| # taz.de -- 20.-26. Tag FDLR-Unterstützerprozess: Das Impala-Orchester | |
| > Wieso hatte ein Angeklagter die Stuttgarter Anklageschrift gegen | |
| > FDLR-Präsident Murwanashyaka unterm Bett? Und warum schimpft ein | |
| > Gesprächspartner über Impalas? | |
| Bild: „Die Impalas spielen wieder“, sagt einer. | |
| DÜSSELDORF taz | Vom 20. bis 26. Sitzungstag beim Prozess gegen drei aus | |
| Ruanda stammende mutmaßliche Sympathisanten der Hutu-Miliz FDLR | |
| (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) am OLG Düsseldorf werden die | |
| Hausdurchsuchung bei Bernard T. verhandelt, die Statuten und das Programm | |
| der FDLR vorgetragen, verschiedene Zeuginnen vernommen und abgehörte | |
| Telefonate verlesen. | |
| Gleich zu Anfang ein Skandal: Bei der Hausdurchsuchung war unter Bernards | |
| Bett eine Kopie der Anklageschrift gegen Ignace Murwanashyaka aufgetaucht, | |
| den Präsidenten der FDLR, der seit 2011 vor dem OLG Stuttgart vor Gericht | |
| steht. Die wurde nun mitsamt Bernards schriftlichen Anmerkungen verlesen. | |
| Hintergrund: die drei in Düsseldorf Angeklagten hatten Rechtsanwalt Steffen | |
| Gallas gefragt, wie sie dem inhaftierten Murwanashyaka helfen könnten. Das | |
| ist ein Punkt der Anklage gegen Bernard T. Es ist ja nicht verboten, einen | |
| Anwalt bei der Vorbereitung einer Verteidigung zu unterstützen, aber bei | |
| einem „Mitglied einer terroristischen Vereinigung“ sehe die Sache anders | |
| aus: Das sei eine Unterstützungshandlung und damit strafbar, ist der | |
| Standpunkt der Ankläger. | |
| Dazu kommt, dass die Namen der Beteiligten, Zeugen etc in dem Dokument | |
| offenbar nicht geschwärzt waren. Wie aber kommt das Dokument in Bernards | |
| Besitz? | |
| Die Verteidiger machten sich Sorgen, dass dies ein Präzedenzfall für die | |
| weitere Arbeit als Anwälte sein könnte. In der Pause schauen die | |
| Rechtsanwälte sehr bedenklich drein und äußern die Befürchtung, dass jetzt | |
| alle Verteidiger unter Generalverdacht stehen könnten. | |
| ## „Die Tutsi sind Hunde“ | |
| ## | |
| Die Statuten, Satzung und das Programm der FDLR wurden schon in Stuttgart | |
| ausführlich dargestellt. Besonderes Gewicht legte man in Düsseldorf auf die | |
| Frage, ob die FOCA (Forces Combattantes Abacunguzi, der Name für den | |
| militärischen Flügel der FDLR) und die FDLR das Gleiche nur mit | |
| unterschiedlichem Namen sei. | |
| Von Bernards Telefonanschluss wurden oft längere Anrufe getätigt, | |
| vorwiegend abends oder nachts. Dann sind die Leute zuhause, die Kinder im | |
| Bett. Es kam sogar vor, dass die Angerufenen aus dem Schlaf geweckt wurden. | |
| Der Anrufer nannte sich Johann oder Jean, er hatte offenbar viel Zeit, er | |
| rief oft an. Er schimpft viel auf die Tutsi; die „Inyenzi“ (Ungeziefer), | |
| wie er sagte, seien Hunde. Sie würden Leute vergiften. Und immer wieder: | |
| „Ich werde abgehört“. | |
| Und ab und zu fällt der Satz: „Die Impalas spielen wieder.“ Ist damit nur | |
| das ruandische Orchester „Impalas“ gemeint oder doch etwas anderes, fragen | |
| sich Ankläger und Senat. | |
| ## Die Zeugen, die nichts wissen | |
| Die Telefongespräche sind vor fast drei Jahren geführt worden, teilweise | |
| spätabends oder nachts, im Jahr 2011. Es ist sicher nicht lebensfern, wenn | |
| bei Zeugen nach diesem Zeitraum Erinnerungslücken auftreten. Aber so | |
| massiv, wie es hier der Fall ist, fällt es schon auf. | |
| Die Zeugin M aus dem Kongo ist so ein Fall. Bei der polizeilichen | |
| Vernehmung hatte sie die Namen der beiden Angeklagten in Stuttgart, | |
| Murwansashyaka und Musoni, sowie den des in Düsseldorf angeklagten Felicien | |
| B. und zwei weitere als FDLR-Leute in Deutschland auf einen Zettel | |
| geschrieben. | |
