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# taz.de -- 5.-10. Tag FDLR-Unterstützerprozess: Lebensgeschichten aus dem Exil
> Während sich die drei Angeklagten in Düsseldorf streiten, erklären sie
> ihre Biografien: Sie bewegen sich zwischen Vereinsmeierei und
> Coltanhandel.
Bild: Coltan aus einer Mine im FDLR-Einflussgebiet von Süd-Kivu, Ostkongo.
DÜSSELDORF taz | Frostig ist das Klima im Oberlandesgericht Düsseldorf,
nicht nur durch die kahlen weißen, teilweise verspiegelten Stahlbetonwände
und die Sitzbänke aus eloxiertem Alublech im Wartebereich des
Hochsicherheitsgerichts. Kühl auch im Gerichtssaal, wo gegen drei in
Deutschland lebende mutmaßliche Unterstützer der im Kongo kämpfenden
ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas)
verhandelt wird: Durch die Verteidigung geht ein Riss. Die Anwälte von
Bernard T. und Felicien B reden kaum mit denen des Mitangeklagten Jean
Bosco U.
Verständlich, denn dieser hat die Vorwürfe gegen sich eingeräumt, damit
aber auch seine Mitangeklagten belastet. Die Strategie seiner Anwälte:
rasch gestehen - es sind eh nur vergleichsweise Bagatellen, die ihm
vorgeworfen werden. An fünf FDLR-Kommuniqués hat er mitgewirkt, insgesamt
ein halbes Jahr lang. Die beiden anderen Angeklagten sollen sich fast 2
Jahre damit befasst und mehrere dutzend Pressemitteilungen verbreitet
haben.
U. will ihre Fragen erst beantworten, wenn sie selbst gestanden haben. Die
Verteidiger der beiden Hauptangeklagten wollen erstmal abwarten, in welche
Richtung der Prozess läuft, und später ein Geständnis in den Prozess
einführen. Eine gemeinsame Verteidigerhaltung ist also nicht gegeben.
Vielmehr versuchten Bernards und Feliciens Anwälte, vor allem Karl Engels -
allerdings vergeblich - über den Senat ihre Fragen an den Ex-Diplomaten U.
zu stellen. „Herr U. hat doch schon gesagt, dass er nichts sagen will“,
beschied die Vorsitzende Stein und berief sich auf ein Urteil des
Reichsgerichts von vor 70 Jahren.
## Ruandisches Vereinsleben in Bonn
Jean Bosco U. hatte gegenüber dem BKA behauptet, die beiden Mitangeklagten
Felicien und Bernard seien Mitglieder des Vereins Akagera-Rhein gewesen.
Der habe 1994 eine Demonstration in Bonn gegen den Staatsbesuch von Ruandas
erstem Präsidenten nach dem Völkermord, Pasteur Bizimungu, organisiert -
Bernard sei dabei gewesen. Der Verein sei zu einer Partei und dann Mitglied
der FDLR geworden.
Bernard T. bestritt, jemals Akagera-Rhein-Mitglied oder auf der
Demonstration gewesen zu sein. Damals habe er an seiner Diplomarbeit
gesessen. Aber die Botschaft habe einen Solidaritätsverein für die
Flüchtlinge gegründet und ihn angesprochen, dass er mit seinen Kontakten zu
Deutschen helfen könne. Auch Entwicklungshelfer seien darin Mitglied
gewesen. Er ebenfalls. Dieser Verein hatte unter anderem mit Amnesty
International korrespondiert um Unterstützung für die Hutu-Flüchtlinge aus
Ruanda zu erhalten. Und Amnesty hatte eine Urgent Action durchgeführt. Aber
eigentlich habe der Verein nie richtig funktioniert.
Der Bauingenieur T. war 1984 als Stipendiat der Carl-Duisberg-Gesellschaft
zum Studium aus Ruanda nach Westdeutschland gekommen. Er wurde 2006
deutscher Staatsbürger, ist verheiratet, und Vater von zwei Kindern. Seine
Frau sei Tutsi, sagt er. Sie hat Asyl erhalten.
