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# taz.de -- 70.-71. Tag FDLR-Unterstützerprozess: Martin Kobler vor Gericht
> Der deutsche Leiter der UN-Mission im Kongo erklärt den Kampf gegen
> Milizen im Kongo und die jüngsten Verhandlungen mit der FDLR.
Bild: Leitet die UN-Mission im Kongo: Martin Kobler.
DÜSSELDORF taz | Große Erwartungen hatte man am OLG Düsseldorf beim Prozess
gegen drei mutmaßliche FDLR-Sympathisanten ruandischer Herkunft in den
Auftritt Martin Koblers gesetzt. Der deutsche Diplomat leitet seit Sommer
2013 die UN-Mission in der Demokratischen Republik Kongo (Monusco). Er
sollte dem Gericht über seine Erkenntnisse und Wahrnehmungen der
Organisation, Ziele und Aktivitäten der FDLR und über Aufgeben und Vorgehen
der Monusco berichten.
Wie für den UN-Demobilisierungsexperten Matthew Brubacher in der Woche
zuvor war Ende August auch für Martin Kobler eine ganze Sitzungswoche
reserviert, aber auch seine Vernehmung war nach zwei Tagen beendet. Auch er
kam in Begleitung eines UN-Zeugenbeistandes.
Die Monusco wolle die bewaffneten Gruppen im Kongo neutralisieren, also
auflösen, die Kämpfer entwaffnen, demobilisieren und den Wiederaufbau
staatlicher Strukturen in den von den Milizen kontrollierten Landesteilen
ermöglichen, erklärte Kobler. Sie umfasse 20.000 Soldaten, darunter seit
einem Jahr 3.000 Interventionskräfte aus Malawi, Tansania und Südafrika.
Das sei neu. Die Monusco könne mit diesen Truppen nun alle bewaffneten
Gruppen angreifen.
Hintergrund sei die Ansicht der internationalen Staatengemeinschaft, dass
traditionelles Peacekeeping im Kongo nicht mehr ausreiche. Daher gebe es
jetzt diese Truppe für den aktiven Kampfeinsatz.
## "Befreite Gebiete"
Kobler spricht viel von staatlichem Wiederaufbau in den „befreiten
Gebieten“ die jetzt nicht mehr von Milizen kontrolliert würden, und von
guter Regierungsführung. “Der erste Einsatz, wir waren gerade im Amt, war
gegen die M23, die uns mit schweren Waffen angegriffen hatte“, schilderte
der Diplomat in Bezug auf die Tutsi-geführte Rebellenarmee, die von Mai
2012 bis November 2013 Teile der ostkongolesischen Provinz Nord-Kivu
kontrollierte und im November 2012 kurzzeitig die Provinzhauptstadt Goma
besetzt gehalten hatte.
„Wir haben mit der kongolesischen Armee zusammen gegen einen militärischen
Gegner gekämpft. Danach ging es auf Wunsch der Kongolesen gegen die ADF,
eine ugandische, islamische Rebellentruppe im Norden. Diese Operation ist
weitgehend abgeschlossen“, so Kobler - eine Aussage, die sich mittlerweile
angesichts wiederholter neuer Angriffe der ADF so nicht erneut treffen
lassen könnte.
“Es gibt etwa 40 oder 50 Mai-Mai-Gruppen“, so Kobler weiter, „als dritte
große Gruppe ist die FDLR noch übrig. Wir bieten ihr friedliche
Repatriierung an. 11.000 FDLR- Leute sind schon zurückgegangen. Unsere
Politik des militärischen Drucks hat Erfolg.“ Es gebe zwar FDLR-Fraktionen,
die nicht zurückgehen wollten, aber das seien Splittergruppen.
In den „befreiten“ ehemaligen M23- und ADF-Gebieten würden die parallelen
Strukturen dieser Gruppen „langsam, sehr langsam“ durch den Wiederaufbau
staatlicher Strukturen ersetzt. „Die Steuern und Zölle, die diese Gruppen
erhoben haben, dienten ja nicht dem Erhalt der Infrastruktur wie Schulen
und Gesundheitswesen, sondern dem Selbsterhalt.“
## Gnadenfrist für die FDLR
Und was ist mit der FDLR? Die habe wiederholt erklärt, dass sie zu einer
friedlichen Entwaffnung bereit sei, so Kobler. Die Monusco solle das
organisieren, die Menschen würden in zwei Lagern zusammengefasst, eines in
Nord-, das andere in Süd-Kivu. Die Politik habe am 2. Juli eine Frist von
sechs Monaten festgelegt.
Danach, also ab Anfang 2015, trete die militärische Option gegen die FDLR
in Kraft. Bisher habe sich die FDLR aber nicht bewegt, sie spiele wohl auf
Zeit.
„Was macht die besondere Gefährlichkeit (der FDLR) aus Sicht der MONUSCO
aus?“ fragte die Vorsitzende Richterin. Diese Frage lieferte Rechtsanwalt
Engels eine Vorlage zum Protest. Das sei keine Frage an einen Zeugen,
sondern an einen Sachverständigen, reklamierte er. Richterin Martine Stein
wies das prompt zurück. Verteidiger Christoph Miseré erklärte, das Kobler
ja gar nichts aus eigener Wahrnehmung über Menschenrechtsverletzungen der
FDLR berichten könne, denn er sei im Tatzeitraum Mai 2011 bis Dezember 2012
gar nicht bei der MONUSCO gewesen. Stein erwiderte, sie habe doch gar nicht
nach Menschenrechtsverletzungen gefragt, nahm aber Miserés Erklärung zu
Protokoll.
