| # taz.de -- 68.-69. Tag FDLR-Unterstützerprozess: Der Debriefer der UN | |
| > Vor dem Gericht in Düsseldorf erinnert sich UN-Demobilisierungsexperte | |
| > Matthew Brubacher an den Krieg der FDLR im Kongo 2009. | |
| Bild: Unter anderem im Demobilisierungslager Mutobo befragte Brubacher ehemalig… | |
| DÜSSELDORF taz | In der Woche vom 19. bis 21. August hatte der Düsseldorfer | |
| Senat im Prozess gegen drei mutmaßliche Unterstützer der ruandischen | |
| Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) als Zeugen den | |
| Kanadier Matthew Brubacher geladen, der jahrelang für das | |
| Repatriierungsprogramm DDRRR (Disarmament, Demobilization, Repatriation, | |
| Reintegration and Resettlement) der UN-Mission im Kongo tätig war. Er hat | |
| auch schon beim Prozess in Stuttgart gegen die beiden politischen | |
| FDLR-Führer Ignace Murwanashyaka und Straton Musoni als Zeuge ausgesagt. In | |
| Düsseldorf sollte Brubacher über seine Erkenntnisse zu den Massakern in | |
| Shario und Busurungi im April und Mai 2009 berichten. | |
| Aufgabe des DDRRR-Programms ist die Entwaffnung, Auflösung, Rückführung und | |
| Reintegration aller irregulärer ausländischer bewaffneter Gruppen im | |
| Ost-Kongo. Brubacher hat im Rahmen seiner Tätigkeit sehr viele | |
| rückkehrwillige Milizionäre befragt und daraus ein umfassendes Bild der | |
| FDLR gewonnen. Die Heimkehrer landen in Ruanda zunächst im Auffanglager | |
| Mutobo, wo ihnen beigebracht wird, wie man in dem Land als Zivilist lebt. | |
| Es gibt Filme, in denen Heimkehrer über ihr neues Leben berichten. Diese | |
| Filme werden im Kongo lebenden Ruandern gezeigt, um sie zu ermuntern, sich | |
| ebenfalls zur Rückkehr zu entschließen. | |
| Vor ihrer Heimreise aus dem Kongo werden die Milizionäre von | |
| DDRRR-Mitarbeitern intensiv über ihr Leben im Wald, ihre Herkunft und | |
| Familie, ihre militärische Einheit und die Operationen, an denen sie | |
| beteiligt waren, befragt. Aus diesem Fundus und seinen eigenen Befragungen | |
| schöpfte Brubacher auch seine Kenntnisse über die Miliz. | |
| Der politische Flügel der FDLR, bis 2009 von Präsident Ignace Murwanashyaka | |
| aus Deutschland heraus geleitet, lege die Gesamtstrategie aus, der | |
| militärische Arm FOCA entscheide dann über die Operationen im Feld unter | |
| Führung von General Sylvestre Mudacumura, sagte Brubacher. Der politische | |
| Flügel in Europa sei nach den Verhaftungen von Murwanashyaka und Musoni | |
| weniger aktiv. Offiziere der FOCA hätten jetzt deren Position übernommen, | |
| vor allem der 2. Vizepräsident Gaston Iyamuremye alias Rumuli bzw Victor | |
| Byiringiro. | |
| ## Je mehr Angriffe, desto mehr Gegenwehr | |
| Die gemeinsame kongolesisch-ruandische Armeeoffensive Umoya Wetu gegen die | |
| FDLR „war für die FDLR ein Schock“, gab Brubacher den historischen Verlauf | |
| wieder. Jahrelang sei sie zuvor relativ ruhig mit der kongolesischen Armee | |
| FARDC und der Bevölkerung ausgekommen. Die plötzlichen Angriffe Anfang 2009 | |
| hätten die Milizionäre überhaupt nicht verstanden. Daher hätten sie mit | |
| einer Gewalteskalation gegen die Bevölkerung geantwortet, um die | |
| humanitären Kosten des Konflikts hochzutreiben, damit die internationale | |
| Gemeinschaft den Druck von ihr nehmen solle. | |
| „Je stärker sie angegriffen wurden, desto heftiger haben sie sich gewehrt.“ | |
| Brubacher berichtete von einem hochrangigen Treffen hoher Kommandeure und | |
| Funktionäre im März 2009, auf dem diese Strategie festgelegt worden sei. | |
| Welche Bedeutung Kommuniques gespielt hätten, und ob die auch an einfache | |
