# taz.de -- 2.-4. Tag FDLR-Unterstützerprozess: Der Großonkel des Kommandeurs | |
> Bewegtes Leben: Der Angeklagte Jean-Bosco U verlor Angehörige in Ruandas | |
> Völkermord, arbeitete dann in Bonn als Diplomat und half später der FDLR. | |
Bild: Der Angeklagte Jean-Bosco U (verpixelt) mit seinem Anwalt im OLG Düsseld… | |
DÜSSELDORF taz | Die Sitzungstage 2 bis 4 des FDLR-Unterstützerprozesses in | |
Düsseldorf waren dem Geständnis des ältesten der drei Angeklagten, Jean | |
Bosco U gewidmet. Der 67jährige ist krank und möchte das Verfahren zügig | |
abschließen. Ihm wird redaktionelle Mitarbeit an fünf Kommuniqués der im | |
Kongo kämpfenden ruandischen Miliz „Demokratische Kräfte zur Befreiung | |
Ruandas“ (FDLR) aus dem Jahr 2011 vorgeworfen. Zu diesem Zeitpunkt war die | |
FDLR von der UNO längst als „terroristisch“ gelistet worden. | |
Die Texte wurden von FDLR-Sprecher Bazeye LaForge Fils aus dem Kongo per | |
email geschickt. „Ich habe die Form gelassen, aber die Grammatik | |
verbessert. Der Rechtsanwalt von Ignace Murwanashyaka, Herr Gallas, wollte | |
die Texte haben,“ erklärt U. | |
Zwischenfrage der Vorsitzenden: „Warum?“ | |
Antwort: „Wie jeder Anwalt wollte er seinen Mandanten besser kennenlernen.“ | |
Und weiter: „Ich erkannte bald, dass das erste Kommuniqué für Herrn Gallas | |
gedacht war, aber die anderen nicht. Das wunderte mich.“ Sie waren | |
Gegendarstellungen zu Berichten des Radiosenders Radio Okapi und wurden auf | |
die ruandische Exilanten-Webseite Democratic Human Rights DHR eingestellt. | |
## Im Kosovo einen späteren FDLR-Führer getroffen | |
U ist ein Ex-Diplomat , der zuletzt seit 2000 beim Volunteerprogramm der | |
Vereinten Nationen tätig war und davor, von 1994 bis 2000 - also in den | |
Jahren nach dem Völkermord - in der Botschaft Ruandas in Bonn zuständig für | |
Tourismus und das Partnerschaftsprogramm Rheinland-Pfalz-Ruanda; er war | |
damals zeitweilig auch Vertreter des Botschafters. Im Kovoso habe er | |
Callixte Mbarushimana getroffen, den späteren FDLR-Exekutivsekretär, der | |
auch bei den UN-Volunteers gewesen sei. | |
U zählt sich zu den „gemäßigten Hutu“, die im Völkermord 1994 ebenfalls | |
Zielscheibe der Extremisten waren; er sagt, er habe beim Genozid mindestens | |
40 Familienmitglieder verloren, Hutu und auch Tutsi. Sein Bruder sei 1994 | |
ermordet worden, weil man ihn, Jean-Bosco, als Verräter an der Sache der | |
Hutu beschuldigt habe und bestrafen wollte, sagt er. | |
Entgegen der Aufforderung der späteren ruandischen Hutu-„Exilregierung“ im | |
Kongo, die aus flüchtigen Mitverantwortlichen für den Völkermord bestand, | |
habe er 1994 den neuen ruandischen Präsidenten Pasteur Bizimungu, also | |
seinen Dienstherrn, bei dessen Staatsbesuch in Bonn im September 1994 | |
empfangen. | |
## FDLR-Präsident Murwanashyaka kam zum Kirchenteffen | |
Wie kommt ein Ruander mit dieser Geschichte zur FDLR, die 2000 im Kongo als | |
politische Organisation der geflohenen ruandischen Völkermordarmee | |
gegründet wurde? Bei Treffen, zu denen U als Botschaftsattaché die in | |
Deutschland lebenden Ruander regelmäßig einlud, lernten die drei | |
Angeklagten sich kennen. | |
Alle drei wurden Mitglied in einer katholischen Kirchengemeinde in Bonn, | |
