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# taz.de -- 11.-19. Tag FDLR-Unterstützerprozess: Post aus dem afrikanischen W…
> Der Angeklagte U. hatte eine Mitgliederliste der Exilpartei RDR und stand
> selbst drauf. Und er bekam Post von seinem im Kongo kämpfenden
> Großneffen.
Bild: FDLR-Oberst Gakwerere (vorne links mit grünem Barett) ist der Großneffe…
DÜSSELDORF taz | Die dritte und vierte Woche im Gerichtsverfahren gegen
drei mutmaßliche FDLR-Mitglieder vor dem OLG Düsseldorf verging mit
Schilderungen der Hausdurchsuchungen bei den Angeklagten, der Auswertung
von Asservaten und der Vernehmung von Beamten des Bundeskriminalamtes.
Den Schilderungen der BKA-Beamten zufolge begann die polizeiliche Razzia
bei Familie U. eines Morgens früh um 6 Uhr. Man habe Herrn Jean-Bosco U.,
ehemaliger Mitarbeiter der ruandischen Botschaft in Bonn, den
Durchsuchungsbefehl und auch den Haftbefehl präsentiert. Es habe bei der
Durchsuchung eine Besonderheit gegeben: gegen 8 Uhr brachte eine Tochter
ihr Baby vorbei, damit die Oma drauf aufpasst, erzählt der
Ermittlungsführer beim BKA.
Gegen 11 Uhr seien die Kinder etwas quengelig geworden, daher habe er nur
geschrieben „schriftliche Unterlagen“, und die einzelnen Beweisstücke nicht
mehr separat im Durchsuchungsprotokoll aufgeführt.
Auf Anfragen der Verteidiger Jens Dieckmann und Jürgen Schüttler fügte der
Beamte hinzu: „Die U.s sind angenehme Menschen. Ich habe jetzt 26
Dienstjahre hinter mir. Die Durchsuchung bei dieser Familie war mit Abstand
die angenehmste, die ich je erlebt habe.“
Jean Bosco U. sei auf Deutsch vernommen worden, erklärte anschließend die
Frau vom BKA, die Fragen wurden ins Französische übersetzt und die
Antworten ins Deutsche rückübersetzt. Allerdings gab es dabei einen
Formfehler, über den sich ein Disput zwischen den Anklägern und Jean Bosco
auf der einen, den Verteidigern von Bernard T. und Felicien B., Karl Engels
und Christoph Miseré auf der anderen Seite entspann. Die Dolmetscherin war
nicht staatlich vereidigt. Engels legte daher Verwertungswiderspruch ein.
Doch Staatsanwalt Christoph Barthe bekundete seine hohe Meinung von der
Arbeit der Dolmetscher und wies darauf hin, dass es einen Unterschied gebe
zwischen einer Übersetzung von nicht vereidigten Dolmetschern in einem
Polizeiverhör und einer Übersetzung bei Gericht. Jean Bosco erklärte: „Ich
habe den Text gelesen, er wurde mir zurück übersetzt.“ Rechtsanwalt Jens
Dieckmann ist zudem des Französischen mächtig. Er hat keine Fehler bemerkt.
## Mitglied der RDR
Im Keller des Hauses waren Unterlagen aus Mitte der 90er Jahre gefunden
worden, etwa eine Mitgliederliste der Exilpartei RDR (Sammlung für
Demokratie und Rückkehr nach Ruanda) - die Partei der ruandischen
Hutu-Flüchtlinge im Ausland nach dem Völkermord an den Tutsi 1994. Die RDR,
so gab der 66jährige an, sei in Belgien gegründet worden.
Sein Name und die Namen seiner Familie standen auf der Liste. Während
einige Einträge als „Nicht-Mitglieder“ handschriftlich gekennzeichnet sind,
hatte seiner keinen solchen Vermerk. „Das war für unsere Asyl-Anträge“, w…
die Erklärung. Sich selbst bezeichnet Jean Bosco U. als „gemäßigten Hutu�…
man habe ihm auch den Spitznamen „der Tutsi von der Botschaft“ gegeben.
## SMS-Korrespondenz mit Kongo
Auf einem Handy, das Jean Bosco zugeordnet wird, gab es viel SMS-Austausch
mit kongolesischen und ruandischen Rufnummern. Verlesen wurden zum Beispiel
Nachrichten wie die folgende: “Der Sprecher hat versucht, Dich oder Jean
Mateka (ein Tarnname von Bernard T.) zu erreichen...“ oder „Wie geht es dem
Callixte? Besuchen die Leute ihn? Ich habe nicht mal seine aktuelle
Nummer.“
Rechtsanwalt Engels widersprach allerdings der Verwertung einer bestimmten
SMS, bevor sie öffentlich verlesen werden konnte. Diesmal gab der Senat
seinem Ansinnen statt.
## Post vom Oberst
Verlesen wurde ein Brief des ruandischen Oberst Gakwerere alias
„Lubumbashi“ von 1999 aus dem Kongo an seinen Großonkel U. in Deutschland
und „alle Familienmitglieder“, der bei der Durchsuchung gefunden worden
war. Kommandeur Gakwerere - später und bis heute ein leitender Kommandeur
der FDLR im Ostkongo - hatte das Schreiben als „geheim“ klassifiziert, da
er darin die damalige dortige militärische und politische Konfliktlage und
die diversen Akteure beschreibt.
Interessant dabei sind die durchaus wechselnden Bündniskonstellationen aus
dem Jahr 1999, als die in den Kongo geflohenen ruandischen Hutu-Soldaten
zusammen mit Kongos damaliger Regierungsarmee FAC gegen von Ruanda und
Uganda unterstützte Rebellen kämpften und dabei selbst von Simbabwe,
Angola, Namibia und Tschad unterstützt wurden - der „afrikanische
Weltkrieg“, wie Beobachter es damals nannten.