Felicien B. war ebenfalls Carl-Duisberg-Stipendiat. Er lernte Bernard 1991
beim Studium in Köln kennen. Der junge Mann erlitt im Jahr 1993 einen
Schlaganfall, im gleichen Jahr starb sein Vater in Ruanda, er flog zur
Beerdigung und kam mit Malaria zurück. Im Jahr darauf, 1994 geschah das
Attentat auf die Präsidentenmaschine in Kigali, das den Völkermord
auslöste, erklärten seine Verteidiger Christoph Miseré und Detlef Marten.
Mit der Gründung des Vereins Akagera-Rhein im Mai 1994 habe man aufzeigen
wollen, dass vor den „Ereignissen“, die zum Völkermord führten, die Ruand…
gut zusammengelebt hätten. Die Räumlichkeiten seien von der ruandischen
Botschaft zur Verfügung gestellt worden. Ignace Murwanashyaka, der heute in
Stuttgart angeklagte FDLR-Präsident. sei zwar Mitglied gewesen, aber
einzelne Punkte hätten ihm nicht zugesagt, daher habe er in Bonn einen
eigenen Verein gegründet.
1995 sei B. in den Kongo (damals Zaire) gereist, um seine Familie zu
suchen, die aus Ruanda geflohen war. Vier Angehörige seien an Cholera
gestorben. Er fand die Übrigen, die Lager seien damals noch nicht
organisiert gewesen und im gleichen Jahr seien sie bombardiert worden. Eine
Tante, deren Kinder und Enkel seien in ihrem Haus verbrannt.
Ein Cousin von B., der als tot gegolten habe, sei aber wieder aufgetaucht.
Er sei als Kind in den Kriegswirren in den Kongo geflohen, habe dort zwei
Jahre bei der Hutu-Miliz FDLR gekämpft, sei nach Ruanda zurückgekehrt, in
die dortige Armee aufgenommen worden und schließlich als UN-Blauhelmsoldat
im Sudan stationiert. Ausgerechnet dieser Mann ist auch in Stuttgart Zeuge
im Verfahren gegen Murwanashyaka und Musoni gewesen. Unbestätigten
Informationen zufolge war den deutschen Strafverfolgungsbehörden das
Verwandtschaftsverhältnis bislang nicht bekannt.
## Coltan, ein Telefon und ein Beratungsbüro
Ex-Diplomat Jean-Bosco U. betrieb eine Consulting-Agentur für
Business-Kontakte nach Afrika, wie so viele Diplomaten, die ihre
Beziehungen auch geschäftlich nutzen. Nach 1994 war U. aus dem
diplomatischen Dienst Ruandas entlassen worden, hatte in Bonn Asyl erhalten
und später für die UNO gearbeitet.
In Bernard T.s Wohnung waren Tüten mit Erzproben gefunden worden. T. hatte
in den 90er Jahren für eine Firma namens ITC/Lafontaine gearbeitet, die mit
der Erzmischung Coltan (Columbit und Tantalit) handelte, und versucht,
Beziehungen zu der deutschen Firma H.C. Starck aufzubauen, damals
Weltmarktführer in der Verarbeitung von Tantalerzen für die
Elektronikindustrie. Ein Brief-Wechsel per Fax stammt aus dem Jahr 1995. T.
hatte Coltan angeboten, H.C. Starck bat per Fax um eine Probe und wies auf
die Beachtung einiger Formalitäten hin.
“Haben Sie in Zeiten der Arbeitslosigkeit gleichzeitig andere Aktivitäten
im Ausland entfaltet?“ fragt Bundesanwältin Sigrid Hegmann. Sie spielt
darauf an, dass Bernard lange arbeitslos war und daher viel Zeit hatte,
sich um die FDLR-Kommuniqués zu kümmern. T. windet sich etwas: Er habe
versucht, Geschäftsbeziehungen aufzubauen. So habe die Stadt Kigali zwar
eine Mülldeponie, aber kein Abwassersystem. Das Coltan habe ihm bloß ein
Geschäftsfreund geschickt, und er habe versucht, es analysieren zu lassen.
Felicien B. musste sein Studium abbrechen und absolvierte eine technische
Ausbildung. Er habe nicht von Arbeitslosengeld gelebt, sondern von
Ersparnissen, Bafög und Kindergeld. Er kaufte ein Satellitentelefon der
französischen Marke Thuraya bei einem Outdoor-Ausrüster.
21 Feb 2014
## AUTOREN
Annette Hauschild
## TAGS
FDLR
Ruanda
Ignace Murwanashyaka
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess
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