hat und andere die Entscheidungen treffen. „Die | |
Themen sind bekannt“, erklärt sie etwas matt. Dafür gibt sie heikle Zahlen | |
preis: Man habe gar nicht 300.000 Kunden, wie immer nach außen kommuniziert | |
wird, sondern lediglich 260.000. „Wir runden immer ein wenig auf“, sagt | |
sie. Die Bank verliere jeden Monat „600, 700 Kunden“. Über die möglichen | |
Ursachen dieses Rückgangs spricht sie nicht. | |
Am meisten vom Management redet Stefan Bender, den die Frankfurter Zentrale | |
geschickt hat. Er spricht von der „bedrohlichen Lage“ der Gesamtbank. Man | |
habe zu sehr auf Erträge und Marktanteile gesetzt und zu wenig auf | |
„gesundes Wachstum“. Die Profite würden pro Kunde kleiner, oft hätten die… | |
nur ein Girokonto. „Wir wollen mit denjenigen Kunden wachsen, die dafür | |
zahlen“, und meint damit die vermögenderen Kunden. | |
Und auch er verrät delikate Entwicklungen: „Wir verlieren Jahr für Jahr | |
Kunden“, sagt er über die Deutsche Bank. Über die Berliner Bank spricht er | |
praktisch nicht. | |
Das Ende der Berliner Bank ist die Geschichte einer Kränkung. Eine | |
Führungskraft, die namentlich nicht genannt werden will, sagt, dass die | |
Bank bis zuletzt gute Zahlen geliefert habe – sie führt keine eigene | |
Bilanz, die Zahlen sind daher nicht öffentlich. „Wir haben jedes Jahr einen | |
Beitrag zum Ergebnis geleistet und nie Geld gekostet. Wir waren kein Hobby, | |
das man sich leistet, und hatten alle den Ehrgeiz, dem Konzern zu zeigen, | |
dass wir das beim Kauf investierte Geld wert sind. Umso deprimierender ist | |
es, wenn man gute Ergebnisse liefert und die Konsequenz am Ende das | |
Verschwinden der Marke ist“, sagt der Mitarbeiter der taz. | |
Zum vollständigen Bild gehört allerdings, dass die Bank als | |
nichtselbstständige Marke nicht die Kosten hat, die eine „richtige“ Bank | |
aufbringen muss. Ein eigenes Risikomanagement und eine eigene | |
Rechtsabteilung besitzt sie nicht – das sind Abteilungen, die nach der | |
Finanzkrise noch wichtiger und noch teurer geworden sind. | |
## Ende der Vielfalt | |
Ironischerweise ist die Berliner Bank einst im Namen des Wettbewerbs und | |
der Markenvielfalt zur Deutschen Bank gekommen. Als die Berliner | |
Bankgesellschaft, zu der sie gehörte, vor knapp 15 Jahren in eine schwere | |
Krise schlitterte und das Land Berlin milliardenschwere Beihilfen leistete, | |
bestand die EU-Kommission darauf, dass die Berliner Bank bald verkauft | |
werden müsse, da der Marktanteil der landeseigenen Banken zu hoch sei. Die | |
Deutsche Bank griff zu. | |
Der Käufer solle die Bank „als lebensfähige und aktive Wettbewerbskraft in | |
Konkurrenz zur Bankgesellschaft Berlin und anderen Wettbewerbern“ erhalten | |
und entwickeln, hieß es in der Entscheidung der Kommission von 2004, die | |
der damalige Wettbewerbskommissar Mario Monti vorangetrieben hatte. Mit dem | |
Verschwinden der Berliner Bank wird es nun weniger Wettbewerb als vor dem | |
Verkauf geben. Monti, der spätere italienische Premierminister, wollte die | |
Entscheidung der Deutschen Bank auf taz-Anfrage nicht kommentieren, teilte | |
sein Büro mit. | |
Nun stehen langwierige Sozialplan-Verhandlungen an. In der Berliner Bank | |
kursiert die Sorge, dass man beim Kampf um die verbliebenen Stellen zu kurz | |
kommt. In Kreisen der Deutschen Bank wiegelt man ab: Man stehe erst am | |
Anfang des Prozesses, jeder Mitarbeiter habe gleiche Chancen. Claudia | |
Fieber, die Betriebsratsvorsitzende, richtete bei der Betriebsversammlung | |
einen denkwürdigen Appell an die Belegschaft: „Denken Sie an Ihre | |
Gesundheit. Gehen Sie fürsorglich mit Ihren Ressourcen um. Und achten Sie | |
auf Ihre Kollegen.“ | |
16 Dec 2015 | |
## AUTOREN | |
Gunnar Hinck | |
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