luden sich gelegentlich zum Essen ein oder zu Festen. Auch Ignace | |
Murwanashyaka, der spätere FDLR-Präsident, war Mitglied dieser | |
Kirchengemeinde. Bernard, Felicien und Ignace trafen sich. Das sei eine | |
Angelegenheit unter den jungen Leuten, da sei er nicht dabei gewesen, | |
erläutert U. | |
Ignace Murwanashyaka habe eine Jugendorganisation unter Exil-Ruandern | |
aufbauen wollen. „Ich wollte nicht, dass er meine Kinder dafür anspricht,“ | |
erklärt U. „ Sie sind im Ausland geboren und sollten nichts mit Politik zu | |
tun haben.“ | |
Ruandische Studenten in Deutschland gründeten im April 1994 den Verein | |
Akagera Rhein e.V, der in Opposition zu Ruandas neuer Tutsi-geführter | |
Regierung stand. Daraus sei später eine Partei und dann ein Anhängsel der | |
FDLR geworden. Man habe ihm die Gründung des Vereins erst im Nachhinein zur | |
Kenntnis gebracht, und den Beschluss, der FDLR beizutreten, sorgsam vor ihm | |
verheimlicht, weil er ja Mitarbeiter der Botschaft gewesen sei, erzählt U. | |
## Brautgeld für den Kommandeur | |
U ist weitläufig verwandt mit Ezechiel (alias „Julius“) Gakwerere, ein | |
FDLR-Kommandeur in der kongolesischen Provinz Nord-Kivu. Einige Minuten | |
rätsele der Senat über das für europäische Vorstellungen etwas komplizierte | |
Verwandtschaftsverhältnis. „Seine Mutter ist wie die Schwester meiner | |
Mutter, vom gleichen Clan.“ Man einigt sich auf den Begriff „Großneffe“. | |
Er habe aber nur sporadischen Kontakt mit Gakwerere gehabt, sagt U. | |
Gakwerere sei ein sehr gläubiger Christ und habe Marienerscheinungen, | |
berichtet Großonkel U. „Er hat vielen geholfen, aus dem Wald wieder nach | |
Ruanda zurückzukommen.“ | |
Gakwerere habe Brautgeld für seine Hochzeit gebraucht: er musste den | |
Brauteltern eine Ziege, ein Schaf und eine Kuh übergeben. Als | |
gutverdiendender Verwandter habe U den Löwenanteil gespendet: 300 Dollar | |
für die Kuh. | |
“Hat Ihr Großneffe erzählt, wie man „im Wald“ lebt?“ will Richterin S… | |
wissen. | |
“Nicht wirklich. Ich weiß aber, dass er vielen geholfen hat, | |
zurückzukehren. Es gab viele Barrieren, durch die man gehen mußte. Man | |
mußte dafür bezahlen. Es konnte vorkommen, dass es bis zu vier Jahren | |
gedauert hat,“ erläutert der Angeklagte. | |
## Von der Miliz losgesagt | |
“Ich weiß, dass es Verbrechen gab“, führt U aus. „Die Taten wurden | |
beschönigt... Als Präsident hätte Murwanashyaka die Verantwortung gehabt, | |
die Taten nicht zu verkleinern, auch für die Leute im Wald. Ich bin gegen | |
eine bewaffnete Bewegung, die in ein anderes Land geht. Seit 1994 leben sie | |
dort wie die Wilden. Es gibt dort viele Kinder, die nichts anderes kennen | |
als gestohlenes Fleisch zu essen und im Wald zu leben.“ | |
Vor weiteren Angriffen der FDL Rauf die ruandische Armee warnt U: „Die | |
ruandische Armee ist sehr stark. Immer wenn es zu Kämpfen kommt, leidet die | |
Bevölkerung“. Und er fordert: Kein Dialog mit der FDLR. Die „alten“ Leut… | |
er meint damit die für den Völkermord verantwortlichen Militärs in der | |
Miliz - „halten die Jungen im Wald fest. Sie verhindern die Rückkehr der | |
Jungen.“ | |
27 Dec 2013 | |
## AUTOREN | |
Annette Hauschild | |
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