| Soldaten verteilt worden seien, fragte die Vorsitzende Richterin. Manchmal | |
| seien welche versandt worden, erklärte Brubacher. Nach der Verhaftung des | |
| in Paris lebenden FDLR-Exekutivsekretärs Callixte Mbarushimana 2010 habe | |
| dies Laforge Fils übernommen. Im April 2009 habe die kongolesische Armee | |
| ein Massaker im Ort Shario verübt, da habe LaForge Fils seiner Abteilung | |
| ein Kommuniqué zukommen lassen, dem eine Namensliste von 80 Opfern | |
| beigefügt gewesen sei. | |
| Manchmal seien Kommuniqués oder Flugblätter an Soldaten verteilt worden, | |
| wenn zum Beispiele ein Angriff bevorstand. Da habe der Angriffsgrund und | |
| der Name des zuständigen Kommandanten draufgestanden. | |
| “Man kann ja irgendwelche Namen draufschreiben“, zweifelte die Vorsitzende. | |
| „Wir wußten dann, wer welche Taten verübt hatte. Ich habe gelegentlich mit | |
| denen gesprochen, die die Angriffe gemacht hatten“, fuhr Brubacher unbeirrt | |
| fort. | |
| “Wie konnten Sie die Namen zu Angriffen zuordnen?“ fragte Frau Stein. | |
| Erwiderung: „Ich fragte, wer der Kommandant war, welche Einheiten beteiligt | |
| waren und warum sie das getan hätten.“ | |
| ## "Was hat die FDLR/FOCA konkret getan?" | |
| Die Richterin fragte nach den Gründen für Umoja Wetu. „Was hat die | |
| FDLR/FOCA konkret in den Jahren 2009 bis 2012 getan, dass man sie verfolgt? | |
| Antwort: „Das erste war, dass sie sich geweigert hatten, die Waffen | |
| niederzulegen. Im Januar 2009 starteten Kongo und Ruanda eine gemeinsame | |
| Militäroperation gegen sie. Der UN-Sicherheitsrat beschloss, die ruandische | |
| Armee zu unterstützen. Als Reaktion darauf hat die FDLR die | |
| Zivilbevölkerung angegriffen.“ | |
| Brubacher führte detaillierter aus: „2009 arbeitete die FDLR mit einigen | |
| kongolesischen Milizen zusammen, darunter die Mai-Mai-Kifuafua vom Volk der | |
| Tembo. Als die Armee gegen die FDLR vorging, wechselten die Kifuafua die | |
| Seiten und schlossen sich der Armee an. Daraufhin griff die FDLR | |
| Tembo-Dörfer an.“ | |
| Über diese Angriffe wollte Frau Stein mehr wissen. | |
| “Sie kommen und ermorden Menschen. Manchmal werden Menschen getötet, | |
| manchmal Häuser niedergebrannt. Bei größeren Angriffen, zum Beispiel in | |
| Busurungi, war das so,“ erwiderte der Experte. | |
| ## Busurungi, die Armee und die Milizen | |
| Sechs Kämpfer, die bei dem FDLR-Angriff auf sas Dorf Busurungi in der Nacht | |
| zum 10. Mai 2009 beteiligt gewesen waren, hatte Brubacher selbst intensiv | |
| nach Verantwortlichen, Planung und Ablauf des Überfalls befragt. “Busurungi | |
| war eine Basis der FARDC, die den Ort von den Mai-Mai-Kifuafua übergenommen | |
| hatte“, erklärt er den Hintergrund. | |
| Eine FARDC-Einheit aus in die Armee integrierten ehemaligen Kämpfern der | |
| Tutsi-Rebellenbewegung CNDP haben im nahen Shario die FDLR angegriffen, um | |
| Gaston Iramurenye umzubringen. Die FDLR hatte sich aber schon | |
| zurückgezogen, und die Angreifer brachten dort viele Zivilisten um - 80 | |
| stehen auf der Namensliste der FDLR | |
| „Busurungi war ein Racheangriff und die Möglichkeit, die Tembo für den | |
| Verrat zu bestrafen“, so Brubacher. „Die FARDC-Kämpfer flohen aus | |
| Busurungi, wegen dieses Rückzuges wurden viele Menschen getötet.“ Etwa 400 | |
| bis 450 FOCA-Kämpfer des Bataillon Zodiac sollten die FARDC aus dem Ort | |
| vertreiben. “Ich habe die Namen der Verantwortlichen für beide Massaker, | |
| Busurungi und Shario, in meinen Unterlagen.“ | |
| Die Vorsitzende hakte nach: „Waren Busurungi und Shario beides | |
