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# taz.de -- 28. Tag FDLR-Unterstützerprozess: Darf man Priester ausfragen?
> Ein katholischer Priester aus Ruanda telefonierte aus Versehen mit einem
> der Angeklagten in Düsseldorf. Ist das als Beweismittel zulässig?
Bild: Priester sind vor Gericht „Berufsgeheimnisträger“.
DÜSSELDORF taz | Es ist ein Freitag, nach einer arbeitsreichen Woche, als
ein katholischer Priester in den Zeugenstand in Düsseldorf gerufen wird:
Pater Dismas I. aus Ruanda, seit mehr als 20 Jahren in Deutschland als
Seelsorger tätig. Der freundliche ältere Herr hat in Rom studiert. Der
Angeklagte Jean Bosco und er kennen sich gut.
Er soll über ein Telefonat berichten, das der andere Angeklagte Bernard T
vor drei Jahren mit ihm geführt haben soll. Der Pater erklärt zu Beginn,
dass er gern antworten werde, aber er müsse das Beichtgeheimnis beachten.
Wieder einmal beanstandet Rechtsanwalt Karl Engels sogenannte
„Komplettvorhalte“, die Senatsvorsitzende Stein gerne abhält und legt
Widerspruch gegen die Verwertung des Vorhaltes als Beweismittel nach §136a
Strafprozessordnung ein.
Für Zuhörer ist ein Komplettvorhalt - ein Abspielen oder Vorlesen von TKÜ-
oder Vernehmungsprotokollen, Dokumenten und so weiter in (fast) voller
Länge oder in größeren zusammenhängenden Stücken - unter Umständen
informativ. Aber erlaubt es die Strafprozessordnung? Bisher verlangt die
StPO, dass Zeugen „aus eigenem Erinnern“ oder aus „eigenem Erleben“
berichten sollen, nicht aus dem, was ihnen nach dem Vorhalt wieder
einfällt.
Diesmal geht es allerdings um mehr. Gefordert wird ein „absolutes
Beweisverwertungsverbot“ nach §160a Abs 1 StPO, also ein Beweisverbot für
Berufsgeheimnisträger.
Versucht die Verteidigung auf diese Weise, ein möglicherweise wichtiges
Beweisstück, nämlich eine Selbstbezichtigung, unverwertbar zu machen?
"Ich vertraue Dir, weil Du unter Schweigepflicht stehst"
Denn es geht um nichts weniger als eine Selbstbezichtigung des Anrufers.
Bernard T. soll den Priester angerufen haben, allerdings nicht absichtlich,
sondern aus Versehen. Als er jedoch dann mit ihm gesprochen habe, soll er
gesagt haben: „Aufgrund dessen, dass Du eine nette Person bist, vertraue
ich Dir, weil ich weiß, dass Du unter Schweigepflicht stehst.“
Bundesanwalt Barthe erwidert: „Es geht hier um Angaben des Zeugen, der
möglicherweise ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 StPO (als
Berufsgeheimnisträger) hat.“ Engels: „Ein Verwertungsverbot ist von Amts
wegen zu beachten. Die Verteidigung muß davon ausgehen, dass dies hier
nicht der Fall ist. Daher möchte ich eine Stunde Zeit für den Antrag
haben.“
Engels Kollege Jasper Marten äußert den Eindruck, dass der Zeuge sein
Zeugnisverweigerungsrecht gar nicht richtig kenne, da er nicht richtig
belehrt worden sei.
Vorsitzende Stein: „Wir machen jetzt Mittagspause, dann haben Sie Ihre
Stunde. Aber wir werden sicherstellen, dass Sie nicht mit dem Zeugen
sprechen.“
Dieser Satz bringt Engels regelrecht aus der Fassung. Er glaubt offenbar,
dass man ihm eine Beeinflussung des Zeugen unterstellte. „Mein Mandant wird
sich noch überlegen, ob er sich noch von mir verteidigen lassen will, wenn
ich in dem Ruf stehe, dass ich unlauter bin! Ich bin Rechtsanwalt und
entscheide selbst, mit wem ich rede!“ ruft er erregt.
„Es war nicht gegen Sie gerichtet“, versucht die Vorsitzende zu
beschwichtigen.
Nach einigem Hin und Her fällt Verteidiger Christoph Miseré ein Vorschlag
zur Güte ein: Das Kontaktverbot solle auch für die Anklageseite gelten.
Die Vorsitzende hat sich nun wieder berappelt und entscheidet:
„Vorsitzendenbeschluss: Ausgehend von dem Zeugen, er soll nicht mit den
anderen reden und im Zeugenwarteraum warten.“ Die Wachtmeister sollen ihm
dorthin etwas zu essen bringen.
## Verwertungsverbot beantragt
Nach der Pause führt Axel Kaulfuß, Engels Co-Verteidiger, aus: Auch wenn
ein Berufsgeheimnisträger zufällig Kenntnis von einem Sachverhalt bekommen
habe, gelte das Beweiserhebungsverbot. Dies beziehe sich auf das gesamte
Gespräch, da der Pater unter Schweigepflicht stehe.
Damit wäre auch die „In Augenscheinnahme per Saallautsprecher“, die mit dem
Sinn des Hörens erfolgen solle, hinfällig.
Die Vorsitzende: „Der Senat hat schon einmal Ausführungen gemacht, was die
Beweisverwertung betrifft, und entschieden, dass zu diesem Zeitpunkt keine
Beschlüsse erfolgen.“
Engels: „Das Verwertungsverbot ist absolut, damit ist auch die
Inaugenscheinnahme unzulässig.“
Staatsanwalt Christoph Barthe bittet ums Wort: Aus seiner Sicht liegt kein
Beweisverwertungsverbot vor, denn die Abhörmaßnahme habe sich ja nicht
gegen den Priester, sondern gegen Bernard T. gerichtet.
Ein Geistlicher habe kein Zeugnisverweigerungsrecht, wenn er nebenbei oder
bei rein karitativer Tätigkeit etwas erfahren habe. Der Angeklagte habe den
Priester nicht als Geistlichen angerufen, sondern sich einfach verwählt.
Der Inhalt des Gesprächs habe keinerlei seelsorgerischen Belang. Es sei um
die Politik in Ruanda und das Wirken der Opposition gegangen. Auch die
heitere Gesprächsatmosphäre, mit Musik im Hintergrund, passe nicht zu einem
Seelsorgegespräch.
Die Vorsitzende ordnet also die Inaugenscheinnahme per Saallautsprecher an.
Engels verlangt eine Senatsentscheidung. Die Sitzung wird erst mal
unterbrochen.
## Keine Seelsorge, also kein Problem
Nach der Beratung fällt die Entscheidung des Senats wie erwartet aus: der
Beschluss der Vorsitzenden wurde bestätigt. In diesem Verfahren, wie auch
in Stuttgart, ist das eigentlich immer so. Ein Beweisverwertungsverbot
bestehe nicht, da in dem Gespräch Seelsorge weder angefragt noch zugewandt
worden sei. Es sei vielmehr um die Arbeit in einer Partei gegangen.
Pater Dismas ist übrigens für einen politischen Dialog in Ruanda.
Politische Probleme könnten nur mit Dialog gelöst werden, nicht mit Waffen,
sagt er.
30 May 2014
## AUTOREN
Annette Hauschild
## TAGS
Afrika
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess
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