Nachdem das geklärt war, konnte Kobler fortfahren. Er habe zwar nicht
ständig, aber regelmäßig Kontakt zur FDLR, besuche die Lager, außerdem gäbe
es von Drohnen gemachte Bildaufnahmen von FDLR-Stellungen, und dazu kämen
die Informationen, die die Demobilisierungsabteilung DDRRR durch die
Befragung der Heimkehrer gewinne. „Die leisten hervorragende Arbeit.“
Die Monusco habe zudem einen Nachrichtendienst, der regelmäßig Berichte
liefere. Diesen Dienst jedoch Geheimdienst nennen, das wolle er nicht, das
sei in der UNO ein Tabu, erklärte er.
Monusco, so Kobler weiter, soll illegale wirtschaftliche Aktivitäten wie
Bergbau, Holzeinschlag und Cannabishandel unterbinden, die weit verbreitete
sexuelle Gewalt eindämmen, Zwangsarbeit beenden und Kindersoldaten
befreien.
## "Grüne" Listen unbedenklicher Armeeeinheiten
„Wir arbeiten nur mit Einheiten der FARDC zusammen, die keine
Menschenrechtsverletzungen begangen haben“, sagt er in Bezug auf Kongos
Regierungsarmee, die immer wieder schwerer Menschenrechtsverletzungen
bezichtigt wird. „Die werden grün auf unseren Listen markiert. Die, die
Verbrechen begangen haben, mit Rot.“
Kobler rechtfertigt die Zusammenarbeit; „Wir brauchen die FARDC, um die
befreiten Gebiete zu halten. Es ist ja ein Gebiet von der Größe Spaniens.“
Die 100.000 Armeeangehörigen seien schlecht ausgerüstet und ernährt. Die
Unterstützung der UNO diene auch dazu, dass die Soldaten sich nicht von den
Feldern der Bauern ernähren müßten.
Die FDLR habe eine starke religiöse und ideologische Komponente, fährt er
fort. Ruanda sei das „Gelobte Land“, zitiert er angeblich bei der Miliz
kursierende Sprüche, ebenso den aus dem Völkermord an den Tutsi 1994
bekannten Spruch „Le travail n‘est pas fini“ Die Arbeit ist noch nicht
beendet).
Die ruandische Hutu-Jugend in den FDLR-kontrollierten Orten im Kongo würde
wohl in den Schulungen der FDLR indoktriniert. Auf der politischen Agenda
stehe aber nicht das genozidäre Element ganz oben an, sondern die Teilnahme
am politischen Prozess in Ruanda selbst.
Die FOCA, der bewaffnete Arm der FDLR, sei in Sektoren unterteilt, die
ebenfalls eine religiöse Komponente hätten. So heiße ein Sektor „Sinai“,
ein anderer „Kanaan“. Die FOCA habe eine gut strukturierte
Kommandostruktur, eine Militärjustiz, es würden Strafen verhängt.
## Katholische Gemeinde Sant'Egidio vermittelt
Kobler schilderte auch die Verhandlungen in Rom im Juni 2014, als die FDLR
scheinbar in ihre Entwaffnung einwilligte. „Die (katholische) Gemeinschaft
Sant‘ Egidio hatte langjährige Kontakte zu den Regierungen Mozambiks und
Kongos und zu den Gemeinden in diesen Ländern“, sagte er. „Der erste
Versuch 2005 scheiterte.“ 2014, mit dem militärischen Druck, habe
Sant‘Egidio einen zweiten Verhandlungsversuch mit der FDLR unternommen.
Koblers Büro habe 2014 Vertreter der FDLR aus Kongo nach Rom gebracht. Die
Namen der Beteiligten wollte er nicht nennen, Geheimhaltung sei zugesagt
worden. Nur so viel verriet er: Nicht teilgenommen haben der
Interimspräsident Victor und Exekutivsekretär Wilson. Teilgenommen hätten
zwei Kommandeure und der in Frankreich lebende Zuständige für
Außenbeziehungen.
Auf dem Treffen wurde die FDLR zur bedingungslosen Niederlegung der Waffen
aufgefordert. Kongos Regierung habe vorgeschlagen, unter den
FDLR-Mitgliedern drei Gruppen zu bilden: Repatriierungswillige, die nach
Ruanda wollen; Integrationswillige, die im Kongo bleiben möchten; und
solche, die in ein anderes Land ziehen wollen.
Zur Zeit befänden sich insgesamt 286 FDLR-Kämpfer und 309
Familienangehörige in den Monusco-Lagern, so Kobler. Die MONUSCO zeige
ihnen Filme über das Leben in Ruanda, und die ruandische Regierung lasse
auch Erkundungstrupps von Rückkehrern zu, die sich umschauen und in ihren
Lagern berichten könnten.
Repatriierungen und Desertionen liefen parallel weiter, aber stark
reduziert und seit dem 2. Juli gar nicht mehr. Im Jahr 2014 seien es
bislang 148 Personen gewesen. „Früher waren es sehr viel mehr.“
13 Nov 2014
## AUTOREN
Annette Hauschild
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