# taz.de -- FDLR-Unterstützerprozess: Holpriger Beginn in Düsseldorf | |
> Drei Deutsch-Ruander stehen wegen Unterstützung der FDLR-Führung vor | |
> Gericht. Der Verteidiger sorgt zur Prozesseröffnung für Verzögerung. | |
Bild: Zwei der drei Angeklagten hinter dem Hochsicherheitsglas des OLG Düsseld… | |
DÜSSELDORF taz | Vergebens warten vor dem Großen Saal im | |
Hochsicherheitsgebäude des Oberlandesgerichts Düsseldorf Kameraleute und | |
Fotografen am Freitagvormittag auf den Auftritt der Prozessbeteiligten. | |
Erst am späten Nachmittag kann die Anklage verlesen werden. Grund: Anträge | |
der Verteidigung, über die der Senat stundenlang brüten muss. | |
Das waren die Eröffnungszüge in einem Strafverfahren, das voraussichtlich | |
mindestens bis März 2014 dauern wird. Es geht nach §129a und b des | |
Strafgesetzbuches um „mitgliedschaftliche Unterstützung“einer | |
„terroristischen Vereinigung im Ausland“. Gemeint ist die im Kongo aktive | |
ruandische Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), | |
deren in Deutschland lebende politische Führer Ignace Murwanashyaka und | |
Straton Musoni seit Mai 2011 in Stuttgart vor Gericht stehen. | |
Bernard T. (49), Felicien B. (43) und Jean-Bosco U. (66), drei deutsche | |
Staatsbürger ruandischer Herkunft, wurden im Dezember 2012 in Bonn und Köln | |
unter dem Verdacht der FDLR-Mitgliedschaft in der von der UNO als | |
Terroroganisation gelisteten FDLR verhaftet. Gegen elf weitere Personen | |
wird noch in mehreren Bundesländern ermittelt. Das BKA hat dazu eine | |
„Ermittlungsgruppe FDLR“ eingerichtet. | |
## Hinter dickem Sicherheitsglas | |
Die Angeklagten erscheinen im dunklen Anzug. Bernard T. und Felicien B. | |
sitzen hinter einer Wand aus dickem Sicherheitsglas, Jean Bosco U. darf | |
neben seinen Anwälten Platz nehmen. Sie kamen schon vor dem Bürgerkrieg und | |
dem Genozid in Ruanda nach Deutschland, haben hier studiert, gearbeitet, | |
geheiratet, sind Deutsche geworden. | |
Sie hätten sich, so die Anklage, „zu einem nicht näher bestimmbaren | |
Zeitpunkt zu einer Zelle zusammengeschlossen“, um die Aufgaben der | |
inhaftierten FDLR-Führer Murwanashyakas und Musonis zu übernehmen, nämlich | |
Propagandaarbeit für die FDLR. Von September 2009 bis Oktober 2011 hätten | |
sie Dutzende Presseerklärungen und Kommuniqués verfasst und im Internet | |
verbreitet, um das verbrecherischer Vorgehen des militärischen FDLR-Flügels | |
FOCA im Kongo zu leugnen und zu verharmlosen. | |
Bernard T. habe außerdem Murwanashyaka zweimal Geld überwiesen: erst 60 | |
Euro für den Kauf einer SIM-Karte zwecks Telefonkontakt mit der | |
Militärführung im Kongo, später 100 Euro für einen Leihwagen. Das sei ein | |
Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz §34, so Oberstaatsanwältin Sigrid | |
Hegmann, denn Murwanashyaka stehe gemäß den UN-Sanktionen unter einem | |
Embargo der EU. | |
## "Mord, Körperverletzung, Vergewaltigung, Totschlag" | |
„Die FDLR", so die Anklage, "ist eine bewaffnete Rebellentruppe, die | |
überwiegend aus ruandischen Hutu besteht und die ihr Operationsgebiet in | |
den Provinzen Nord- und Süd-Kivu im Osten der Demokratischen Republik Kongo | |
hat. Sie ist hervorgegangen aus ruandischen Völkermördern der ehemaligen | |
ruandischen Armee und der Miliz der Interahamwe.“ | |
Sie sei in das Machtvakuum im kongolesischen Osten eingedrungen und übe | |
dort ihre Gewaltherrschaft durch Mord, Körperverletzung, Vergewaltigung, | |
Totschlag an der Zivilbevölkerung sowie eigenmächtige Erhebung von Steuern | |
