| # taz.de -- Neuer UN-Missionschef über Kongo: „Unsere erste Loyalität gilt … | |
| > Martin Kobler leitet seit fünf Wochen die größte UN-Mission der Welt. Im | |
| > taz-Interview fordert er eine „entschlossenere Politik“ gegen | |
| > Kriegsverbrecher. | |
| Bild: Monusco-Soldat im Kongo. | |
| taz: Herr Kobler, Sie leiten seit fünf Wochen die größte UN-Mission der | |
| Welt. Was ist Ihnen dabei besonders wichtig? | |
| Martin Kobler: Unsere Hauptaufgabe ist der Schutz der Zivilbevölkerung. | |
| Hier haben wir Einfluss, um die Werte der UN-Charta durchzusetzen - da kann | |
| man ruhig radikal sein, wenn es um Kindersoldaten oder sexuelle Gewalt | |
| geht. Ich nenne diese Massenvergewaltigungen sexuellen Terrorismus. Es kann | |
| hier keine Toleranz geben. Auch und vor allem gegenüber der kongolesischen | |
| Armee. Es gibt einen Menschenrechts-Check gegenüber den Einheiten, mit | |
| denen wir zusammenarbeiten. Es wird permanent beobachtet und begleitet, da | |
| gibt's kein Vertun. Jeder, der eine Frau vergewaltigt, muss angeklagt | |
| werden. | |
| Vertrauen Sie der Regierung, dass sie das umsetzen kann? | |
| Wir sind ständig in Kontakt mit der Regierung, um das durchzusetzen. Ich | |
| habe einen positiven Eindruck von der Armeeführung, dass es in ihrem | |
| Interesse liegt, solchen Dingen nachzugehen. Ich bin zufrieden mit der | |
| Bereitschaft der Regierung, die Null-Toleranz-Politik durchzusetzen. Das | |
| ist schwierig vor Ort, weil sie keine Kontrolle über manche Gebiete hat. | |
| Aber uns gibt die UN-Resolution 2098 vor, die Staatsgewalt im Osten wieder | |
| herzustellen. | |
| Wieso gibt es so viele bewaffnete Gruppen im Ostkongo? | |
| Die Regierung muss mit Hilfe der internationalen Gemeinschaft Bedingungen | |
| schaffen, dass sich alle, auch Minderheiten, im Land auch zu Hause fühlen. | |
| Man muss Ursachen des Konfliktes bekämpfen, um den bewaffneten Gruppen die | |
| Legitimation zu entziehen. Das andere ist, bestimmte Verhaltensweisen nicht | |
| zu dulden. Der Kongo hat das Recht und die Pflicht, seine Staatsgewalt | |
| auszuüben. Das bedeutet aber auch eine aktivere und entschlossenere Politik | |
| der internationalen Gemeinschaft. | |
| Die UNO ist schon seit 14 Jahren im Kongo. Was soll mit Ihnen anders | |
| werden? | |
| Die Monusco ist lebendiger als manche nationale Administration. Durch die | |
| Resolution 2098 hat eine neue Dynamik eingesetzt. Doch der zivile Teil ist | |
| nicht adäquat im Ostkongo aufgestellt. Kinshasa ist weit weg. Ich versuche, | |
| einen Hauptteil der zivilen Begleitstrukturen für den Osten in Goma | |
| aufzustellen. Einer meiner Stellvertreter wird nach Goma versetzt. | |
| Ist der Kongo jetzt mit der neuen Eingreifbrigade ein Testgebiet für ein | |
| aktiveres UN-Peacekeeping? | |
| Das Mandat ist dasselbe, nur die Instrumente sind verschieden. Das basiert | |
| auf der Analyse, dass die Aktivität der UNO nach 14 Jahren die Lage | |
| stabilisiert haben kann, aber Kohabitation mit den bewaffneten Gruppen nach | |
| wie vor besteht. Wichtig ist, die Staatsautorität wiederherzustellen. | |
| Wie gehen Sie da vor? | |
| Militärische und politische Mittel schließen sich gegenseitig nicht aus. | |
| Die M23 hat Goma angegriffen und wir haben Ernst gemacht mit dem Schutz der | |
| Zivilbevölkerung, auf Seiten der kongolesischen Armee. Ich war selbst in | |
| Goma, ich war in den Stellungen, ich habe selbst die Raketen gesehen, die | |
| auf Goma niedergegangen sind. Jetzt ist Goma außerhalb der Reichweite der | |
| Raketen. Allerdings wollen wir eine politische Lösung. | |
| Wir wollen ja nicht kämpfen! Wir wollen, dass der Staat Kongo das | |
| Gewaltmonopol wieder erhält, in jedem Quadratmeter seines Territoriums. | |