| Tembo-Dörfer?“ | |
| Antwort: „Nein. Die FDLR hatte in Shario ihr Hauptquartier auf einem Hügel. | |
| Unten im Tal war Busurungi, traditionelles Tembo-Gebiet. Außerdem war dort | |
| ein Flüchtlingslager, dass von der FDLR organisiert war, nicht vom UNHCR.“ | |
| „Waren dort Frauen und Kinder?“ | |
| „Ja. Es waren Nachkommen der Leute, die aus Ruanda geflohen und 1996 durch | |
| die Überfälle der ruandischen Armee auf die Lager versprengt worden waren. | |
| Sie bekamen keine Unterstützung vom UNHCR, sie lebten einfach sehr | |
| provisorisch im Wald. Ich bin nie dahin gekommen.“ | |
| “Haben die Bewohner Ihnen verboten, dorthin zu kommen?“ | |
| „Nein, es war einfach zu weit entfernt. Wir hätten die FDLR fragen können.�… | |
| Zusammenfassend sagte Brubacher: „Man muß sagen, dass die FDLR | |
| Strafoperationen durchgeführt hat, um der Bevölkerung eine Lektion zu | |
| erteilen. Sie wollte, dass die Leute mit ihr zusammenarbeiten. Bei den | |
| Mai-Mai ist es ja so, dass sie in der Regel auf die Seite wechseln, die | |
| gerade am Gewinnen ist.“ Alles lachte. 2010 seien die Angriffe abgeflaut, | |
| aber „da hatten die Angriffe der FARDC ja auch aufgehört.“ | |
| ## Woran man Zivilisten erkennt | |
| Der UN-Experte erklärte auch, wie man Zivilisten von Kämpfern unterscheiden | |
| könne - auch das interessierte den Senat. “Wir gaben ihnen eine leere | |
| Kalashnikov. Wenn sie die zügig auseinandernehmen und wieder zusammensetzen | |
| konnten, war die Wahrscheinlichkeit ziemlich hoch, dass die Personen | |
| Kämpfer waren.“ Staunen ringsum. | |
| Staatsanwalt Barthe wollte genauer wissen, welche Rolle die | |
| FDLR-Sondereinheiten namens CRAP gespielt hätten. Am Ende des Tages wird | |
| ein Gutachten des Bundesnachrichtendienstes BND verlesen, in dem steht: | |
| „Eine deutsche Entsprechung der Commandos Recherche et action en profondeur | |
| gibt es nicht, auch wenn eine gewisse Nähe zu Fernspähern (luftbewegliche | |
| Einheiten) die hinter den feindlichen Linien eingesetzt werden, suggeriert | |
| wird. Die CRAP wird in der FDLR als Spezialeinheit verstanden, die für | |
| besonders riskante Einsätze ausgebildet ist.“ | |
| Brubacher führt aus: „Sie betreiben Aufklärung und Erkundung, | |
| Geheimoperationen, können aber auch Angriffe durchführen. Mir fällt ein, | |
| dass es bei der Reservebrigade in Shario eine besonders große | |
| Spezialeinheit gegeben hat.“ | |
| Besonderen Wert legte Barthe aber auf Fragen zur Rolle von Kirche und | |
| Ideologie, die schon den Kindern eingeimpft würde. „Ja, sie sehen sich als | |
| Opfer und leiten daraus ihren Hass auf die Regierung in Kigali ab,“ | |
| erklärte Brubacher. | |
| Die Verteidigung fragte, ob Brubacher hundertprozentig versichern könne, | |
| dass den Heimkehrern in Ruanda nichts geschehe. Nein, nicht | |
| hundertprozentig, so die Antwort, aber es sei wesentlich besser, als im | |
| Kongo zu bleiben. Festnahmen habe es höchstens im Zusammenhang mit | |
| Beteiligung am ruandischen Völkermord 1994 gegeben. | |
| Rechtsanwalt Engels wollte mehr über den General Mudacumura zugeschriebenen | |
| Befehl zum Anrichten einer „humanitären Katastrophe“ unter der | |
| kongolesischen Zivilbevölkerung wissen. Antwort: „Ein Kollege in der | |
| Expertengruppe hat einen Hauptmann vom Bataillon Zodiac befragt, der diesen | |
| Befehl per SMS auf seinem Handy erhalten hatte.“ Der Mann sei jetzt in | |
| Ruanda. Diese Männer will Engels als Zeugen laden lassen. | |
| 12 Nov 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Annette Hauschild | |
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