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# taz.de -- Umgang mit FDLR im Kongo: Taktische Spiele spalten Afrika
> Ab Januar drohen Militärschläge gegen die Hutu-Miliz FDLR. Oder auch
> nicht? In Ostkongos Wäldern entsteht die Front für einen neuen
> Regionalkonflikt.
Bild: Aufnahme vom Mai 2014: FDLR-Kämpfer übergeben ihre Waffen den Soldaten …
KAMPALA taz | Es war kein Sonntagvormittag wie jeder andere. Statt wie
üblich zu beten, versammelten sich die Rebellenführer am 28. Dezember um 10
Uhr zu einer feierlichen Zeremonie. Delegierte der UN-Mission im Kongo
(Monusco), kongolesische Regierungsvertreter und Beobachter waren per
Hubschrauber angereist, in das Dschungeldorf Buleusa in Ostkongos Provinz
Nord-Kivu. Der Anlass: Die ruandische Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte
zur Befreiung Ruandas) übergibt weitere 155 Kämpfer an die Monusco.
83 Kämpfer in T-Shirts legten in Buleusa 34 alte rostige
Kalaschnikow-Sturmgewehre und einen Raketenwerfer nieder und überreichten
162 Schuss Munition. Weitere 72 FDLR-Kämpfer bestiegen gleichzeitig im Dorf
Burhinyi in der Süd-Kivu-Provinz einen UN-Lastwagen. Es war die dritte
solche Zeremonie seit Mai, als die FDLR erstmals Kämpfer an die UNO
übergab.
Die FDLR gilt als eine der Hauptursachen für die fortlaufenden Konflikte im
Ostkongo selbst sowie zwischen dem Kongo und den Nachbarländern, vor allem
Ruanda. Die ruandische Hutu-Miliz besteht in ihrer Führungsriege aus
Offizieren der ehemaligen ruandischen Armee (FAR), die 1994 am Völkermord
mitgewirkt und sich danach in die Wälder des Kongos abgesetzt hatte. Von
dort aus führt die FDLR bis heute Krieg gegen das Regime in Ruanda und
begeht grausame Übergriffe gegen die kongolesische Bevölkerung.
Aber was jetzt schon zum dritten Mal in den Wäldern Ostkongos als
„Übergabe“ von FDLR-Kämpfern stattgefunden hat, mit insgesamt etwas über
300 Milizionären, ist ein Witz. Die FDLR besteht aus mindestens 1.500
Kriegern und hat ein gut ausgestattetes Waffenarsenal. Das heißt, sie hat
in sechs Monaten gerade einmal 20 Prozent ihrer Krieger übergeben. Fast
alle sind einfache Fußsoldaten, kein hochrangiger Offizier ist dabei.
Alle am Sonntag übergebenen Kämpfer sollen in das große
UN-Demobilisierungscamp in Kisangani geflogen werden, das derzeit ausgebaut
wird. Dort leben bereits über 150 FDLR-Soldaten sowie über 500 Frauen und
Kinder. FDLR-Sprecher Laforge beschwert sich gegenüber der taz über die
unhygienischen Bedingungen im Lager.
Man könnte meinen, jeder einzelne übergebene Kämpfer, jede einzelne
niedergelegte Waffe ist ein kleiner Schritt in Richtung Frieden im
Ostkongo. Im März 2013 hatte der UN-Sicherheitsrat beschlossen, mit
Waffengewalt die über 50 Milizen im Kongo zu eliminieren. Die 20.000 im
Kongo stationierten UN-Blauhelmsoldaten wurden um eine 3.000 Mann starke
Interventionsbrigade (FIB) erweitert, mit Kampfhubschraubern,
Scharfschützen und einem robusten Kampfmandat. Gemeinsam mit Kongos Armee
besiegten sie im November 2013 die Tutsi-Rebellengruppe M23 (Bewegung des
23.März). Die ganze Welt feierte diesen Sieg.
## Entwaffnung als Theaterspiel
Als nächstes sollte die FDLR ins Visier genommen werden, so der Plan. Doch
dann kam alles anders. Die UN-Kampftruppe FIB besteht aus südafrikanischen,
tansanischen und malawischen Spezialeinheiten. Südafrika und Tansania
liegen mit Ruandas Regierung im Clinch und sind der FDLR gegenüber
freundlich eingestellt. Tansania bezeichnet die Milizionäre sogar als
„Freiheitskämpfer“. Auch Kongos Armee kollaborierte in der Vergangenheit
immer wieder mit der FDLR gegen den gemeinsamen Feind Ruanda. Keiner dieser
Akteure will die Waffen gegen die FDLR richten, so scheint es.