“Die Tschader“, so schreibt der Oberst, „haben uns Panzergranaten und
Mörser geliehen, und als sie sich zurückgezogen haben, nahmen sie das
wieder an sich. Wir waren entwaffnet.“ Die Sudanesen stellten eine Antonov.
„Das Potential der Simbabwer, Ugander, Tschader, Tansanier hängt stark von
ihrem Material ab. Wenn die Verbündeten nicht gewesen wären...“
Der Kommandant der kongolesischen Truppen ließ Gakwerere von seinem
Satellitentelefon nach Deutschland anrufen, um Jean Bosco U. oder Bernard
T. (alias Jean Mateka zu erreichen. Dort habe er aber nur immer ein Kind
erreicht, das gesagt habe: „Rufen Sie um 18 Uhr wieder an“. Schließlich
habe er es aufgegeben.
## Verkleidet nach Zentralafrika
Seine Leute hätten sich als FAC-Angehörige verkleidet in die
Zentralafrikanische Republik geflüchtet. Mittlerweile hatte die
Kommandoebene der kongolesischen Armee sich mit den Rebellen verbündet.
“Wir sind nach Bangui gefahren, haben dort Material und Geld erhalten, und
als wir ins Flugzeug steigen wollten, haben die Soldaten der UN alles
weggenommen. Wir landeten in Lubumbashi ohne alles. Haben hier Ignace
getroffen“ - den FDLR-Präsidenten Ignace Murwanashyaka, der in Stuttgart
angeklagt ist. Dies bezieht sich vermutlich auf das Jahr 2000.
„Sage nichts über das was hier geschah“, fährt der Brief fort. „Habt Ihr
geschafft, Kontakt zu Kigali aufzubauen? Lebt die Familie noch?“
Über die ruandische Armee, gegen die er damals im Kongo kämpfte, schreibt
er: „Die meisten Soldaten sind aus dem Gefängnis entlassene Hutu, die zum
Militärdienst gezwungen werden. Wenn wir die Toten sehen, sind sie unsere
Verwandte und die Tutsi stehen daneben und ruhen sich aus. Die Tutsi sind
böse Leute, wiegeln uns gegeneinander auf.“
Und an die Exilanten in Europa gewendet: “Es gibt viel zu tun. (...) Die
Europäer haben die Nase voll. Dieser kleine Nyerere und Clinton werden in
den Großen Seen verschwinden. Wir haben ja keine Wahl. Hört auf mit dem
Arbeiten im Untergrund, es ist noch nicht so weit!“
Der Brief schließt mit dem Hinweis, dass man per Fax kommuniziere, weil das
Telefonieren so teuer sei, und dass die Ruander sich kongolesische Namen
zugelegt hätten, um im Kongo nicht aufzufallen. „Wenn Sie also einen Brief
mit dem Namen Mokoko sehen, ist er von mir.“
## Machtkämpfchen im Gericht
Die Vorsitzende Richterin Martine Stein ist eine kleine, zierliche Frau mit
dunklen Haaren und einer modernen Kurzhaarfrisur. Wer sie für nicht
durchsetzungsfähig hält, liegt falsch. Nicht resolut wie ihre Kollegen aus
den beiden anderen Staatsschutzsenaten, Barbara Havlitza und Frank
Schreiber, sondern durchaus sanft leitet sie die Sitzungen. Die
Verteidiger, besonders Karl Engels, machen es ihr oft nicht leicht.
Besonders an dem vom Gericht bestellten Sachverständigen Gerd Hankel vom
Hamburger Institut für Sozialforschung entzündet sich fortlaufend Streit.
Die Bundesanwaltschaft hatte Hankel im Vorfeld mit einer
sozialwissenschaftlich-politikwissenschaftlichen Untersuchung über die der
FDLR zur Last gelegten Verbrechen beauftragt, zwei Senatsmitglieder hatten
dem zugestimmt. Das Gericht lud ihn kurzfristig, um ihn kennenzulernen und
als Gutachter, der den Prozess begleiten soll, zu bestellen.
Hankel ist bereits im Prozess gegen den ehemaligen ruandischen
Bürgermeister Onesphore Rwabukombe vor dem OLG Frankfurt, der im Februar
mit einer Verurteilung endete, als Gutachter zu Ruanda bestellt gewesen.
Die Verteidiger in Düsseldorf wollen Hankel lieber als Zeugen über die
Ereignisse in Kongo, die politische Situation in Ruanda und über die Frage,
ob die ruandische Regierung Zeugen beeinflusse, vernehmen. Sie beantragten
daher, ihn bis zu seiner Vernehmung von der Verhandlung ausschließen.
Sie möchten ihr Vorgehen zwar nicht so verstanden wissen, dass sie Hankels
Qualifikation bestreiten, argumentieren aber rein formal: Hankel habe keine
Ausbildung in Sozialwissenschaft oder Politikwissenschaft, sondern in Jura.
Der Senat weist die Anträge der Verteidigung meist ab. Bisher sitzt Hankel
noch am Gutachtertisch.
Am Tag darauf regte Rechtsanwalt Miseré an, das Gericht möge als zweiten
Gutachter Helmut Strizek laden. Empört protestierte Staatsanwalt Christoph
Barthe: Strizek sei befangen, er stehe der FDLR nahe. Die Sache ist noch
nicht entschieden. Strizek war bereits in Frankfurt als Gutachter abgelehnt
worden, wegen persönlichen Verbindungen zum Angeklagten.
7 Mar 2014
## AUTOREN
Annette Hauschild
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