und Ausplünderung der Bodenschätze aus. „Da das Ziel des Sturzes der | |
Regierung Kagame unerreichbar ist, beschränken sich die Aktivitäten der | |
FDLR derzeit darauf, ihre Herrschaft über die Zivilbevölkerung im Ostkongo | |
zu festigen.“ | |
Die FDLR sei Teil der vielfältigen Kriegshandlungen aller beteiligten | |
Staaten in diesem Gebiet. Der bewaffnete Arm der FDLR, die Forces | |
Combattantes Abacunguzi (FOCA) sei wie eine Armee aufgebaut und die | |
politische Führung der FDLR sei zugleich die oberste Führung der Miliz. Sie | |
sei dazu aufgebaut worden, um die Verstöße der Miliz gegen die | |
Menschenrechte zu leugnen und sich zu Friedensverhandlungen anzubieten. | |
## „Ein breites Netz“ | |
Das Führungstrio bestehe aus dem Präsidenten Murwanashyaka dem | |
Vizepräsidenten Musoni sowie aus dem mittlerweile wieder auf freien Fuß | |
befindlichen Callixte Mbarushimana, Exekutivsekretär der FDLR. Die | |
Kommunikation mit der Führung der Miliz erfolgte über alle zur Verfügung | |
stehenden technischen Mittel wie Satellitentelefon, Internet und so weiter. | |
„Die Befehle wurden bis zum einfachen Fußsoldaten umgesetzt. Trotz des | |
Wechsels (gemeint sind die Verhaftungen) an der Spitze kann die FDLR auf | |
ein breites Netz an Personen zurückgreifen,“ so Hegmann. | |
Die Zivilbevölkerung in den Kivu-Provinzen habe sich der FDLR zu fügen. | |
Übergriffe habe es besonders immer dann gegeben, wenn die reguläre | |
kongolesische Armee ihren Druck auf die FDLR verstärkt habe, z.B. mit der | |
Militäroperation Umoja Wetu gemeinsam mit der Armee Ruandas 2009. Damit | |
verfolge die FDLR zwei Ziele: die Bevölkerung gegen die reguläre Armee | |
aufbringen, weil diese sie nicht schütze, und eine internationale | |
Intervention in Ruanda zu erzwingen. | |
## Besetzungsrüge und Befangenheitsantrag | |
Da die beiden Staatsschutzsenate des OLG Düsseldorf bis Ende 2014 | |
ausgebucht sind, wurde für die neue Anklage eigens der Hilfsstrafsenat 6a | |
gebildet. Für die Verteidigung natürlich ein willkommener Anlass für eine | |
Besetzungsrüge, denn nach dem ursprünglichen Geschäftsverteilungsplan | |
sollte einer der beiden regulären Strafsenate zuständig sein. | |
Gleich zu Beginn der Sitzung warf Bernard T.s Verteidiger Karl Engels den | |
Richtern Befangenheit und Rechtsbeugung vor und stellte einen Antrag auf | |
Ablehnung des Senats. Begründung: Der Wissenschaftler Gerd Hankel vom | |
Hamburger Institut für Sozialforschung wurde mit der Erstellung eines | |
Gutachtens über die Menschenrechtslage und die der FDLR zur Last gelegten | |
Verbrechen beauftragt. Dabei sei die allein den Richtern obliegende | |
Tatsachenfeststellung unzulässigerweise auf den Gutachter übertragen | |
worden, so die Verteidigung. | |
## Gerd Hankels Gutachten, ein „Elaborat“? | |
„Dieses Elaborat“, wie Engels das in der Akte vorhandene, aber noch nicht | |
in die Hauptverhandlung eingebrachte Gutachten Hankels nannte, erfülle | |
keinesfalls die Anforderungen an ein Gutachten für einen Straprozess. Die | |
Befangenheit des Gutachters drücke sich schon dadurch aus, dass Hankel die | |
militärischen Rangbezeichnungen für FDLR-Befehlshaber in Anführungszeichen. | |
Es sei von „General“ Mudacumura die Rede, anders als beispielsweise bei | |
Kommandeuren der M23. | |
Engels monierte weiterhin Hankels Ausführungen über das Verhalten der FDLR: | |
„Wo sie waren, sind rote Flecken auf der Landkarte“ und „seit 2009 zieht | |
sie eine Blutspur hinter sich her“. Die FDLR werde von Hankel als | |