| Vor Gericht wurde sie auf Kinyarwanda vernommen. Die Frau ist seit 2009 in | |
| Deutschland, hat Asyl erhalten, ihr Mann ist im Kongo gestorben. Sie hat | |
| zwei kleine Kinder. Sie war schwanger, als sie nach Deutschland kam. | |
| Bernard habe ihr geholfen. | |
| Aber wann sie ihn kennengelernt habe - bei dieser Frage verlässt ihr | |
| Gedächtnis sie. Sie habe viele Probleme und sei krank, erklärt sie. | |
| Plötzlich bekommt sie Angst und will mitten in der Vernehmung einen Anwalt | |
| hinzuziehen. | |
| Ratlosigkeit im Saal: Rechtsanwalt Christoph Miseré meint, die Zeugin könne | |
| wohl ohne einen Anwalt keine Auskünfte mehr geben, Verteidiger Karl Engels | |
| vermutet: „Sie belastet sich selber“. | |
| Dann geht es nur noch stockend weiter. „Haben Sie gern mit Bernard T. | |
| gesprochen?“ „Wir haben miteinander gesprochen.“ - Haben Sie Angst vor | |
| einem der Angeklagten?“ „Ich habe keine Angst.“- „Wer sind die Impalas?… | |
| „Ich weiß nur, dass es ein Orchester in Ruanda war.“ | |
| ## Gluckernde Geräusche im Telefon | |
| Ihre Erinnerung ist ziemlich lückenhaft. Die Aufzeichnung eines Telefonats | |
| zwischen Bernards Anschluss und ihr aus dem Jahr 2011 wird vorgespielt: 29 | |
| Minuten, in Kinyarwanda geführt. Dann wird die Übersetzung vorgelesen, mit | |
| verteilten Rollen. Das Gespräch findet abends statt, zunächst geht es um | |
| Privatangelegenheiten, dann drängt der Mann die Frau, den inhaftierten | |
| Murwanashyaka zu besuchen. Er selbst habe Besuchsverbot. | |
| Die Frau klingt zögerlich, sie weiß nicht, wie sie eine Besuchserlaubnis | |
| bekommen soll. Er erklärt es ihr. Dazu gibt es einen Austausch über ihre | |
| Kinder, ihre Familie und die Arbeit. | |
| Der Anrufer ist hörbar gut gelaunt, spricht viel, schnell und lacht oft. Im | |
| Hintergrund sind oft gluckernde Geräusche zu hören, als werde eine Flasche | |
| geöffnet. Ist er alkoholisiert? Gelegentlich wird Felicien B hinter der | |
| Glasscheibe noch eine Spur dunkler im Gesicht. Schämt er sich seines | |
| Freundes? | |
| Die Verteidiger werden nicht müde, in Pausengesprächen darauf hinzuweisen, | |
| dass Bernard wohl ein Alkoholproblem habe. Das sei doch nicht zu überhören. | |
| Der Angeklagte streitet dies ab. | |
| Die Zeugin drängt. Es ist Nachmittag, kurz vor 17 Uhr, sie muß nach Hause. | |
| Als sie schließlich um kurz vor sechs entlassen wird, sieht man, wie ihr | |
| ein Stein vom Herzen fällt. Sie hat es eilig aus dem Saal zu kommen, denn | |
| der Heimweg ist weit und die Kinder warten. | |
| ## Bernard und Johann | |
| Die nächste Zeugin, Frau A, ist gewitzter, auch mit ihr hat es der Senat | |
| nicht einfach. Sie stammt aus Ruanda und hat in Deutschland Asyl beantragt. | |
| Ihr gegenüber nannte Bernard T. sich „Johann“. Er half ihr mit Hinweisen, | |
| sich bei Behörden zurechtzufinden, bei der Wohnungssuche, und warb sie für | |
| eine Mitgliedschaft in der Partei FDLR. | |
| Von dem E-Mail account „Jean Mateka“ gingen bei ihr Nachrichten und Bilder | |
| aus dem gleichnamigen Blog ein. „Ich weiß nicht, ob Jean Mateka eine echte | |
| Person ist oder eine Zeitung“, sagt sie dazu. | |
| “Haben Sie sich nicht manchmal gewundert, dass Sie Johann nie getroffen | |
| haben?“ fragt die Vorsitzende Richterin Martine Stein. „Wir haben uns | |
| manchmal verabredet, es hat aber nie geklappt, weil er viel beschäftigt | |
| ist. Er hat mir gesagt, dass er Bauingenieur sei“, war die Antwort. | |
| ## Ignace Murwanashyaka „wie Angela Merkel“ | |
| Sie ist genauso einsilbig wie Frau M vor ihr. | |
| Politiker wie Murwanashyaka „kennt jedes Kind, wie in Deutschland Angela | |
| Merkel“, sagt sie. Wieder werden abgehörte Telefongespräche vorgespielt, an | |
| diesem Tag allein vier. „Johann“ eröffnet ihr, dass er abgehört werde. �… | |