| Dafür haben wir die militärischen Mittel. Wir werden kämpfen, wenn es | |
| gefordert ist. Unser Mandat ist klar: Schutz der Bevölkerung. Jeden Tag | |
| bekomme ich Berichte von Grausamkeiten und Vergewaltigungen auf den Tisch. | |
| Das kann so nicht weitergehen. | |
| Und jenseits der militärischen Mittel? | |
| Wir arbeiten jetzt daran, mit der Regierung Inseln der Stabilität | |
| aufzubauen. Die Idee: Wenn ein Gebiet „befreit“ ist, muss die Regierung – | |
| nicht die UNO - den Staat aufbauen. Wir helfen dabei. Das sind sechs | |
| Elemente: Staatsanwalt, Richter, Schule, Polizei, Sicherheit, Gesundheit, | |
| öffentliche Arbeit. Das Gebiet wird von der kongolesischen Armee mit | |
| unserer Hilfe gesichert. | |
| Das hat man schon öfter versucht. Jetzt soll es klappen? | |
| Ich glaube, es wird jetzt gehen. Die UNO im Kongo wurde ja viel wegen ihrer | |
| Inaktivität kritisiert. Wir müssen uns da in der Tat auch selbstkritisch | |
| hinterfragen. Ich fühle, dass ein Umdenken in der Bevölkerung und der | |
| Regierung stattfindet. Und auch bei der internationalen Gemeinschaft. Ich | |
| bin zuversichtlich, dass Ausbaumaßnahmen jetzt erfolgen. Und wir werden die | |
| Zivilbevölkerung entschlossen verteidigen. | |
| Ist die neue Interventionsbrigade FIB mit 3000 Mann dafür groß genug? | |
| Wir haben 19.000 Blauhelme. Das sind relativ viel - und wenig zugleich. Die | |
| Brigade ist keine Wunderwaffe. In Goma haben wir alle zusammengearbeitet. | |
| Die Frage ist nicht, wie groß die Brigade ist, sondern wie sie mit der | |
| Armee zusammenarbeitet. Dass ein UN-Helikopter landet und ein | |
| Milizenkommandeur kommt und will den Hubschrauber inspizieren, das darf es | |
| nicht geben! Wir haben jetzt neue Instrumente mit Kampfhubschraubern und | |
| Artillerie und Drohnen, das gab es bislang nicht. Ein Drittel der | |
| FIB-Truppen fehlt noch und die Drohnen sind auch noch nicht da. Aber dann | |
| sind wir komplett. | |
| Welche politischen Druckmittel auf Kongos Regierung haben Sie, damit sie | |
| ihren Teil zum Aufbau beiträgt? | |
| Die Kraft des Wortes der internationalen Gemeinschaft und die fünf | |
| Sonderbeauftragten. Ich finde es aber bedauerlich, dass Deutschland und EU | |
| sich aus dem Bereich der Sicherheitssektorreform herausziehen wollen. Das | |
| ist ein falsches Signal. Die Reform des Sicherheitssektors hat absolute | |
| Priorität. Man muss kongolesische Eingreiftruppen aufbauen, die nach | |
| internationalen Menschenrechtsstandards vorgehen. Das ist wichtig. Ich | |
| hoffe, dass die EU ihre Entscheidung revidiert. | |
| Was sagen Sie zur Kritik mancher Kongolesen, die Regierung sei nicht | |
| legitim? | |
| Der Kongo ist ein souveräner Staat. Ich bin grundsätzlich dagegen, zu | |
| warten, bis die nächsten Wahlen stattfinden. Deswegen habe ich eine | |
| Dreierpartnerschaft vorgeschlagen. Zuerst mit dem kongolesischen Volk, dem | |
| unsere erste Loyalität gilt. Und natürlich mit der bestehenden Regierung, | |
| der wir helfen, aber die wir auch kritisch begleiten: Wenn es etwas zu | |
| kritisieren gibt, zögere ich nicht, es zu tun. Die Partnerschaft mit der | |
| internationalen Gemeinschaft ist ein drittes Element. | |
| Was heißt „Partnerschaft mit dem Volk“? | |
| Wenn Leute zu einer UN-Basis kommen und Schutz suchen, öffnen wir die Türen | |
| auf und werden unserem Auftrag, sie zu schützen, gerecht. Ich werde darauf | |
| achten, dass der Schutz der Bevölkerung ernster genommen wird, als wir das | |
| vielleicht in den letzten 14 Jahren getan haben. | |
| 19 Sep 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Dominic Johnson | |
| Simone Schlindwein | |
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