# taz.de -- FDLR-Prozesse in Deutschland: Terrorprozess und Prozessterror | |
> Zwei Prozesse und fünf Angeklagte: Wie die FDLR-Verfahren in Düsseldorf | |
> und Stuttgart zusammenhängen. | |
Bild: Einer der mutmaßlichen Kriegsverbrecher vor dem Stuttgarter Oberlandesge… | |
STUTTGART/DÜSSELDORF taz | Eigentlich hätte das Verfahren vor dem | |
Oberlandesgericht Düsseldorf innach wenigen Monaten vorbei sein sollen. Das | |
hatten Beobachter bei Prozessbeginn im November 2013 vorausgesagt - obwohl | |
gemeinhin Terrorprozesse in Deutschland mehrere Jahre dauern. Jetzt zieht | |
sich der Prozess gegen drei Ruander mit deutscher Staatsbürgerschaft wegen | |
Unterstützung der im Kongo kämpfenden ruandischen Hutu-Miliz FDLR | |
(Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) schon seit fast einem Jahr | |
hin, und ein Ende ist nicht abzusehen. | |
Gleichzeitig wiederholt sich darin so einiges, was im schon seit über drei | |
Jahren laufenden Prozess gegen die FDLR-Führung vor dem Oberlandesgericht | |
Stuttgart bereits verhandelt worden ist. Das hat seine Gründe. | |
Die drei Ruander in Düsseldorf sind angeklagt, Mitgliederder ruandischen | |
Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) zu sein, die | |
im Osten der Demokratischen Republik Kongo für Kriegsverbrechen und | |
Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich gemacht wird. Laut | |
Anklage haben sie die Organisation aktiv unterstützt. Bernard T. (49), | |
Felicien B. (43) und Jean-Bosco U. (66) wurden im Dezember 2012 in Bonn und | |
Köln verhaftet. Knapp ein Jahr später begann in Düsseldorf der Prozess. | |
Jetzt ist das Verfahren umfangreicher als gedacht. Der Grund: Es muss | |
zuerst nachgewiesen werden, dass es sich bei der FDLR tatsächlich um eine | |
„terroristische Vereinigung“ im Sinne von §129a beziehungsweise §129b des | |
Strafgesetzbuchs handelt. | |
Dann muss im zweiten Schritt festgestellt werden, ob die Angeklagten | |
Mitglieder beziehungsweise Unterstützer waren. Ein solcher Nachweis ist | |
langwierig und kompliziert. | |
## Bis hin zum Bundesgerichtshof | |
Parallel zur Verhandlung in Düsseldorf ist die Frage, ob die FDLR eine | |
„terroristische Vereinigung“ ist, auch Thema beim FDLR-Prozess in | |
Stuttgart. Seit Mai 2011 läuft dort vor dem Oberlandesgericht (OLG) das | |
Verfahren gegen die beiden Ruander Ignace Murwanashyaka und Straton Musoni. | |
Sie sind nicht nur unter dem Völkerstrafgesetzbuch wegen Kriegsverbrechen | |
und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt, welche die FDLR-Kämpfer | |
im Ostkongo begangen haben sollen, sondern auch wegen „Rädelsführerschaft“ | |
(Murwanashyaka) beziehungsweise „Mitgliedschaft“ (Musoni) in einer | |
„terroristischen Vereinigung“. | |
Laut FDLR-Satzung war Murwanashyaka der gewählte Präsident und politischer | |
Führer der Rebellenorganisation, Musoni sein erster Vize. Beide haben laut | |
Stuttgarter Anklage die FDLR von Deutschland aus gesteuert und Verbrechen | |
der FDLR-Kämpfer im Kongo nicht unterbunden, obwohl sie dank ihrer | |
Führungsposition Einfluss hätten ausüben können. | |
Doch der FDLR-Kriegsverbrecherprozess in Stuttgart, der erste in | |
Deutschland nach dem 2002 eingeführten Völkerstrafgesetzbuch, zieht sich | |
schleppend hin, drohte jüngst sogar zu platzen. Mit einem Urteil kann wohl | |
erst im nächsten Jahr gerechnet werden. | |
Und selbst wenn das OLG Stuttgart bereits in einem Urteil festgestellt | |
hätte, dass die FDLR eine terroristische Vereinigung sei, würde dagegen | |
eventuell Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) eingelegt werden. Dann wäre | |
es erst nach einem endgültigen BGH-Spruch rechtskräftig - oder auch nicht. | |
## Befohlener, systematischer Terror? | |
Wie in Stuttgart werden jetzt also parallel dazu im Düsseldorfer | |
Gerichtssaal die gewaltsamen Methoden der FDLR gegenüber der kongolesischen | |
Bevölkerung anhand von Zeugenaussagen dargelegt: Mord, Körperverletzung, | |
Vergewaltigung, Totschlag sowie Erhebung von Steuern und Ausplünderung der | |
Bodenschätze. Es handelt sich nämlich laut §129a des Strafgesetzbuches nur | |
dann um eine terroristische Vereinigung, wenn deren Zwecke oder deren | |
Tätigkeit darauf gerichtet sind, diese Verbrechen gezielt zu begehen oder | |
sie sogar von der Führung angeordnet wurden. Die Gretchenfrage lautet: War | |
dies befohlener, systematischer Terror? | |
Das Gericht in Düsseldorf hat nun begonnen, dieselben Experten und | |
ehemaligen UN-Angestellten zu laden wie vor drei Jahren zu Beginn des | |
Verfahrens in Stuttgart, dazu noch einige mehr - zum Beispiel Martin | |
Kobler, den deutschen Chef der UN-Mission im Kongo. | |
Es ist sogar wahrscheinlich, dass dieselben ex-FDLR-Zeugen nach Düsseldorf | |
geladen werden, die bereits von Ruanda nach Stuttgart gereist waren. Das | |
würde das Verfahren noch viel weiter hinausziehen. Und der Tatzeitraum, von | |
2009 bis 2011, liegt mittlerweile Jahre zurück. | |
## Eigenständige Beweisaufnahme ist Pflicht | |
Aber eine Alternative gibt es nicht. Das Gericht in Düsseldorf muss eine | |
eigenständige, vollständige Beweisaufnahme durchführen, unabhängig vom | |
Prozessgeschehen in Stuttgart. Es kann auch dann nicht auf Teile der | |
Beweisaufnahme verzichten, wenn dieselben Zeugen zu denselben oder zu | |
ähnlichen Tatbeständen schon einmal woanders vernommen worden sind - das | |
ist Vorschrift in der Strafprozessordnung. | |
In jedem Prozess müssen alle Prozessbeteiligten die Gelegenheit haben, | |
Zeugen, Sachverständige oder Gutachter selbst mit eigenen Augen und Ohren | |
zu hören und sie selbst zu befragen. Man kann zwar Unterlagen und Urteile | |
aus parallel laufenden, in der Sache verwandten Verfahren oder früheren | |
Verfahren hinzuziehen, aber das reicht nicht aus, um zu einem Urteil zu | |
kommen. Deswegen muss in Düsseldorf notgedrungen alles noch einmal | |
durchgekaut werden. | |
7 Oct 2014 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
Annette Hauschild | |
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