| Ermittlungen laufen noch, ich darf keinen Fehler machen. Ich will Dich | |
| nicht in die Schusslinie bringen. Ich werde abgehört, und sie geben es an | |
| die Inyenzi weiter.“ | |
| Er befürchtet also, dass die deutschen und ruandischen Behörden bei der | |
| Überwachung und Verfolgung von Exilruandern zusammenarbeiten. | |
| ## „Dort sind 40.000 Ruander. Alle lügen“ | |
| Es geht in dem Gespräch auch um die Freilassung von Callixte Mbarushimana, | |
| der kurzzeitig beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag | |
| inhaftierte Exekutivsekretär der FDLR, und Bernards bevorstehende Reise in | |
| den Kongo, wo er eine Flasche Prosecco auf dessen Freilassung leeren wolle. | |
| Und über die in Belgien lebenden Ruander: „Dort sind fast 40.000 Ruander. | |
| Alle lügen“. | |
| Auch hier immer wieder Erinnerungslücken, bis die Vorsitzende schließlich | |
| entnervt sagt: „Ich glaube Ihnen nicht, dass Sie sich nicht erinnern.“ | |
| Die Zeugin erwidert: „Es ist so.“ | |
| Es entspinnt sich ein Wortgefecht: Staatsanwalt Christoph Barthe verlangt, | |
| der Senat solle die Zeugin auf ihre Wahrheitspflicht hinweisen, sie solle | |
| sich mehr anstrengen. Rechtsanwalt Martens wirft ein: „Soweit ich heute | |
| früh mitbekommen habe, ist die Zeugin nicht richtig belehrt worden. Sie hat | |
| wohl nicht ganz verstanden, dass es Fragen gibt, die sie nicht beantworten | |
| muss.“ | |
| Die Vorsitzende entscheidet: „Sie hat sehr wohl verstanden. Es gibt keinen | |
| Grund, sie noch mal zu belehren.“ | |
| Ist es nur die natürliche Angst vor Auftragsmördern des ruandischen | |
| Geheimdienstes oder der immer noch weit verbreitete Glaube an Hexerei? | |
| Jedenfalls äußert „Johann“ oder Bernard hin und wieder die Angst, vergift… | |
| zu werden. | |
| Bisher sind alle Fragen des Senats und der Bundesanwaltschaft über mögliche | |
| Giftattacken allerdings negativ beantwortet worden. Immerhin werden den | |
| ruandischen Zeugen diese Fragen jetzt gestellt. | |
| 30 May 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Annette Hauschild | |
| ## TAGS | |
| FDLR | |
| Ignace Murwanashyaka | |
| OLG Düsseldorf | |
| Ruanda | |
| Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess | |
| FDLR | |
| Afrika | |
| FDLR | |
| FDLR | |
| FDLR | |
| FDLR | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| 40.-41. Tag FDLR-Unterstützerprozess: Der Experte erinnert sich | |
| Der Niederländer Hans Romkema erforschte die FDLR vor zehn Jahren. Nach | |
| einer grenzwertigen Befragung in Stuttgart 2011 kann er nun in Düsseldorf | |
| entspannt auftreten | |
| 28. Tag FDLR-Unterstützerprozess: Darf man Priester ausfragen? | |
| Ein katholischer Priester aus Ruanda telefonierte aus Versehen mit einem | |
| der Angeklagten in Düsseldorf. Ist das als Beweismittel zulässig? | |
| 11.-19. Tag FDLR-Unterstützerprozess: Post aus dem afrikanischen Weltkrieg | |
| Der Angeklagte U. hatte eine Mitgliederliste der Exilpartei RDR und stand | |
| selbst drauf. Und er bekam Post von seinem im Kongo kämpfenden Großneffen. | |
| 5.-10. Tag FDLR-Unterstützerprozess: Lebensgeschichten aus dem Exil | |
| Während sich die drei Angeklagten in Düsseldorf streiten, erklären sie ihre | |
| Biografien: Sie bewegen sich zwischen Vereinsmeierei und Coltanhandel. | |
| 2.-4. Tag FDLR-Unterstützerprozess: Der Großonkel des Kommandeurs | |
| Bewegtes Leben: Der Angeklagte Jean-Bosco U verlor Angehörige in Ruandas | |
| Völkermord, arbeitete dann in Bonn als Diplomat und half später der FDLR. | |
| FDLR-Unterstützerprozess: Holpriger Beginn in Düsseldorf | |
| Drei Deutsch-Ruander stehen wegen Unterstützung der FDLR-Führung vor | |
| Gericht. Der Verteidiger sorgt zur Prozesseröffnung für Verzögerung. |