„kriminell“ bezeichnet. So weit sei nicht einmal die Anklage in Stuttgart | |
gegangen. | |
Vier Stunden lang brütet ein Stellvertretersenat über den | |
Befangenheitsantrag. Er wird abgelehnt. Für die Besetzungsrüge will der | |
Senat sich viel Zeit nehmen. Die nächsten beiden Verhandlungstage sind | |
abgesagt, Erst am nächsten Freitag soll es weitergehen. Dann will Jean | |
Bosco U. sich zur Person und zur Sache äußern. | |
18 Nov 2013 | |
## AUTOREN | |
Annette Hauschild | |
## TAGS | |
FDLR | |
Ignace Murwanashyaka | |
Straton Musoni | |
Ruanda | |
Hutu | |
Tutsi | |
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess | |
FDLR | |
FDLR | |
FDLR | |
FDLR | |
FDLR | |
FDLR | |
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess | |
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess | |
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess | |
Schwerpunkt Völkermord in Ruanda | |
Schwerpunkt Völkermord in Ruanda | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
68.-69. Tag FDLR-Unterstützerprozess: Der Debriefer der UN | |
Vor dem Gericht in Düsseldorf erinnert sich UN-Demobilisierungsexperte | |
Matthew Brubacher an den Krieg der FDLR im Kongo 2009. | |
FDLR-Prozesse in Deutschland: Terrorprozess und Prozessterror | |
Zwei Prozesse und fünf Angeklagte: Wie die FDLR-Verfahren in Düsseldorf und | |
Stuttgart zusammenhängen. | |
20.-26. Tag FDLR-Unterstützerprozess: Das Impala-Orchester | |
Wieso hatte ein Angeklagter die Stuttgarter Anklageschrift gegen | |
FDLR-Präsident Murwanashyaka unterm Bett? Und warum schimpft ein | |
Gesprächspartner über Impalas? | |
11.-19. Tag FDLR-Unterstützerprozess: Post aus dem afrikanischen Weltkrieg | |
Der Angeklagte U. hatte eine Mitgliederliste der Exilpartei RDR und stand | |
selbst drauf. Und er bekam Post von seinem im Kongo kämpfenden Großneffen. | |
5.-10. Tag FDLR-Unterstützerprozess: Lebensgeschichten aus dem Exil | |
Während sich die drei Angeklagten in Düsseldorf streiten, erklären sie ihre | |
Biografien: Sie bewegen sich zwischen Vereinsmeierei und Coltanhandel. | |
2.-4. Tag FDLR-Unterstützerprozess: Der Großonkel des Kommandeurs | |
Bewegtes Leben: Der Angeklagte Jean-Bosco U verlor Angehörige in Ruandas | |
Völkermord, arbeitete dann in Bonn als Diplomat und half später der FDLR. | |
Kriegsverbrecher-Prozess in Stuttgart: Vor der Richterbank ist Wahrheit relativ | |
Seit Mai 2011 stehen in Stuttgart zwei Hutu-Milizenführer wegen | |
Kriegsverbrechen im Kongo vor Gericht. Auch das Gericht selbst steht auf | |
dem Prüfstand. | |
Chronologie Hutu-Milizenführer: Der Weg des Verbrechens | |
Wie sah der Anklageweg der ruandischen Hutu-Milizenführer Ignace | |
Murwanashyaka und Straton Musoni aus, die wegen Kriegsverbrechen angeklagt | |
wurden? Eine Chronologie. | |
Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Vergewaltigt, versklavt, getötet | |
Tötung, Vergewaltigung... Was die Bundesanwaltschaft genau den ruandischen | |
Hutu-Milizenführern Murwanashyaka und Musoni vorwirft. | |
Ruanda-Völkermordprozess in Frankfurt: "Das ist ein Tutsi, ja" | |
Wie spricht man vor einem deutschen Gericht über den Völkermord in Ruanda? | |
Ein Besuch beim Prozess gegen den Exbürgermeister Onesphore Rwabukombe. | |
Ruanda-Völkermordprozess in Frankfurt: Tag 3: Krieg um die Gutachter | |
Am 3. Verhandlungstag gegen den ruandischen Exbürgermeister Onesphore | |
Rwabukombe lehnt das OLG Frankfurt einen der beiden Sachverständigen wegen | |
Befangenheit ab. |