Um sich vor Militärschlägen zu schützen, verkündete die FDLR schon Ende
2013, sie werde ihren Krieg beenden, wenn Ruandas Regierung sie als
Verhandlungspartner anerkenne. Auf einem Regionalgipfel im Juli 2014 wurde
schließlich der FDLR-Führung sechs Monate Zeit eingeräumt, freiwillig die
Waffen niederzulegen. Dieses Ultimatum läuft am 2. Januar ab. Deswegen hat
die Miliz jetzt wieder ein paar Kämpfer aufgegeben.
„Dieses Ultimatum bedeutet für uns nichts“, sagt FDLR-Sprecher Laforge Fils
Bazeye der taz. Die FDLR habe schon Ende 2013 offiziell alle Waffen
niedergelegt. Jetzt sei es an der Zeit, mit Ruandas Regierung „in einen
politischen Dialog zu treten, um die friedliche Heimkehr zu garantieren“.
Laforge warnt vor Militärschlägen: „Die UNO kann nicht einfach gegen
jemanden vorgehen, der schon lange die Waffen gestreckt hat.“ So werden die
Übergabezeremonien zum politischen Manöver.
Rund 300 Kämpfer plus deren Frauen und Kindern sind mittlerweile in den
UN-Lagern untergebracht. Doch sie stehen nach wie vor unter
FDLR-Befehlsgewalt, sagen UN-Mitarbeiter, die die Kämpfer interviewten. Ein
UN-Demobilisierungsprogramm sieht eigentlich die freiwillige Rückführung
nach Ruanda vor. Die Kämpfer seien nicht für dieses Programm bestimmt,
erklärt FDLR-Chef Byiringiro. Es scheint, als habe er die Männer auf eine
Mission geschickt: ohne Waffen, aber dafür als politische Trumpfkarte. Die
Inszenierung der freiwilligen Entwaffnung scheint ein Theaterspiel zu sein,
um die internationale Gemeinschaft auf ihre Seite zu ziehen – und damit die
Regierung in Ruanda unter Druck zu setzen. Denn diese weigert sich strikt,
mit der FDLR zu verhandeln.
## „Nur Gott weiß, was am 2. Januar geschehen wird“
Derweil geht auf regionaler Ebene das Tauziehen zwischen Befürwortern und
Ablehnern eines Militärschlags gegen die FDLR weiter. „Die Uhr tickt“, hat
der deutsche Monusco-Chef Martin Kobler die FDLR immer wieder gewarnt. Doch
ob und wie die Drohungen tatsächlich umgesetzt werden, darüber zerbricht
man sich auch innerhalb der Monusco noch den Kopf. Die FIB-Truppensteller
Südafrika und Tansania sind zögerlich. Südafrikas Präsident Jakob Zuma
besuchte vergangene Woche seinen tansanischen Amtskollegen Jakaya Kikwete
und traf sich anschließend mit Ugandas Präsident Yoweri Museveni.
Gleichzeitig reiste Ruandas Präsident Paul Kagame nach Angola und sprach
mit Präsident José Eduardo dos Santos, der derzeit den Vorsitz der
Regionalorganisation ICGLR (Internationale Konferenz der Großen Seen)
innehat. Bei all diesen Treffen ging es unter anderem um die FDLR.
Das Ultimatum am 2. Januar wird, das zeichnet sich ab, verstreichen, ohne
dass ein Schuss fällt. Dies bestätigte auch Angolas Außenminister Georges
Chikoti: Es werde erst am 15. Januar einen neuen Regionalgipfel geben,
sagte er in einem Interview nach dem Besuch des ruandischen Präsidenten in
Angola. Erst dann könne man „eventuell“ tatsächlich losschlagen.
Ruanda, Uganda und Kenia sind ungeduldiger. Im Rahmen der „Ostafrikanischen
Sicherheitsstrategie“ haben sie eine Eingreiftruppe aufgesetzt, die
innerhalb weniger Tage stationiert werden kann – zur kollektiven
Selbstverteidigung oder zur Beilegung eines Konflikts in der Region unter
Mandat der Afrikanischen Union.
Es wird gemunkelt, dass diese Eingreiftruppe in den ostkongolesische
Dschungel geschickt werden könnte, sollte die Monusco untätig bleiben. Zuma
soll Ugandas Präsident Museveni jetzt gebeten haben, mit einer solchen
Aktion zu warten. „Nur Gott weiß, was am 2. Januar geschehen wird“, sagte
FDLR-Chef Byiringiro am Sonntag in Buleusa. „Und die UNO.“
29 Dec 2014
## AUTOREN
Simone Schlindwein
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Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess
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